Ahmet Refii Dener, Gastautor / 24.09.2020 / 16:00 / Foto: Ra Boe / 21 / Seite ausdrucken

Erdogan: Wenn ein Geistlicher im Cockpit sitzt

Das Flugzeug hat abgehoben. In diesem Flugzeug gibt es nur eine Flugbegleiterin, die an diesem Tag, wie der Zufall will, auch noch während des Fluges ausfällt. Schon sind Passagiere da, die Hunger oder Durst haben, den Sitz nicht verstellen können, die Toilettentür nicht finden oder öffnen können, die das Gepäck zwar aus den Gepäckfächern nehmen, aber nicht mehr zurück tun können und so weiter.

Einer der Passagiere, der die Situation beobachtet hat, steht auf und sagt: „So kann das nicht weitergehen, wir müssen jemanden wählen, der diese Aufgabe übernimmt.“ Der nächste steht auf und sagt: „Es sollen sich die Freiwilligen bitte melden!“ Einer von den Bewerbern für die Stelle des Flugbegleiters ist ein Geistlicher, der mit dem Koran in der Hand sich zur Wahl stellt. Wie so Geistliche sind, preist er sich an und spricht ohne Ende und schafft es dabei, viele für sich zu gewinnen. Der nächste Bewerber springt auf und sagt: „Das kann doch nicht angehen, dass hier Ausbildung gar nicht gefragt ist. Ich komme aus der Dienstleistungsbranche und kann diesen Job viel besser ausführen als der Geistliche.“ Ein anderer schreit dazwischen: „Wie sollten den nehmen, der am meisten geflogen ist.“

Die Unterstützer des Geistlichen warten den Moment ab, in dem einige an der Toilette Schlange stehen und andere schlafen und ziehen die Wahl durch. Der Geistliche gewinnt und hat in der Kabine das Sagen. Sofort ernennt der Geistliche seinen Sohn zum Assistenten. Der Junge ist kleinwüchsig, kommt nirgends an, findet das Gesuchte nicht … Chaos bricht aus!

Der Geistliche wird zum Piloten gewählt

Viele der Passagiere regen sich auf, dass dieser Zustand unhaltbar wäre. Der Geistliche geht darauf nicht ein und sagt: „Ich fliege das Flugzeug nicht, meine Verantwortung endet leider in der Kabine, sonst wären wir schon längst da.“ Einige rufen dazwischen, dass man wiederwählen solle, dass das so nicht weitergehen kann. Ein anderer sagt: „Hört damit auf, sowas kann nicht jeder, da gehört eine Ausbildung, ein Diplom dazu.“

Nichts zu machen. Es wird nochmals gewählt. Wieder eine identische Situation. Während viele mit anderen Dingen beschäftigt sind, wird der Geistliche zum Piloten gewählt. Sofort geht er in das Cockpit und schickt den Flugkapitän raus. Gleichzeitig drückt er die Knöpfe da und dort. Der Co-Pilot sieht, dass da Gefahr in Verzug ist, aber nichts zu machen. Daraufhin schickt der Geistliche auch den Co-Piloten weg. Der Geistliche lässt seinen Sohn rufen. Er solle nach vorne kommen. Der Junge wird somit zum Co-Piloten.  

Währenddessen werden die Business-Class-Passagiere in die Economy verjagt und die Anhänger des Geistlichen nehmen in der Business-Class Platz. Die Duty-Free-Waren werden unter den Anhängern des neuen Piloten verteilt. In dem Moment meldet sich der Tower. „Flug 1507, Sie sind von der vorgesehen Route abgekommen, fliegen Sie eine Linkskurve!“ Der Funkverkehr ist versehentlich auf die Lautsprecher geschaltet, sodass die Passagiere alles mitbekommen.

