Ahmet Refii Dener / 17.11.2023 / 06:15 / 57 / Seite ausdrucken

Erdogan kütt

Erdogan ist in Berlin und trifft sich mit Olaf Scholz zu einem Arbeitsgespräch. Auch Frank-Walter Steinmeier wird sich die Ehre geben. Beide Herren, die Israel Solidarität bekundet haben, werden sich mit einem Hamas-Lover an den Tisch setzen.

„Fußball ist ein einfaches Spiel, am Ende gewinnt immer Deutschland.“ Das stimmt schon lange nicht mehr. Die Zeiten ändern sich. In der Politik, besonders bei Erdogan, gibt es eine ähnliche Regel. „Egal was passiert, am Ende ist Erdogan der Nutznießer!“ Erdogan ist bekannt dafür, dass er ein Tänzer zwischen den Stühlen ist. Rückgrat? Fehlanzeige! 

Ich glaube, die Wirtschaftskrise der Türkei hält schon seit einem Jahrzehnt an und immer wieder passieren Dinge, die Erdogan so gelegen kommen, dass er alles, egal ob hohe Inflation, Arbeitslosigkeit oder schrumpfende Wirtschaft, aussitzen kann. Grundsätzlich sind die ausländischen Kräfte schuld, und Erdogan stellt sich jedes Mal als Opfer hin. Die Corona-Maßnahmen, den Einmarsch der türkischen Armee in Syrien und im Nord-Irak, den Ukraine-Russland-Krieg oder, wie jetzt, das Massaker der Hamas an israelischen Bürgern – alles nutzt Erdogan zur Ablenkung.

Während der „Pandemie“ ging es weltweit drunter und drüber. Also konnte Erdogan in dieser Phase an nichts schuld sein. Er sagte einfach, dass es allen schlecht gehe, so auch der Türkei. Schon vorher, als ihm nichts einfiel und nichts Weltbewegendes passierte, schickte er die türkische Armee nach Syrien und in den Nord-Irak, um Terroristen kaltzustellen, wie er behauptete.

Gerne an der Seite der islamischen Terroristen

Europa und besonders Deutschland war entsetzt, als Putin sich dafür entschied, die Ukraine anzugreifen. Wieder kam die große Stunde des unsicheren Kantonisten Erdogan. Er war für die Ukraine, aber auch für Russland. Was sonst? Die Ukraine und Russland ließen es geschehen, weil sie wussten, dass man diese Situation gut ausnutzen konnte. Mit beiden Ländern trieb Erdogan regen Handel. Kein Embargo ist ihm heilig. Russland verkaufte das, was es wegen des Embargos nicht verkaufen durfte, gern über die Türkei. Auch Importe liefen über diesen Weg. 

Durch diese Haltung Erdogans ging es zwar der Türkei nicht besser, aber ihm und seinen Seilschaften, die in dieser Phase besser verdienten, als sie es ohne Krieg und Krisen gekonnt hätten. Doch weil man sich an den Ukraine-Russland-Krieg gewöhnt hatte, traten die schlechten Wirtschaftszahlen nach und nach wieder in den Vordergrund.

Dann aber, zum Glück für Erdogan, gab es das Massaker der Hamas an israelischen Bürgern. Besser hätte es für ihn nicht kommen können. Ein bis zwei Tage lang gab es Beileidsbekundungen in Richtung Israel, dann aber, als Israel die Vernichtung der Hamas ankündigte und loslegte, war Erdogan wieder voll auf der Seite der Hamas, einer Terrororganisation. Seine Nähe zu Islamisten ist nicht überraschend, zumal einer seiner Koalitionspartner, die Partei HÜDA PAR, die türkische Niederlassung der Hizbollah ist. Der Mann ist gern an der Seite islamischer Terroristen, hat er sie doch in seinen 22 Jahren an der Spitze der Türkei, mal als Ministerpräsident, mal als Präsident (in beiden Fällen wie ein Alleinherrscher regierend), unterstützt.

Erdogans Veto gegen Israel

Die mehreren Millionen islamischer Flüchtlinge im Land und die fast 80 Millionen Türken, ebenfalls Muslime, boten und bieten einen fruchtbaren Boden für seine Hetze. Im ganzen Land gingen die Anti-Israel-Demos los und dauern noch an. Die Polizei ließ es mit wenigen Ausnahmen geschehen, wobei Erdogan allein entscheidet, wie die Polizei und die sonstigen Sicherheitskräfte zu agieren haben.

