CSU: Die Geschichte der Bettvorleger

Von Erik Lommatzsch.

Fremdworte sind Glückssache. Historische Vergleiche leider auch. Unangenehm, wenn man die eigene Geschichte nur wenig kennt. Zu vernehmen ist, dass Horst Seehofer den „Druck“ auf die CDU erhöht habe, indem er vor einigen Tagen bezüglich der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen „die schwierigsten Gespräche seit Kreuth“ ankündigte.

Mittels des „Kreuther Trennungsbeschlusses“ (benannt nach dem Ort der Abstimmung, dem idyllischen Wildbad Kreuth) war vor über 40 Jahren die Entscheidung der CSU-Landesgruppe gefallen, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag aufzulösen. Dabei handelte sich es sozusagen um den „Bayernplan“ von 1976. Laut tönen, bis hin zur markigen Beleidigung – um sich dann doch, nahezu ergebnislos, kleinlaut wieder in die Reihe zu stellen, aus der man gerade einmal verbal ausgeschert war. Immerhin gibt so etwas Schlagzeilen.

Am 19. November 1976 hatte die Landesgruppe für die Trennung votiert, mit 30 von 50 Stimmen, immerhin mit satter Mehrheit. Indirekt war dies auch das Startsignal für eine bundesweite Ausdehnung der CSU. Der CDU-Bundesvorsitzende Helmut Kohl, der bei der Bundestagswahl noch wenige Wochen zuvor für die Union nur knapp die absolute Mehrheit verfehlt hatte, reagierte umgehend und verständlicherweise gereizt, war die Presse doch sogar noch vor ihm über diese Vorgänge informiert worden.

"Zwerge im Westentaschenformat"

Offizielle Begründung für die Trennung war vor allem der Vorwurf, die CDU unterstütze zu stark die Deutschland- und Außenpolitik (ja, das wurde damals peinlichst unterschieden) der SPD-FDP-Regierung unter Bundeskanzler Schmidt. Ansonsten handelte es sich nicht zuletzt um einen persönlichen Krieg von Franz Josef Strauß gegen Kohl. Diesem, so der CSU-Vorsitzende, „fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen… einfach alles“. Die Charakterisierungen „Zwerge im Westentaschenformat“ oder „Reclamausgaben von Politikern“ waren anderen CDU-Mitgliedern zugedacht.

Das Ende des Spuks, sofern er überhaupt als real wahrgenommen wurde, war bereits kaum zwei Wochen nach dem „Trennungsbeschluss“ in Sicht. Wohl vor allem dessen logische Konsequenz – die Etablierung der CDU in Bayern – veranlasste die CSU, ohnehin etwas zitterig bezüglich der eigenen Courage, mit der CDU über die Fortsetzung der Fraktionsgemeinschaft zu verhandeln. Das Weihnachtsmarktwürstchen konnten sich die Unionspolitiker, vielleicht abgesehen von Strauß, dann schon wieder ganz in Ruhe schmecken lassen. Ergebnis des 12. Dezember endgültig beigelegten Streits: Die CSU durfte sich gegenüber der CDU jetzt im Notfall etwas lauter äußern. In der geneigten Geschichtsschreibung kann man diese hier etwas stark zusammengefassten Beschlüsse natürlich bayernfreundlicher formulieren. Mit dem Satz „Ruhet wohl, es hat nicht sollen sein.“, beendete der damalige CSU-Landesgruppenchef und nachmalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann das Kapitel „Der Geist von Kreuth“, welches den Auftakt seiner Memoiren bildet.

Das Bundestagswahlergebnis des Kanzleramtsaspiranten Strauß, der sich für 1980 die Unions-Spitzenkandidatur ertrotzte, fiel hinter dasjenige Kohls von 1976 zurück. Strauß konnte die Bundespolitik bis an sein Lebensende nur noch von Bayern aus beeinflussen, gelegentlich geäußerte anderweitige Amtsansprüche liefen ins Leere. Bundeskanzler wurde 1982 schließlich der laut Strauß völlig voraussetzungsfreie Kohl, und zwar für die folgenden 16 Jahre.

„Druck“ ausüben mit dem Verweis auf eine solche Geschichte? Sollte darüber im Arbeitszimmer der derzeitigen, bleibenwollenden Kanzlerin herzlich gelacht worden sein, dann war der Anlass dazu in diesen –  ansonsten in jeder möglichen Bedeutung des Wortes trüben –  Tagen ein würdiger.

