Felix Perrefort / 02.12.2019 / 16:30 / 16 / Seite ausdrucken

Er, dessen Name nicht genannt werden darf

Was haben Winnie Puuh und der britische Aktivist Tommy Robinson gemeinsam? Beide sind von totalitären Zensurmaßnahmen betroffen. Der allseits beliebte Disney-Bär mit Vorliebe für Honig und der kontroverse Aktivist mit Vorliebe für Islamfeindlichkeit haben den Zorn zweier Snowflake-Imperien auf sich gezogen. Das kommunistische Regime in Peking hält Winnie Puuh deshalb für gefährlich, weil Kritiker in antichinesisch-rassistischer Weise eine gewiss an den Reisnudeln herbeigezogene Ähnlichkeit zwischen ihm und Xi Jinping behaupten. Facebook meint, der Brite Tommy Robinson sei rechtsextrem und hätte sogar zu Gewalt gegen Muslime aufgerufen. Die Vorwürfe, die eine permanente Verbannung von Facebook tatsächlich rechtfertigen würden, sollten sie denn zutreffen, lauten: Er habe in einem Posting Muslime „filthy scum bags“ genannt, dazu aufgerufen, Menschen zu köpfen, die dem Koran folgen, und zu einem Krieg gegen Muslime mobilisiert.

Da das Internet bekanntlich nichts vergisst und erst recht nicht von einer öffentlichen Person, die Millionen Abonnenten gehabt haben dürfte, mutet nicht nur der Mangel an Screenshots, die diese Vorwürfe beweisen, seltsam an. Es fragt sich auch, warum diese Vorwürfe nicht vor Gericht verhandelt werden, schließlich beträfen sie Tatbestände, die über „Hassrede“ weit hinausgehen. Doch obwohl nichts geklärt ist, existiert keine öffentliche Diskussion.  

Kleiner Etappensieg gegen Facebook 

Zur Zivilisation gehört es, auch für die Rechte Beschuldigter einzutreten und dazu die Glaubwürdigkeit der Beschuldigenden anzuzweifeln. Sinnvoll wäre eine ergebnisoffene Debatte zur „Causa Robinson“, in deren Zentrum nicht nur sein politisches Wirken, sondern auch das von Facebook steht.

Dass überhaupt nur über ihn kontrovers diskutiert wird, versucht das Unternehmen allerdings zu unterbinden. Der Name Tommy Robinsons wurde auf eine Liste „gefährlicher Personen und Organisationen“ gesetzt, die zu „unterstützen“ oder zu „verherrlichen“ nunmehr gegen die „Gemeinschaftsstandards“ verstößt. Das führt dazu, dass eine Facebook-Suche nach Tommy Robinson kaum Ergebnisse zeitigt. Offenbar löscht das Unternehmen willkürlich seinen Namen enthaltende Beiträge, deren Urheber es der Unterstützung des Aktivisten verdächtigt. Diese Zensur hat das Landgericht Berlin nun für unzulässig erklärt.

Drei meiner Postings, die von ihm handelten, wurden entfernt, wobei zwei von ihnen von 2018 waren, Facebook also rückwirkend seine „Gesetze“ anwendet. Gegen diese „Damnatio memoria“, die an real-sozialistische Säuberungsmaßnahmen, mit denen in Ungnade gefallende Genossen aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt werden sollten, erinnert, sind Joachim Steinhöfel und ich im Rahmen seiner Initiative Meinungsfreiheit im Netz juristisch vorgegangen, mit dem erfreulichen Ergebnis, eine einstweilige Verfügung erwirkt zu haben. Sie untersagt es dem Unternehmen künftig, Postings von mir mit Robinsons Namen zu löschen. 

Wir konnten „glaubhaft“ machen, „dass die Antragsgegnerin die von ihm veröffentlichten Kommentare schon allein deshalb löscht, weil in diesen der Name des britischen Aktivisten Tommy Robinson enthalten ist“, wobei ausschlaggebend schließlich das letzte der drei Postings war: „Test, ob der Name Tommy Robinson noch in einem Beitrag Erwähnung finden darf.“ 

Interessant ist die Argumentation des Landsgerichts Berlin. Zum einen bezieht es sich auf die Meinungsfreiheit, also das deutsche Recht:

Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit des Nutzers aus Art. 5 Abs. 1 GG, muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt wird (OLG München, Beschluss v. 17.07.2018, 18W 858/18, MDR 2018, 1302, juris Rn. 29f. m.w.N.). Dies war bei den hier streitgegenständlichen, jeweils gelöschten Posts des Antragstellers nicht der Fall.

Nun könnte man meinen, dass damit die einstweilige Verfügung hinreichend gerechtfertigt wäre. Ob das Gericht dies so sieht, ist unklar; es bezieht sich jedenfalls zum anderen noch auf Facebooks „Gemeinschaftsstandards“:

Selbst unterstellt, Tommy Robinson sei unter Anwendung der Gemeinschaftsstandards als „gefährlich” einzustufen, was die Kammer derzeit nicht zu beurteilen vermag, so kann allein aus der Erwähnung des Namens jedoch nicht zugleich geschlussfolgert werden, der Nutzer verherrliche oder unterstütze diesen. Eben davon muss die Antragsgegnerin bei den im Tenor zu 2 b) [„Test, ob (...)“] genannten Post jedoch ausgegangen sein.