Einige werden nervös, aber ein anderer sagt: „Lasst den Mann machen, schließlich ist das hier kein Tante-Emma-Laden, den er führt, er fliegt ein Flugzeug.“ Viele sagen: „Nimmt den Mann da vom Steuerknüppel weg, wir werden abstürzen!“ Der Geistliche sagt: „Da sieht man es wieder, die fremden Mächte mischen sich wieder ein.“ Einige aber werden euphorisch und rufen: „Lass uns in Jerusalem landen!“, „Lass uns nach Mekka fliegen!“, „Wenn wir schon oben sind, lasst uns zum Mars fliegen!“…

Die Hoffnung ruht auf den schlafenden Passagieren

Der Pilot, sorry, der Geistliche sagt zum Tower: „Ich muss die Meinung der Passagiere respektieren. Ich werde Ihre Anweisungen nicht beachten.“ Im Tower schmunzeln die Fluglotsen und alarmieren die Luftwaffe. Sie beratschlagen sich, ob sie die Maschine abschießen lassen sollen, Spezialeinsatzkommandos reinschmuggeln oder die Passagiere mit Grips im Kopf dazu zu bringen, dass sie gegen den Piloten, sorry, den Geistlichen agieren.

Die Situation wird immer kritischer, als die Geschehnisse in den Nachrichten kommen: „Breaking News!“

Die Wettanbieter steigen ins Geschehen ein und bieten Wetten an. Man kann wetten auf:

  1. Dass die Schlafenden aufwachen, nochmal wählen und der Pilot wieder in das Cockpit darf.
     
  2. Dass die Maschine während der Landung durch den Geistlichen abstürzt.
     
  3. Dass die Maschine kein Kerosin mehr hat und abstürzt.
     
  4. Dass die Maschine abgeschossen wird.

Unter den Wetten gibt es jedoch nicht die Möglichkeit, dass der Geistliche die Maschine heil landet. Der Tower reagiert nicht und wartet erst mal ab. Warum? „Der Geistliche ist als Pilot demokratischen Wahlen entsprungen.“ Die Hoffnung ruht auf den schlafenden Passagieren.

Zur Erklärung: Der Pilot ist Erdogan der Prächtige, der Co-Pilot sein Schwiegersohn und der Minister für Schatzamt- und Finanzen und der Tower, tja, das sind die USA. Sie warten ab, was passieren wird. Solange der Pilot ihnen nützt, wird er bleiben.

Die schlafenden Passagiere spielen sich dabei selber. Das ist die Mehrheit der türkischen Bevölkerung. 

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Leserpost

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Leo Anderson / 24.09.2020

“... die USA. Sie warten ab, was passieren wird. Solange der Pilot ihnen nützt, wird er bleiben.” So, so, die USA sind wieder mal schuld. Nicht (um bei den Metaphern zu bleiben) die schlafenden Passagiere und nicht die dummen Wähler. Ih finde, die einen wie ie anderen sollten die Konsquenzen ihres Handelns oder Nicht-Handelns ausbaden. Wer überlebt, hat hoffentlich etwa dazugelernt.

Corinne Henker / 24.09.2020

Eigentlich erinnern mich diese Zustände auch sehr stark an Deutschland 2020. Nur fliegt statt des Geistlichen eine AgitProp-Sekretärin - was aber kein allzu großer Unterschied ist.

Robert Jankowski / 24.09.2020

Wie böse! Aber wer sich von Erdogan immer wieder einlullen läßt, der darf sich nicht beschweren, wenn er irgendwann hart auf dem Boden der Tatsachen auchschlägt. Dies gilt sowohl für die Türken, wie auch für die USA.

Hans Reinhardt / 24.09.2020

Also den Schluss habe ich jetzt nicht verstanden: ich dachte beim Lesen dass mit dem Piloten Merkel, die Gottkaiserin, gemeint wäre, beim Co-Pilot Drosten und dass es sich bei den schlafenden Passagieren um die Maskenheinis handeln würde. Und der Tower wäre halt nur eine weitere Metapher aus dem Luftverkehr, ein Hort der Vernunft, den es in Deutschland nicht mehr gibt.

