Dushan Wegner, Gastautor / 30.09.2018 / 17:03 / Foto: R4BIA.com / 51 / Seite ausdrucken

Erdogan-Besuch: Ist der nützliche Idiot nutzlos, ist er nur noch ein Idiot

Erdoğan trat in Köln nicht wie ein Gast auf, sondern wie ein Eroberer. Wovor "Populisten" warnten, bestätigt sich – und Gutmenschen stehen wie nützliche Idioten da. – Tja: Wenn der nützliche Idiot nutzlos geworden ist, dann ist er eben nur noch ein Idiot.

Es passiert immer rund um September. Ab dem 27. September 1529 belagerten die türkischen Truppen die Hauptstadt der Habsburgischen Gebiete: Wien. Über das Osmanische Reich herrschte Sultan Süleyman, Beiname: "der Prächtige".

Die Mauer um Wien herum stammte noch aus dem 13. Jahrhundert. Man verstärkte sie, so schnell und gut, wie es ging, und man mauerte bis auf eines alle Stadttore zu. Wien konnte gegen die etwa 150.000 Soldaten auf türkischer Seite nur etwa 17.000 eigene Kämpfer aufbringen; die Türken waren allerdings ohne schwere Kanonen angekommen, was die Wirkung der Armee gegen das sich verteidigende Wien schmerzlich schwächte. Die Truppen vor Wien wurden angeführt von Ibrahim Pascha, der immer wieder versuchte, Breschen in die Stadtmauer zu sprengen und dann einzudringen. Es gelangen zwar einige Sprengungen, doch die Wiener Truppen bauten mal Palisaden, mal stellten sie ihre Pikeniere dicht gleich hinter die Bresche. Die osmanischen Truppen verloren etwa 20.000 Männer und zogen am 14. Oktober 1529 wieder ab, offiziell wegen des eintretenden Winters.

Die nächste Belagerung Wiens fing am 17. Juli 1683 an und lief dann bis zum 12. September desselben Jahres. Die Herrscher waren neue (an der Spitze des Osmanischen Reiches stand Sultan Mehmed IV.), die Taktiken auch. Nach der ersten Türkenbelagerung hatte man die Wiener Stadtmauern verstärkt. Das osmanische Heer setzte 5.000 Spezialisten für Minenkampf ein (dies ist eine eigentlich schon von den Römern verwendete Kriegstechnik, bei der man Minen gräbt, und dann durch Sprengungen die Stadtmauer zum Einsturz bringen will). Truppen des Heiligen Römischen Reichs sowie Polen-Litauens kamen den Wienern von außen zu Hilfe.

Anfang September gingen allmählich in der Stadt und im osmanischen Heer die Vorräte aus. Durch "Ausfälle" (organisierter Ausbruch aus der eigenen Festung) gelang es, ein wenig Nahrung in die Stadt zu bringen. Am 12. September 1683 griff das christliche Entsatzheer die Besatzungstruppen auf breiter Front an – heute als Schlacht am Kahlenberg bekannt. Der große Held der Schlacht vom Kahlenberg ist der polnische König Johann III. Sobieski, dessen Husaren (eine polnische Elitetruppe) wesentlichen Anteil hatten, die unter Großwesir Kara Mustafa Pascha kämpfenden Osmanen in die überstürzte Flucht zu treiben.

Auch die zweite Wien-Belagerung war opferreich (etwa 30.000 bis 50.000 auf osmanischer Seite, etwa 15.000 bei Belagerten und Entsatzern), aber vergeblich; sie markierte den Beginn des Machtverlusts für das Osmanische Reich.

Erdogan eröffnet seine Kaserne

Ende September 2018 war der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, zu Besuch in Köln. Es ist der Mann, der missliebige Journalisten einsperren lässt, der die Demokratie als "Zug" betrachtet, auf den man nur aufsteigt, bis man "am Ziel" ist.

Er ist gekommen, um die neue Kölner Großmoschee zu eröffnen, um seinen eigenen Sprachgebrauch zu verwenden: seine Kaserne. Zuvor war er mit allen Ehrenerweisungen zum Staatsbankett beim deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier eingeladen gewesen. Er hatte eine Pressekonferenz zusammen mit der deutschen Kanzlerin gegeben. Dort hatte ein Journalist ein T-Shirt getragen, auf dem Freiheit für türkische Journalisten gefordert wurde. Früher forderten Eroberer die Köpfe ihrer Feinde, heute erfreut man den Staatsgast, indem man seine Kritiker von muskelstarken Sicherheitsleuten abführen lässt, vor allen Kameras der Welt.

Es war Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert, der die Abführung des kritischen Journalisten anordnete (sagt Marion Horn in BILD) – Seibert kommt vom ZDF, und spätestens jetzt ist ihm gewiss eine allersteilste Anschlusskarriere beim Staatsfunk sicher. Das rabiate Abführen des Diktatoren-Kritikers war ein Erfolg: Erdoğan lächelte milde über das Schauspiel. Er kam, er lachte und er siegte.