Auch die weiteren beiden gelöschten Posts verstoßen demnach nicht gegen die Gemeinschaftsstandards, weil darin weder eine Unterstützung noch eine Verherrlichung des Tommy Robinson durch den Antragsteller zum Ausdruck kommt.

Es könnte irgendwann auch Linke treffen 

Erfreulich ist natürlich, dass man beim Landgericht Berlin sinnerfassend liest und die Hysterie um Robinson nicht mitmacht und also nicht zur Unterstützung verklärt, was sich höchstens als „negative Solidarität“ gegenüber einer Person deuten lässt, der übel mitgespielt wird. (Bei Interesse: das diesbezügliche Posting ist weiter unter in der einstweiligen Verfügung dokumentiert).

Allerdings stellt sich die Frage, warum sich die Richter überhaupt positiv auf die „Gemeinschaftsstandards“ beziehen, also Facebook vorwerfen, im Widerspruch zur eigenen, letztlich willkürlichen Hausordnung zu handeln, anstatt sich nur auf das bürgerliche Recht zu beziehen. Steinhöfel bringt die Problematik so auf den Punkt

Das verfassungsmäßige Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 GG, wonach jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, kann nicht durch einen Monopolisten wie Facebook nach eigenem Gutdünken und nur auf der Basis von ebenso schwammigen wie beliebig auszulegenden „Gemeinschaftsstandards“ ausgehebelt werden.

Genau das passiert, wenn Facebook eine Person für „gefährlich“ erklärt und infolgedessen ihre Unterstützung sanktioniert. 

Auch wenn ich mich persönlich nicht sonderlich für die Politik Tommy Robinsons interessiere, möchte ich selbstredend, dass auch Aussagen, die ihn offen unterstützen, veröffentlicht werden dürfen. 200 Jahre nach der Aufklärung entscheidet ein „westliches“ und – als Hinweis für etwaige Antikommunisten hier, die gerade eine sozialistische Diktatur heraufziehen sehen – übrigens sehr kapitalistisches Unternehmen nach politischer Vorliebe darüber, wen man unterstützen darf und wen nicht, was nicht nur überaus demütigend ist. Die so verstümmelte Meinungsfreiheit könnte einstweilen auch jenen zum Problem werden, die Zensur im Fall Robinsons begrüßen.   

Der Vollständigkeit halber sei im Folgenden die 6-seitige einstweilige Verfügung dokumentiert, die den Wortlaut der inkriminierten Postings sowie die Argumentation des Landgerichts enthält: 

Einstweilige Verfügung

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

Felix Perrefort, (...)

- Antragsteller -

Verfahrensbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, (...)

Gegen

Facebook Ireland Limited, vertreten durch d. Geschäftsführer Gareth Lambe und Shane Crehan, 4 Grand Canal Square, Dublin 2, Irland

-Antragsgegnerin –

hat das Landgericht Berlin - Zivilkammer 27 - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht (...) am 12.11.2019 beschlossen:

 

1. Auf die zulässige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Kammer vom 02.10.2019 aufgehoben und im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung —angeordnet (935, 940, 91 Abs. 1 ZPO;§ 823, analog Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art 1. Abs. 1, 2 Abs. I GG):

Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandllung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

verboten

den von dem Antragsteller am 02.12.2018 auf der Plattform der Antragsgegnerin veröffentlichten Text

,,Dass Faschos, die schwule Pärchen auf der Straße verprügeln und den Feminismus als sündige Verwestlichung verachten, von ,israelsolidarischen’ Linken schadenfroh beklatscht werden, wenn sie auf Tommy Robinson losgehen, ist wohl nur konsequent, wo Juden, die sich wegen Gesindel wie ihnen in der AfD organisieren, Schellen verdient hätten. Brutal verdummt und hoffnungslos abgestumpft durch ihren Kampf gegen rechts, ohne den sie mit ihrem Leben gar nichts mehr anzufangen wüssten, verraten sie nicht nur ihre eigenen Interessen sondern auch die aller prospektiven Opfer, als deren Vertreter sie sich dennoch imaginieren. Weder Pohrt, den sie kennen dürften und der zur Bandenbildung einiges geschrieben hat, noch Adorno, dem man sich in diesem Milieu ziemlich sicher verpflichtet fühlt und dessen Aphorismus über die Angstlosigkeit, verschieden sein zu dürfen, ebenso geläufig sein musste, hält sie davon ab, solche Gegenden unmittelbarer Gewaltherrschaft als ,,Hood” zu begrüßen. Solange es dort, wo sich die Stärksten durchsetzen, nur die Richtigen trifft, ist für sie alles in Ordnung. lm Zweifel ist der Feind ihrer Feinde eben ihr Freund, ohne sich von der Tatsache irritieren zu lassen, dass man selbst wie Robinson auf die Fresse bekäme, würde man dort die lsraelfahne auspacken. Dass der britische Souverän aus Angst vor dem Mob in soichen ,Hoods’, gegen den diese Schläger bestimmt nichts haben, wenn sie nicht gleich Teil dessen sein würden, der verfolgten Pakistanin Asia Bibi das Asyl verweigerte, muss man ihnen nicht mehr mitteilen. Sie sind unansprechbar und verloren. Wer noch Kontakte in dieses Milieu hat – über 30 meiner Facebookfreunde liken diese Seite –dem möchte ich nur raten, auf Abstand zu gehen” 