H.Wess / 24.09.2020

Das Flugzeug fliegt doch eine Pastorentochter! Co-Pilot… der Dicke oder der Kleine!

Karl Eduard / 24.09.2020

Ja, gut, wann ist die nächste Wahl in Deutschland, um Erdogan abzuwählen? Woher kommt dieser Zwang, sich an Regierungsoberhäuptern anderer Staaten auszulassen, während unsere eigene Regierung ... . Und bevor jemand rumheult, was Erdogan alles Deutschland antut, das kann er nur, weil die deutsche Regierug ihn lässt. Und daß Deutschland bereits vor Erdogan vom türkischen Staat infiltriert wurde, hat nur wenige gejuckt. Und auch das war vom deutschen Staat geduldet. Wer hat wohl den Moscheebau finanziert? Wer stellt die Imame? Wer ist die DITIB usw.. Und wer hat den Schwachsinn gesagt, man müsse die Moscheen aus den Hinterhöfen holen? War das nicht der mit dem Geldkoffer, der nicht wußte, wie er bei ihm gelandet ist? Heutzutage finden “Geflüchtete” ja andauernd was. Und geben es ab. Wenn die nächste Wahl ist, können wir ja Erdogan abwählen, wenn alle mitmachen. Bis dahin bleibt er der böse Mann in Ankara auf den die Kanzlerin wimmernd zeigen kann, wenn es um die Aufnahme neuer “Flüchtlinge” geht. “Der Erdogan ist schuld! Der hat sie losgelassen. ” Na gut, man könnte ja auch Deutschlands Grenzen schließen, könnte man. Aber sich als hilfloses Muttchen hinzustellen, das dem fiesen Erdogan ausgeliefert ist, das hat schon was.

Florian Bode / 24.09.2020

Schön, schön. In einem anderen Land wurde eine Passagierin zur Pilotin gewählt. Sie hat einen Bootsführerschein und verlautbarte, dass der einer Pilotenlizenz gleichwertig sei. Schließlich steuern beide Inhaber ein Transportmittel vom Ziel her. “Sie kenen mich”, flötete sie, ich werde das gut machen und das Ansehen der Fluglinie mehren. Sofort fielen fast alle Passagiere in einen seeligen Schlaf, auch wenn das Flugzeug von Turbulenzen durchgeschüttelt wird.  Die wenigen Kritiker der Reise werden in die Toilette gesperrt oder aus dem Fenster geworfen. Die Chefs der anderen Airlines können ihr Glück kaum fassen. Sie haben sich im Tower zusammengerottet und warten auf den Absturz. Die Schichtleitung der Flugsicherung (klein, blond, schrill) steht zwar auf dem Hocker und plärrt: “Ihr müsst solidarisch mit der Maschine sein!”, das geht aber im allgemeinen Gelächter unter.

Sebastian Weber / 24.09.2020

Ein Mann - demokratisch gewählt, angetreten in einer nicht so guten Wirtschaftslage, die sich aber durch seine Maßnahmen (u.a. Infrastrukturausbau) merklich verbessert - der seine Position nach und nach festigt - nach und nach wird die Pressefreiheit eingeschränkt - die Opposition unterdrückt, ein Palast gebaut, ein Ereignis (Brand/Putschversuch - Nichtzutreffendes streichen) als Anlass genommen, im Behörden-, Polizei- und Militärapparat “aufzuräumen” und Gesetze nach eigenem Gusto zu verschärfen - in Nachbarländer einmarschieren - Drohungen an alle und Jeden auszustoßen, die ihm nicht huldigen, aufzurüsten, den wirtschaftlichen Niedergang durch dirigistische Maßnahmen abzuwenden versuchen - tja es gibt ne Menge Parallelen zwischen Erdolf und einem Mann aus der Geschichte - aber seine Landsleute - vor allem diejenigen, die hier in Deutschland leben - finden ihn - den FÜHRER (ja, so wird Erdolf in der Türkei genannt) ganz toll. Was soll man dazu noch sagen? Geschichte wiederholt sich ...

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