Erdogan: Soll er die Türkei doch an die Wand fahren!

Am 28. Mai gibt es die Stichwahl zwischen dem ewigen Präsidenten Erdogan und seinem Herausforderer, dem Sozialdemokraten Kemal Kilicdaroglu. Mittlerweile glaube ich, ein Sieg Erdogans wäre das beste – um die Türkei so richtig an die Wand zu fahren. Denn vorher wird sich nichts bewegen.

Am 28. Mai gibt es die Stichwahl zwischen dem ewigen Präsidenten Erdogan und seinem Herausforderer, dem Sozialdemokraten Kemal Kilicdaroglu. Eigentlich hat man im Ausland nicht viel Wirbel drum gemacht, obwohl ja Wahlbeobachter berichteten, dass so ziemlich alles falsch lief, was falsch laufen konnte. Natürlich aus der Sicht der Opposition, denn Diktatoren verlieren bekanntlich keine Wahlen.

Wie soll Josef Stalin mal gesagt haben: „Die Leute, die die Stimmen abgeben, entscheiden nichts. Die Leute, die die Stimmen zählen, entscheiden alles.“ So lief es auch in der Türkei ab. Interessant ist der Wahlkampfslogan von Erdogan: „Der richtige Mann, zum richtigen Zeitpunkt.“ Das klingt so, als würde da ein Neuer versuchen an die Macht zu kommen und nicht einer, der schon 21 Jahre lang regiert. Im letzten Jahrzehnt war er immer der Falsche, warum sollte er gerade jetzt der Richtige sein?

Ich für mein Empfinden glaube jetzt, da seine Partei AKP im Parlament die absolute Mehrheit erlangt hat, dass er weiter an der Macht bleiben und dafür die Türkei so richtig an die Wand fahren sollte. Denn es ist so weit. Die Wirtschaft zu richten – und zwar durch die Beschaffung von knapp 400 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds –, hätte nur eine Grundbedingung: Dass derjenige, der die Wahlen gewinnt, auch mit seiner Partei beziehungsweise den Koalitionspartnern im Parlament die absolute Mehrheit bekommt und das Land zur parlamentarischen Demokratie zurückführt. Dieser dürfte aber auf keinen Fall Erdogan heißen, der nämlich nicht die Absicht hat, seine Diktatur aufzugeben. Warum sollte er auch? Die Macht, die man einmal erlangt hat, gibt man nicht ab.

Die Türkei hat bei dieser Wahl die A-Karte gezogen

Gewinnt am 28. Mai Erdogan, gibt es kein Geld vom Ausland. Gewinnt sein Gegenkandidat, gibt es auch kein Geld aus dem Ausland, da er im Parlament nicht die Mehrheit bekommen kann, um die Türkei wieder zur parlamentarischen Demokratie zurückzuführen.

Die Zentralbank der Türkei hatte dieser Tage Devisenreserven von unter 3 Milliarden Euro. Die Unternehmen können von ihren Hausbanken keine Devisen mehr bekommen, weil die Zentralbank dieses, solange die Wahlen andauern, unterbunden hat. Der Grund ist simpel, denn wo nichts ist, kann man auch nichts bekommen.

Die Devisenkurse werden alsbald explodieren und der türkische Lira wird noch weniger Wert sein. Die Pleite der Türkei hätte eigentlich viel eher kommen können, wenn denn die Darlehensgeber aus dem Ausland, die Banken aus Spanien und Italien, die jeweils mit über 60 Milliarden Euro die größten Gläubiger sind, ernst gemacht hätten. Können beziehungsweise könnten sie aber nicht, denn würden sie auf die Rückzahlung ihrer Forderungen bestehen, müsste die Türkei Bankrott anmelden, mit der Folge, dass die betroffenen Banken in Italien und Spanien, ebenfalls bankrott wären oder mindestens in großen Schwierigkeiten gerieten. So lassen die Gläubiger schon seit Jahren den Ball im Mittelfeld rollen, ohne den Torschuss zu wagen.

Die Bevölkerung ist überschuldet

„Wo nicht?“, werden jetzt einige sagen, aber in der Türkei ist die Situation richtig ernst, zumal die Menschen mit den Kreditkarten, die sie in reichhaltiger Zahl in der Tasche haben, immer hin und her jonglierten und am Ende bei der Bank einen Umschuldungskredit für die Umschuldung der Umschuldung bekamen. Damit ist dieser Tage Schluss, denn die Bargeldfunktion der Kreditkarten ist eingefroren worden von den Banken und Kredite gibt es auch nicht mehr.

In Istanbul leben offiziell 16 Millionen (inoffiziell über 20 Millionen) Menschen und es existierten zum 23. Mai 2022, also vor einem Jahr, wo es noch nicht so schlimm stand um die Türkei 8,2 Millionen Pfändungsbeschlüsse. In der gesamten Türkei betrug die Zahl der Pfändungsbeschlüsse damals 24 Millionen!!! Jeden Tag kommen 18.000 neue Pfändungsbeschlüsse hinzu.