Am Samstag nach erfolgreicher Demütigung des politischen Berlins kam Erdoğan nach Köln, um die neue Prachtmoschee zu eröffnen. In den Straßen Kölns schwenkten tausende "Deutsch-Türken" die türkische Fahne wie Eroberer nach dem Einzug in eine unterworfene Stadt. Sie trugen das Bild des Mannes, den Özil als "mein Präsident" bezeichnet hatte.

Als Erdoğan in Deutschland landete, zeigte er den Rabia-Gruß der Muslimbrüder. In den Straßen wurde offen und stolz der "Wolfsgruß" gezeigt (siehe zum Beispiel @chefreporterNRW). Der "Wolfsgruß" ist das Zeichen der rechtsextremen Grauen Wölfe. ("die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland"). Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er sagen: Danke, liebe Gutmenschen, und jetzt verpisst euch. Nein, halt, falsch, das stimmt nicht; er wird sich nicht bedanken, er wird sie ignorieren; warum sollte er seine Zeit mit Deppen verschwenden?

Wenn der Eroberte fürs Erobertwerden bezahlt 

Spätestens seit Merkels Bankenrettung und ihren offenen Grenzen fühlt sich das Recht in Deutschland auffallend oft auffallend optional an. Wer in der Gunst der Gutmenschen steht, so scheint es, für den gilt nicht unbedingt, was Polizei und Gesetze sagen. Die Kölner Polizei hatte eine Kundgebung in Nähe der Moschee untersagt – es interessierte wenig. Durchgesetzt wurde, dass keine allzu freche Musik ("Talking about a Revolution") gespielt wird (@SWeiermann). 500 Gäste waren für die Moschee mit den Behörden vereinbart; DITIB hatte aber 1.100 Leute eingeladen, also kamen 1.100 Leute herein (@wdrarchive.is). Unter den 1.100 Anwesenden waren übrigens nicht: Die Oberbürgermeisterin Reker, der frühere Oberbürgermeister Schramma, der für die Moschee gekämpft hatte, der Architekt Paul Böhm. Stell dir vor, du verbiegst dich nach hinten, bis du deine eigenen Fersen im Nacken spürst, und am Ende bekommst du nicht mal ein Kopfnicken als Dankeschön. Gemeine Welt, aber was hatten Sie erwartet!

Die türkischen Gastarbeiter und Migranten, die nach Deutschland kamen, um ein besseres Leben zu führen, sie waren keine Soldaten, auch wenn Erdoğan sie so nennen mag. Nichtsdestotrotz tragen sie in und mit sich oft Ansätze einer Ideologie, die für Machtansprüche wie die Erdoğans einsetzbar sind.

Es wäre verwunderlich, wenn Erdoğan nicht Die Kunst des Krieges von Sun Tzu gelesen hätte. Einige Grundgedanken aus dem Klassiker sind: Der Krieg ist entschieden, bevor er begonnen hat – und, vor allem: Der klügste Sieg ist jener, bei dem es gar nicht zum offenen Kampf kommt. Der Sinn der Eroberung ist das Eroberthaben, und wenn der Eroberte fürs Erobertwerden auch noch bezahlt, soll er doch!

Erdoğans Auftritt in der DITIB-Großmoschee ist nicht das Benehmen eines Gastes, es ist das Auftreten eines Siegers, eines Feldherrn, eines erfolgreichen Eroberers. Die Eröffnung der Moschee fand übrigens auf Türkisch statt (siehe zum Beispiel @SBrandenburg), als wollte man alle linken Träumer, welche in einer machtstrotzenden Großmoschee ein Zeichen der Integration sahen, vor den Kopf stoßen. In Ehrenfeld übernahmen türkische Sicherheitskräfte hoheitliche Aufgaben der deutschen Polizei (@chefreporterNRW). Es sind ja nicht nur die alten Zitate von Erdoğan, die klarmachen, wohin seine Reise gehen sollte und ging. In Köln, September 2018, skandierten seine Anhänger: "Hier ist Deine Armee, Du bist unser Kommandant!" (@GuelmenM)

Buzzwords aus dem linksgrünen Denkbaukasten

Wenn man sich Erdoğans Rede einmal durchliest (aus dem Türkischen übersetzt bei ksta.de, 29.8.2018), stellt man fest, dass Erdoğan auffallend viele Buzzwords aus dem linksgrünen Denkbaukasten übernimmt. Er spricht über "Integration", über "kulturelle Vielfalt in Deutschland" und er sagt: "Özil und Gündogan wurden diskriminiert in Deutschland".

Die Türken von Köln waren nicht die einzigen Pro-Erdoğan-Demonstranten an diesem Wochenende. In Hamburg demonstrierten tausende Menschen für konservativen Islam und für Zensur, auch wenn sie es anders nannten. Ihre Schlagworte waren "Gegen Rassismus" (Islamkritik ist für sie "Rassismus"), "Abschiebestopp und sichere Fluchtwege" (sprich: Aufhebung von Grenzen und Rechtsstaat) und "Hass ist keine Meinung" (Kritik ist "Hass"). Während die Erdoğan-Fans in Köln ein entschlossenes, zielgerichtetes Selbstbewusstsein an den Tag legen, sehen wir auf Social-Media-Fotos aus Hamburg die bekannten Hipster-Milchgesichter mit dem typisch leeren Blick linksgrün Gehirngewaschener.

