Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 14.09.2007:
Im Kalender ist es zwar noch Sommer aber es herbstelt gewaltig, so ist die Stimmung der trüben Jahreszeit schon frühzeitig über uns gekommen. Das Thema der Laubsaison heißt Religion. Muslimische Terroristen, der Papst und zwei Atheisten haben es nach vorn gebracht. Da konnte sogar das H5N1-Virus nichts gegen ausrichten. Dabei hat der Erreger eigentlich alles richtig gemacht, um eine schöne Panikwelle auszulösen. Pustekuchen: Obwohl die Massentötungen von Geflügel alle bisherigen Dimensionen sprengen und uns die Vogelgrippe so nahe gerückt ist wie nie zuvor, herrschen Gelassenheit und Vernunft. Das ist ungewöhnlich und vielleicht dadurch zu erklären, dass eine andere Gefahr dem Virus die Show gestohlen hat. Gotteskrieger namens Daniel und Fritz zogen das öffentliche Erschrecken auf sich, damit waren die kranken Enten raus. Das Blutbad, das die frommen Jungs anrichten wollten, fand durch das Einschreiten der Behörden nicht statt. Stattdessen eine Diskussion um Konvertiten, die es mal spirituell so richtig krachen lassen wollen.
In dieser Zeitung fasste Peter Schütt, ein Mitbegründer der DKP, die Gelegenheit beim Schopf und legte ein islamisches Glaubensbekenntnis ab. Er berichtete, schon mehrmals im Leben konvertiert zu sein vom Protestantismus über den Katholizismus zum Kommunismus und schließlich zum Islam. Das ist schon ganz beachtlich, aber immer noch recht bescheiden, wenn man die Glaubenskarriere eines Horst Mahler betrachtet: FDJ-Burschenschaft-SPD-SDS-APO-RAF-PLO-JVA(Moabit)-KPD-FDP-NPD- und nun freischaffender Antisemit. Das muss ihm erstmal einer nachmachen. Mal sehen, wann Mahler zum Islam konvertiert (wir nehmen Wetten an).
Antisemitismus und Hass auf Amerika scheint die Anziehungskraft des Islam in Westen zu beflügeln. Herr Schütt nennt seinen neuen Glauben eine „Befreiungstheologie“. Vielleicht sollte ihm mal jemand stecken, dass es wohl keine unfreiere Weltgegend gibt als den islamischen Kulturkreis. Schütt ist nicht allein, auch der französische Philosoph Roger Garaudy fand von Stalin zu Allah und ist heute ein glühender Antisemit, ebenso wie David Myatt, ein britischer Neonazi-Führer, der nun Abdul Aziz Ibn Myatt heißt. Bin Laden hat das Potenzial westlicher Antiliberaler erkannt und seine jüngste Rede auf sie zugeschnitten. Er richtet sich an die Friedens- und Antiglobalisierungsbewegung als potentielle Verbündete, empfiehlt die Lektüre Noam Chomskys und warnt vor dem Klimawandel. Der Mann hat es echt drauf. Das ist der Stoff für die Schütts, Garaudys, Daniels und Fritzens von morgen. Am Ende seiner Botschaft bringt er noch Jesus ein, ein Wink an unzufriedene Christen.
Dass es wohl nicht zu Massenübertritten kommen wird, dafür sorgt der Papst, der in Österreich wieder einmal gutes Bild abgegeben hat. „Das Christentum ist mehr als ein Moralsystem und eine Serie von Forderungen, sondern ein Angebot der Freundschaft, das im Leben und Sterben trägt,“ sagte er dort. Diese Freundlichkeit ist es, die eine zivilisierte Religion ausmacht, mit der Fanatiker nichts anfangen können, weil die harten Konsequenzen und der Blutgeruch fehlen.
Trotz aller Sympathie werden wir wohl auf absehbare Zeit nicht zum Papst konvertieren, vorher müssen wir noch die Bücher von Richard Dawkins und Christopher Hitchens lesen, die in diesen Tagen ausgeliefert werden und in der angelsächsischen Welt schon für heiße Debatten sorgten. „Religion ist irrational, fortschrittsfeindlich und zerstörerisch,“ doziert Dawkins und hat natürlich recht damit. Andererseits gibt ein lächelnder Papst im Herbstregen Trost, den Dawkins nicht geben kann.
Ein schönes Beispiel für die friedliche Koexistenz von Religion und Materialismus fanden wir vor ein paar Tagen in der bunten Werbeanzeige eines neuen Berliner Möbelhauses. Nebeneinander wurden dort angeboten: eine Buddha-Statue aus Poyresin (29 Euro) und Erbsensuppe, hausgemacht (50 Cent). Für jeden etwas.