Wie gesagt, wer die Wirtschaft in so eine ausweglose Situation hineinmanövriert hat, sollte auch die Chance beibehalten, sie an die Wand zu fahren. Warum ich doch möchte, dass der Oppositionskandidat Kilicdaroglu gewinnt, hat eigentlich zwei Gründe. Viel kann er ohne die Mehrheit im Parlament zwar nicht bewegen, – es sei denn, er würde als Alleinherrscher à la Erdogan operieren, was Kilicdaroglu ablehnt. Aber er kann die zu Unrecht Verhafteten und Einsitzenden per Dekret freilassen und die Richter und Staatsanwälte des Herrn Erdogan belangen. Dafür allein würde es sich lohnen, dass er gewählt wird.  

Ahmet Refii Dener, geb. 1958, ist deutsch-türkischer Unternehmensberater, Blogger und Internet-Aktivist aus Unterfranken. Mehr von ihm finden Sie auf seiner Facebookseite.

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Leserpost

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Steffen Huebner / 22.05.2023

Eines es ärgert den linksliberalen, ansonsten islamverliebten Mainstream in Deutschland besonders: zum guten Abschneiden Erdogans trugen die Türken in Deutschland bei. Sie stimmten zu fast zwei Dritteln für ihn, da er auch für einen nationalkonservativen Kurs und eine unabhängige Außenpolitik steht, die zuerst die türkische Interessen bedient.

Jochen Lindt / 22.05.2023

Genau deshalb macht es auch Sinn, dass 65% der Türken in Deutschland Erdogan wählen.  Sie können mit ihren Euros dann billig die Immobilien und Betriebe der pleite gegangen Landsleute in der Türkei aufkaufen.  Ob sie sich damit beliebt machen, steht ja auf einem anderen Blatt.

sybille eden / 22.05.2023

Ich finde wir sollten den Griechen helfen, ihren Zaun zur Türkei noch undurchlässiger und höher zu bauen, und die Türkei die Türkei sein lassen. Mir geht jeder Türke am Allerwertesten vorbei !

Boris Kotchoubey / 22.05.2023

Es kann schon schlimm sein in der Türkei - der Autor weiß es besser - aber immerhin gibt es dort eine Opposition; wir haben schon vergessen, was das ist.

Xaver Huber / 22.05.2023

Recep Tayyip Erdoğan ist ein und der Präsident der Republik Türkei, auf den jeder Türke nachhaltig stolz sein kann. Seine ökonomisch wie politische Bilanz sucht in positiver Hinsicht ihres gleichen. \\\  Zwei Feststellungen, die auf die sie repräsentierenden Politiker anzuwenden, den meisten Bürger der sog. westlichen Staaten fremd sein dürften. \\\ Was das “an die Wand fahren” anbelangt, so befinden sich zuvorderst die hierzulande führenden Politiker in einer nahezu uneinholbarer Position . \\\ Wer im Glashaus sitzt, sollte mit Steinwürfen umsichtig sein.

Peter Volgnandt / 22.05.2023

Ja, soll er’s doch machen, aber dann wird ihm vom Westen geholfen, damit keine Flüchtlinge kommen und keine Banken hopps gehen. So ist es doch. Jedes Volk wählt sich sein Unglück selbst, bei uns war es Adolf, bei den Türken ist es Erdogan, wobei man die beiden nur bedingt vergleichen kann.

Michael Scheffler / 22.05.2023

Herr Mainz, so ist es. Die Sowjetunion hatte ihre Raketen auf Kuba als Antwort auf amerikanische Jupiter-Raketen stationiert. Die U2 wurde auch von der Türkei gestartet. Insofern sitzt Erdogan am längeren Hebel. Adenauer sperrte sich lange gegen türkische Gastarbeiter, aber die Macht, deren Army derzeit in Nürnbergs Bahnhof nach dem Rechten schaut, hat ihn „überzeugt“.

Karsten Dörre / 22.05.2023

“Warum ich doch möchte, dass der Oppositionskandidat Kilicdaroglu gewinnt, hat eigentlich zwei Gründe. Viel kann er ohne die Mehrheit im Parlament zwar nicht bewegen, – es sei denn, er würde als Alleinherrscher à la Erdogan operieren, was Kilicdaroglu ablehnt. Aber er kann die zu Unrecht Verhafteten und Einsitzenden per Dekret freilassen und die Richter und Staatsanwälte des Herrn Erdogan belangen. Dafür allein würde es sich lohnen, dass er gewählt wird.” - Hier ist der Autor in einer Rosawolke gefangen und liefert Kilicdaroglu als Märtyrer.

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