Landwirtschaftsminister Özdemir plant nur Gutes: Wegen der explodierten Lebensmittelpreise will er Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer befreien. Verschwiegen wird, dass selbige Steuer später bei missliebigen Lebensmitteln erhöht werden könnte. Es gehört wohl bald zur Ernährungsstrategie der Bundesregierung, die Bürger zur Umstellung ihrer Nahrungsgewohnheiten zu drängen.
Kurz vor Weihnachten hatte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein Eckpunktepapier für die Ernährungsstrategie dieser Bundesregierung vorgestellt. Die Inhalte konnten bei einem grünen Minister nicht überraschen:
„Damit Verbraucherinnen und Verbraucher eine nachhaltigere Ernährung realisieren können, will die Bundesregierung die Bedingungen – von der Darbietung über den Konsum bis zur Entsorgung – so gestalten, dass eine gesunde, stärker pflanzenbetonte und nachhaltige Ernährung im Alltag ermöglicht wird. […]
Weniger Zucker, Fette und Salz: Die Zusammensetzung von Fertigprodukten soll ernährungsphysiologisch günstiger werden. Dazu wird die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten weiterentwickelt. […]
Die Bundesregierung will pflanzliche, regionale beziehungsweise saisonal-regionale (bei Obst und Gemüse) sowie ökologisch erzeugte Lebensmittel fördern.“
Die Deutschen und ihre Mitbewohner sollen also von Fleisch, Zucker, Salz und Fett lassen. Diät für alle! Oder man ernährt sich gleich vegan und zwar vornehmlich aus regionalen Produkten. Das ist angeblich gut fürs Klima, und die „Rettung“ des selbigen ist bekanntlich höchstes Politik-Ziel dieser Bundesregierung.
Hübsch verpackter Eingriff
Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass das Bundeskabinett in diesem Jahr eine Ernährungsstrategie beschließen wird, die diesen Vorgaben folgt. Doch bevor sie beschlossen ist, könnten die Umbauarbeiten an den Ernährungsgewohnheiten der Bürger, hübsch verpackt als Maßnahme gegen die steigenden Lebensmittelpreise, schon beginnen.
Wie man dieser Tage lesen kann, fordert Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf gesundes Obst und Gemüse. Sofort erhob Özdemirs Parteifreund Dirk Messner als Präsident des Umweltbundesamtes die gleiche Forderung. Die grüne Ex-Poltikerin Ramona Pop stimmte in ihrer heutigen Rolle als Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen sogleich in den Chor mit ein. Begründet wird dieser orchestrierte grüne Vorstoß mit den dramatisch gestiegenen Lebensmittelpreisen, was auf den ersten Blick auch durchaus nachvollziehbar erscheint. Die Nahrungsmittel sind wirklich enorm im Preis gestiegen, und da erscheint es sinnvoll, wenn der Staat auf Steuern verzichtet, um den Preisauftrieb zu dämpfen. Man fragt sich natürlich, warum die Bundesregierung das nicht schon früher bei den vielfältigen Energiesteuern gemacht hat, um schnell und effektiv zu helfen, statt mit Wumms und Doppel-Wumms Hilfspakete zu schnüren, aus denen dann Steuermilliarden wieder aufwändig ausgeschüttet werden. Gedämpfte Energiepreise hätten auch den Preisauftrieb bei Lebensmitteln gemildert und nicht nur da.
Nun kann man einwenden, dass es trotzdem gut und richtig ist, wenigstens jetzt mit einem Steuerverzicht zur Preisdämpfung zu beginnen. Wenn es Özdemir und Parteifreunden wirklich um Preisdämpfung ginge, müsste dieser Einwand jede Kritik an der Forderung eigentlich zum Verstummen bringen. Aber es geht hier eben nicht um eine Lebensmittelpreis-Dämpfung, weil die Nahrungskosten angeblich durch Putins Ukraine-Krieg so stark gestiegen seien. Auch wenn die Bundesregierung es gern so darstellt, als gäbe es nur einen externen Schuldigen für ein Problem, das deutsche Politiker nun lösen müssen: Das Problem ist in großen Teilen auch hausgemacht.
Kein gutes Steak für Kleinverdiener?
Wer öfter auf diesen Seiten liest, wird sich vielleicht bei den nächsten Zeilen langweilen, aber es muss immer wieder gesagt werden: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die folgenden Sanktionen und Gegensanktionen haben Preisauftrieb und Inflation natürlich dramatisch verstärkt, sie haben sie aber nicht verursacht. Die Energiepreise stiegen bereits vor dem russischen Einmarsch stark an, die Erzeugerpreise und die Inflation ebenso. Ganz ohne Krieg schafften es die letzten Bundesregierungen mit ihrer Energiepolitik der letzten zwölf Jahre, dass in Deutschland schon vor dem Ukraine-Krieg mit die höchsten Energiepreise gezahlt werden mussten. Und die Bauern, insbesondere konventionelle Landwirte, geraten nicht nur wegen gestiegener Preise in Bedrängnis, sondern auch wegen einer wachsenden Zahl an staatlichen Reglementierungen, Restriktionen und Verboten, die ihnen die Arbeit erschweren.
Ein Landwirtschaftsminister hätte mehrere Stellschrauben in seinem Verantwortungsbereich, an denen er zur Lebensmittelpreisdämpfung drehen könnte. Die Abschaffung der Mehrwertsteuer gehört aber nicht dazu, die kann er nur fordern. Doch warum sollten ihm das Kabinett und speziell der Finanzminister dies verweigern?
Zur Begründung seines Vorschlags holt er gern einen Textbaustein hervor, den er zur Präsentation seiner Ernährungsstrategie-Pläne gern genutzt hat: Gesundes Obst und Gemüse darf für niedrigere Einkommensbezieher nicht unbezahlbar werden. Und wenn der Finanzminister doch aufstöhnt? Dann könnte man sich flugs auf einen Koalitions-Kompromiss dergestalt einigen, dass nicht so erwünschte Lebensmittel wie Fleisch, Wurst oder andere tierische Produkte dafür mit einem höheren Mehrwertsteuersatz belegt werden. Die Staatseinnahmen würden nicht sinken und die Lebensmittelpreise auch nicht, es sei denn, man ernährte sich stärker vegan. Dass sich Bezieher niedrigerer Einkommen auch ein gutes Steak leisten können sollten, ist eine Aussage, die im gegenwärtigen ministeriellen Textbausteinkasten wohl eher nicht zu finden ist.
Wer glaubt, dass den von hohen Lebensmittelpreisen geplagten Bürgern geholfen wird, wenn es an die Mehrwertsteuer geht, hat vielleicht vergessen, dass sich jede staatliche Wohltat ohnehin nur aus dem speist, was heutige und künftige Steuerzahler irgendwann erwirtschaften müssen. Und mündige Bürger sollten sich zudem die Umerziehung in Sachen Ernährung durch die Lebensmittel-Besteuerung verbitten. Die Ernährungsstrategie einer Regierung sollte sich, so es wirklich eine geben muss, darauf konzentrieren, dass die Versorgung des Landes mit bezahlbaren Lebensmitteln in maximaler Vielfalt auch in Krisenlagen gesichert bleibt, und zwar nachhaltig.