Erdoğans Auftritt vom September 2018 in Köln war der Auftritt eines Siegers, eines Eroberers, eines Mannes, der einen Plan hat, der den Plan lange angekündigt hat, und der exakt weiß, was er tut. Manches Gejammere der Gutmenschen von Köln klang wie die plötzliche Einsicht eines nützlichen Idioten, dass er nicht mehr nützlich ist.

Wenn "Erober" bedeutet, ein Land militärisch anzugreifen und zu unterwerfen, dann kann man nicht sagen, dass Deutschland von Erdoğan erobert wurde.

Wenn "Erobern" bedeutet, Macht über ein Land zu erlangen, die Durchsetzung des Rechts zu beeinflussen, Gelder abzuziehen, sich als Präsident feiern zu lassen sowie die Kultur und Sprache zu prägen, dann ja, dann hätte Erdoğan tatsächlich Deutschland ein Stück weit "erobert".

Die Geschichte Deutschlands ist nicht fertig geschrieben, doch schon jetzt steht fest: Köln und Deutschland werden die Uhren nicht mehr vor den 29. September 2018 zurückdrehen können. Die Menschen, die teilweise in dritter Generation in Deutschland leben, deutsche Infrastruktur nutzen, deutsche Ärzte aufsuchen und sich aufs deutsches Sozialwesen verlassen, aber in Erdoğan „ihren“ Präsidenten sehen und ihn als „Beschützer der Moslems“ verehren (ksta.de, 29.9.2018), diese Menschen sind „nun mal da“, sie sind teilweise „schon länger da“, und sie werden auch bleiben. Die Geschichte Deutschlands wird weiter geschrieben werden, doch der 29.9.2018 scheint mir ein Einschnitt zu sein: Nicht einmal die besuchenden amerikanischen Präsidenten haben sich jemals so sehr wie die eigentlichen Machthaber aufgeführt.

Vor allem aber: Die Umstände der Kölner Ditib-Moschee sind der Beleg, dass die Mahner und Besorgten, die als "Nazis", "Rechte" und "Populisten" beschimpft wurden, komplett richtig lagen – und dass die Linken und Gutmenschen komplett falsch lagen.

Gutmenschen sind die nützlichen Idioten der Erdoğans, Diktatoren und Islamisten dieser Welt. Gutmenschen werden von moralischen Lüsten getrieben ("Gesinnungsethik"), nicht von Verantwortung oder Weitsicht.

Was der Gutmensch dummerweise nicht bedenkt: Wenn der nützliche Idiot nutzlos geworden ist, dann ist er nur noch ein Idiot.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

Foto: R4BIA.com

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Stephan Jankowiak / 30.09.2018

Ihre Ausführungen kann man nur doppelt unterstreichen. Absolut enttäuschend sind die Faktischtürken (sorry, aber was anderes sollen die sein, die seit Jahren hier leben oder gar in 2./3. Generation aufgewachsen sind und einem Quasi-Diktator hinterherlaufen und wenn sie wir sagen, teils im einwandfreien Deutsch, doch tatsächlich die Türkei bzw. die Türken meinen) , die mit fliegenden roten Halbmondfahnen durch die vormalige Domstadt lauthals türkische Parolen schreien und IHREM Präsidenten huldigen. Natürlich, denn als dauerbeleidigte Leberwürste (natürlich Kalbsleberwürste) zieht man sich an jeder kleinsten Mißverständlichkeit hoch, fühlt sich ständig mangelndem Respekt usw. gegenüber ausgesetzt usw. usw. Ich habe im August einen Vietnamesen kennengelernt, der kam als Teil der Boat People mit der Cap Anamur nach D. Anfänglich sah er sich mit primitivsten Anfeindungen (Fidschi war noch die harmlose Variante) konfrontiert. Er hätte wirklich einen Grund, nach dem hier Erlebten mißtrauisch gegenüber der deutschen Gesellschaft zu sein. Aber: er ist heute ein hart arbeitender Mensch, hochangesehenes Mitglied seiner Gemeinde und hat nun so gar nichts mit einer Leberwurst gemein. Womit das wohl was zu tun hat???

Norbert Rahm / 30.09.2018

Wären die Kölner damals Wiener gewesen… vielleicht war der Stadtarchiv-Einsturz ein erster Einsatz der Untermineure zur Vernichtung des Abendlands…^^

Dietrich Herrmann / 30.09.2018

Und weil Sobieski eine Schlüsselfigur beim Sieg über die Osmanen (also Muslime) war und ist, deshalb hat heute noch Polen die Haltung, keine Muslime in ihr Land zu lassen.  Aber das begreifen ja diverse sogenannte Europa- aber auch deutsche Politiker nicht. Bei denen sind Hopfen und Malz verloren.

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