Erik Lommatzsch ist Historiker und lebt in Leipzig.

Foto: Mickey Bohnacker via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Herwig Mankovsky / 09.10.2017

Bettvorleger können nicht umfallen? Seehofer beweist: Es geht.

Hubert Bauer / 08.10.2017

Eigentlich habe ich gedacht, Bayern sei für die AfD das schwierigste Bundesland, weil die CSU noch sehr nah an der AfD dran ist. Aber in Bayern war die AfD bei der BTW in Westdeutschland am erfolgreichsten. Der klassische CSU-Wähler will nicht die Richtung seiner Partei bestimmen, sondern, dass seine Partei seine Richtung bestimmt. Aber die Richtung der CSU ist nicht mehr erkennbar. Der Spalt zwischen dem, was die CSU Jahrzehnte lang gepredigt hat zu dem was Merkel jetzt predigt ist zu groß geworden und Seehofer kann sich weder für das Eine noch für das Andere noch für einen klaren Kompromiss entscheiden. Petr Bystron und die AfD fahren seit fünf Jahren einen klaren Kurs und das honoriert der klassische konservative Wähler.

Hannes Nießlbeck / 08.10.2017

Möglicherweise wäre unter den heutigen Umständen die Drohung der CDU sich bei einer Auflösung der Fraktionsgemeinschaft auch in Bayern zur Wahl zu stellen weniger zu fürchten als die umgekehrte Drohung, mit er CSU deutschlandweit aufzutreten. Wer weiß schon, wie das heute ausgehen würde.

Sepp Kneip / 08.10.2017

Heute wird sich Seehofer seine nächste Schlappe abholen. Hat er aus der Vergangenheit nichts gelernt, als er als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet Ist? Natürlich hat Seehofer Recht, wenn er gegen Merkels “Flüchtlings”-Politik angeht und wenn er Merkel vorwirft gegen Recht, Gesetz und am Bürger vorbei zu regieren. Aber wie will er seine Meinung durchsetzen? Er sitzt am kürzeren Hebel. Erst recht dann, wenn ihm noch nicht mal die Wähler folgen? Er kommt deswegen gegen Merkel nicht an, weil die sich ihre Mehrheiten woanders geholt hat. Wenn der größere Fraktionspartner so mit einem umspringt, muss man diese Gemeinschaft aufkündigen. Aber das macht man nicht, weil einem die Futtertröge lieber sind als die Prinzipien. Das kann sich aber bös rächen. Dann doch lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Es zeigt sich, dass der Schwanz nicht mit dem Hund wedeln kann. Oder doch? In der Jamaika-Koalition.? Hier deutet sich an, dass die Partei mit den wengsten Stimmen das Größtmögliche aus den Verhandlungen herausholt. Der grüne Schwanz also doch mit dem Hund wedelt. Merkel hat sich im Laufe der Zeit den Grünen so weit angenähert, dass sie dicke Zugeständnisse machen wird, die ihr noch nicht mal schwer fallen, insbesondere in der Flüchtlingspolitik.  Da kann sich Sehhofer noch so auf den Kopf stellen, er wird den nächsten “Flüchtlings”-Tsunami nicht aufhalten können. Leider! Die transatlantischen Strippenzieher werden mit Merkel auch hier wieder obsiegen. Deutschland geht schweren Zeiten entgegen. Dem Wähler sei “Dank”.

Winfried Sautter / 08.10.2017

Kohl kann man nicht mit Merkel vergleichen; die Verhältnisse von 1976 nicht mit denen von heute. Ein Politiker vom Format eines FJS hätte mehr als 32 % geholt.

Karla Kuhn / 08.10.2017

Herr Seehofer fährt leider einen Achterbahnkurs. Für mich ist er nicht mehr tragbar und er würde sich selber einen Gefallen tun, wenn er abtreten würde.  Warum klammern sich manche Politiker, wie auch Frau Merkel an ihre Posten obwohl das Wahlvolk deutlich gezeigt hat, daß ihnen wenig oder kein Vertrauen mehr entgegengebracht wird ?? Ich würde lieber meinen Hut nehmen, statt wie bei Honecker ihn hinterher geworfen zu bekommen. Sind Bodenhaftung und Realitätssinn so geschrumpft während der Regierungszeit ?? Ich freue mich über berühmte Schauspieler, die auf dem Höhepunkt ihrer Karriere abtreten. Sie behält man gerne in guter Erinnerung.

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