Eran Yardeni, Gastautor / 05.06.2013 / 12:07 / 0 / Seite ausdrucken

Erdogan über Bord!

Der Brandstifter von Ankara verliert nach und nach die Kontrolle über sein rebellierendes Volk. Und was macht ein osmanischer Intrigant, wenn er nicht mehr Herr der Situation ist? Wie ein erfahrener Kapitän eines sinkenden Schiffs versucht er, zuerst die schwersten Sachen über Bord zu werfen, um dadurch sein rostiges Wrack noch etwas länger über Wasser zu halten. So schmeißt Erdogan zuerst seine eigene Verantwortung für die Situation über Bord und weist darauf hin, dass irgendwelche ausländischen Mächte hinter den Protesten stehen. 

In diesem Sinne ist der Brandstifter von Ankara eher wie ein Fisch: Er kann sich nur an die letzten zwei Sekunden erinnern. Was vorher passiert ist, gerät rasch in Vergessenheit oder wird einfach verdrängt. Sonst hätte der moderne Obermufti bestimmt nicht vergessen, wie er sich als „ausländische Macht“ in die inneren Angelegenheiten Deutschlands, vor allem in die Integrationsdebatte, ständig einmischte. Mit seinen kontraproduktiven Auftritten, wie im Februar 2011 in Düsseldorf, und mit seinem Appell an die in Deutschland lebende türkische Bevölkerung, zuerst Türkisch und erst dann Deutsch zu lernen, war er seinen Landesleuten genau so hilfreich wie vorher der Kommunismus den Armen.
 
Die Krux an der Sache ist, dass die Neigung von Erdogan ausgerechnet bei großer Hitze mitten im Wald mit dem Feuer zu spielen, überhaupt nicht neu ist. Seine Verachtung der Demokratie und den westlichen Werten gegenüber sowie seine tyrannischen Manieren waren schon da, lange bevor die erste Barrikade in Istanbul errichtet wurde. Und das können am bestens die Israelis bezeugen. Denn auf dem Altar des Islamismus hat Erdogan nicht nur die Alkoholpreise in der Türkei geopfert, sondern auch die Beziehungen mit Israel und damit die Stabilität der ganzen Region.

An Beispielen mangelt es nicht: Die Terroristen der Hamas bezeichnete er als Freiheitskämpfer; mit TV-Serien, wie „Tal der Wölfe“, in denen die Juden als Kindermörder dargestellt werden, wurde eine Generation von jungen Türken mit dem Virus des Antisemitismus infiziert. Er hat die israelische Politik gegenüber den Palästinensern angegriffen, was ihn aber nicht davon abhielt,  gleichzeitig die Kurden zu unterdrücken und Nordzypern besetzt zu halten. 
 
Dass kaum jemand in Deutschland die antiisraelische die antisemitische Politik von Erdogan zum Anlass genommen hat, um diesen Feind der Moderne bloßzustellen, dass trotz seiner skurrilen Auftritte in Deutschland sich immer genug Politiker gefunden haben, die ihm beim Eintritt in die EU die Tür aufhalten wollten, dass die Zeitungen über den wirtschaftlichen Aufschwung in der Türkei berichteten, ohne die politische Dekadenz zu erwähnen, all das kann uns etwas über die selektive Wahrnehmung der deutschen Politik und über den Realitätsverlust der deutschen Presse lehren.

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