Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 26.09.2007 / 09:04 / 0 / Seite ausdrucken

Erkenntnisse vom Labour-Parteitag 2007

Gestern hatte ich das Vergnügen, den Parteitag der britischen Labour Party im südenglischen Bournemouth zu besuchen. Heute bin ich daher um einige Einsichten reicher:

1. Das Hauptthema des Parteitags stand nicht auf der Tagesordnung

Es wurde offiziell über alles Mögliche gesprochen, die gesamte Regierungstätigkeit wurde einmal durchdekliniert, aber ansonsten gab es nur ein Thema: Ruft Gordon Brown nun Neuwahlen aus oder nicht? Beim Kaffee und auf der Toilette, auf dem Weg zum Konferenzzentrum, am Bahnhof und in der Zigarettenpause unterhielten sich Delegierte und Besucher über nichts anderes. Die Partei, die gerade an der 40 Prozent-Marke kratzt, wirkte wie elektrisiert, als könne sie es gar nicht erwarten, der Opposition eine verheerende Niederlage beizubringen. Nur der Sender SkyNews konnte den Tories noch Hoffnung machen.

2. Die Befürworter einer Volksabstimmung zum EU-Vertrag haben nicht nur gute Argumente

Nein, sie haben auch gute Ideen.

3. Tagungssaal und Ausstellungsbereich trennen Welten

Was waren das für Fernsehbilder? Gordon Brown lieferte eine staatstragende Rede vor einem blauen Hintergrund ab, wo Blau doch die traditionelle Farbe der britischen Konservativen ist. Lässt man den Tagungssaal jedoch hinter sich, dann wird doch schnell klar, dass man doch bei Labour ist, denn dort stellen Gruppen wie die “Cuba Solidarity Campaign”, die “Palestine Solidarity Campaign” und “Islamic Relief” aus. Und natürlich auch ganz obskure Organisationen, von denen man hoffte, dass es so etwas gar nicht gibt, zum Beispiel die “Local Government Association High Ethnicity Authorities’ Special Interest Group” (LGAHEASIG). Jetzt weiß ich auch, warum wir so hohe Kommunalsteuern zahlen müsen.

4. Es gibt auch nette Labour-Minister

Bei einer Diskussion über britische Kommunalpolitik saß ich neben der zuständigen Ministerin Hazel Blears auf dem Podium und stellte mit großem Erstaunen fest, dass Hazel nicht nur sehr umgänglich und freundlich ist, sondern dass wir uns in den allermeisten Punkten durchaus einig waren. Meine Stimme hätte sie jedenfalls, und eine ernstzunehmende Opposition gibt es ja ohnehin nicht.

Am Sonntag geht es dann übrigens für meine Kollegen und mich zum konservativen Parteitag nach Blackpool. Nach der aufgekratzten Stimmung der Labour-Party in Bournemouth dürfte dies eine ganz andere Veranstaltung werden. Und das heruntergekommene Seebad Blackpool kann mit dem hübsch-herausgeputzten Bournemouth ohnehin nicht mithalten. Die Orte der beiden Parteitage hätten nicht passender zur politischen Lage gewählt werden können.

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