Es sind auch die gegen Israel auf der Straße, die sich sonst nicht auf die Straße trauen, zum Beispiel gegen Erdogan. Es klingt zwar makaber, aber das Volk denkt sich wahrscheinlich: „Wenn wir schon nicht gegen Erdogan auf die Straße können, weil wir dann geschlagen und mit Pfeffergas in Berührung kommen würden, protestieren wir halt gegen Israel.“

Heute kommt Erdogan nach Deutschland und trifft sich mit Olaf Scholz zu einem Arbeitstreffen. Auch Frank-Walter Steinmeier wird sich die Ehre geben. Beide Herren, die Israel Solidarität bekundet haben, werden sich mit einem Hamas-Lover an den Tisch setzen (müssen). 

Auch wenn die fast 10 Millionen Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan etc. mittlerweile in der Türkei heimisch geworden sind, sind sie für Erdogan immer noch eine Waffe, ein Faustpfand, ein Druckmittel erster Güte, ganz nach dem Motto: Ihr zahlt, oder ich schicke sie Richtung Europa, insbesondere Richtung Deutschland los! Das würde zwar mittlerweile nicht mehr ganz so funktionieren, wie sich Erdogan das vorstellt, aber er weiß ja, dass in der deutschen Regierung Leichtgläubige und Ahnungslose sitzen, mit denen man alles machen kann. Übrigens, eine geplante gemeinsame Erklärung der NATO-Mitgliedstaaten, in der Israel die Solidarität ausgesprochen werden sollte, wurde durch ein Veto Erdogans torpediert. Wir dürfen gespannt sein, was bei diesem Treffen rumkommt.

 

Ahmet Refii Dener, geb. 1958, ist deutsch-türkischer Unternehmensberater, Blogger und Internet-Aktivist aus Unterfranken. Mehr von ihm finden Sie auf seinem Blog und seiner Facebookseite.

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Leserpost

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Else Schrammen / 17.11.2023

Hallo, Herr Dener, die Überschrift Ihres feinen Artikels sollte aber lauten: D’R SULTAN KÜTT! Hoffen wir, dass die Karawane schnell weiterzieht und der Sultan, trotz Durst, nicht beim Kölsch hier hängen bleibt! Und dass er in seiner Karawane auch viele seiner untertänigsten Janitscharen mitnimmt.

Angelika Meier / 17.11.2023

“Beide Herren, die Israel Solidarität bekundet haben, werden sich mit einem Hamas-Lover an den Tisch setzen.”: Jeder, der sich in der BRD öffentlich äußert, sagt halt die vorgegeben Worthülsen. Egal zu was. Worte zählen in der BRD nichts. Gleichzeitig gibt es die Hackordnung. Und da steht die Türkei mit Erdogan über dem BRD-Establishment. Grundsätzlich: BRD-Gelaber ausblenden. Sehen, wer vor wem kriecht, dann erkennt man die Hackordnung. Mehr muss man zur BRD-Politik nicht wissen.

Fritz kolb / 17.11.2023

Lächerliche deutsche Spitzenpolitiker in lächerlicher Pose mit dem Diktator vom Bosporus. Man hätte zumindest die Protagonistin der feministischen Außenpolitik dazu nehmen sollen, die hätte ihm schon die Leviten gelesen (Spott aus). Lächerlich das ganze.

Roland Müller / 17.11.2023

In San Francisci hat die Stadtverwaltung wegen dem Besuch vom chinesischen Ministerpräsidenten eine groß angelegte Müllbeseitigungsaktion gestartet. Das das gleiche in Berlin wegen dem Besuch von Erdogan stattfindet, ist nicht zu erwarten. Der darf die zahlreichen Gegenden, in denen man nicht einmal tot über dem Zaun hängen will, nicht betreten.

Peter Krämer / 17.11.2023

Erdogan sieht sich ansonsten überall von Terroristen umgeben, jeder der ihn nicht wählt ist verdächtig. Die Schlächter der Hamas betrachtet er hingegen als Freiheitskämpfer, vermutlich sieht er in ihnen Mitstreiter für das gleiche Ziel. Unsere Politiker werden gegenüber diesem Manne behutsam auftreten, wohl wissend, wie leicht er in Deutschland seine Anhänger mobilisieren kann. Bei Trump, dem Präsidenten unseres wichtigsten Bündnispartners, sah es seinerzeit ganz anders aus. Er wurde belehrt und beleidigt, war die Gefahr für die freie Welt, nicht die Mullahs im Iran, nicht Putin.

Marc Munich / 17.11.2023

“Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.”  Recep Tayyip Erdogan Mehr muss man über diese tickende Zeitbombe nicht wissen, die man sich da ins Nest gelegt hat.

Thomas Taterka / 17.11.2023

Die Türkei hält die zweitgrößte Armee der Nato . Daher kein Spielraum . Und auch nach der möglichen Wiederwahl Trumps und/oder einer Wiederauflage der Großen Koalition in Deutschland wird es wohl kaum eine völlige Übereinstimmung mit dem christlichen Zionismus der US- Republikaner in diesem Land geben , weil wir keine “christlichen Revolutionswächter” wollen. Aus vielen guten Gründen .

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