in Verbindung mit dem von ,,Antifa Kampfausbildung” auf der Plattform der Antragsgegnerin unter https:!!www.facebook.com!antifakampfausbildung/videos/75657274805 1975! veröffentlichten und mit dem Titel ,,Tommy Robinson hat sich die falsche Hood zum spazieren ausgesucht” versehenen Video von ,,abc news” zu löschen“.

2. Ferner wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ebenfalls ohnemündliche Verhandlung angeordnet (935, 940, 91 Abs. I ZPO; §823, analog 1004Abs. 1Satz 2 BGB i.V.m. Art 1. Abs. 1, 2 Abs. 1GG):

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)

verboten,

a) den von dem Antragsteller am 02.06.2018 auf der Plattform der Antragsgegnerin veröffentlichten Text

,,Zur Causa Robinson: Ich empfehle den folgenden Artikel zur aufmerksamen Lektüre. Er beleuchtet seine Person und den jetzigen Fall aus einem tatsächlich differenzierten Licht. Robinson gibt selbst zu, dass er es nicht schaifte, die EDL frei von Nazis zu halten, und verließ diese. Einmal prügelte er einen Nazi weg von einer EDL-Demo, was als Beleg dafür genommen wurde, er sei selbst einer. Nachdem er in Italien in einer No-Go-Area mit seinem Kamera-Team unterwegs war und ein Migrant dort etwas wie ,I can kill you’ zu ihm sagte, schlug er ihm ins Gesicht. In der Daily Mail Online lautete die Überschrift dann:

„,Far-right thug Tommy Robinson punches a migrant in Rome while filming in an apparent ‘no-go zone.’ Von Twitter wurde er aus folgendem Grund gelöscht: ,The social-media site (which merrily allows terrorist groups like Lashkar e-Taiba to keep accounts) decided that Robinson should be suspended for tweeting out a statistic about Muslim rape gangs that itself originated from the Muslim-run Quilliam foundation.’“

Man kann und sollte ihm einiges an Kontaktschuld vorwerfen, jedoch wird man nichts finden, was ihm eine irgendwie rechtsradikale Gesinnung nachweist. Ich selbst hielt Robinson bei Zeiten für einen Rechtsradikalen, nicht zuletzt weil der Eindruck bei oberflächlicher Recherche auch einfach entsteht. Zu seiner Berichterstattung über die Missbrauchsfälle:

„Ten years ago, when the EDL was founded, the U.K. was even less willing than it is now to confront the issue of what are euphemistically described as ,Asian grooming gangs’ (euphemistic because no Chinese or Koreans are involved and what is happening is not grooming but mass rape). At the time, only a couple of such cases had been recognized. Ten years on, every month brings news of another town in which gangs of men (almost always of Pakistani origin) have been found to have raped young, often underage, white girls. The facts of this reality — which, it cannot be denied, sounds like something from the fantasies of the most lurid racist — have now been confirmed multiple times by judges during sentencing and also by the most mainstream investigative journalists in the country. But the whole subject is so ugly and uncomfortable that very few people care to linger over it. Robinson is an exception.“

Robinson packt jenes Thema an, was meinem Kenntnisstand nach von Feministinnen, Linken und Weltverbesserern nicht angeprangert wird. Es gilt nicht nur in UK als Tabu-Thema, an dem sich die multikulturelle, linksradikale, usw. Linke nicht ihre Finger schmutzig machen will. Obwohl tausende Mädchen vergewaltigt wurden. (Es steht auch nicht unbedingt zu erwarten, dass diese Leute es tun, da sie allein schon dem Artikel misstrauen werden. Da die Seite national-review’ heißt, könne es sich nur um rechte Propaganda halten. So dachte es auch lange Zeit in mir, so funktioniert eben das manichäische linke Mindset.) Analog zu den Missbrauchsfällen, lässt sich fragen, ob die Mainzer Linke schon ein Wort zu all den Mädchen und Frauen verloren hat, die allein dieses Jahr in Deutschland der ,Ehre’ wegen er mordet wurden? Sie wird es nicht, solange ihr Kulturschutz wichtiger ist als das Individuum. Infolge dieser Priorität stuft sie auch meinen harmlosen Vortrag alleine deshalb als rechts ein, weil ich einen Begriff benutze, der nur, weil er auch von rechten Menschenfeinden benutzt wird, nicht weniger triftig wird. http://www.ehrenmord.de/doku/201 8/doku_201 8.php

„What can be said with absolute certainty is that Tommy Robinson has been treated with greater suspicion and a greater presumption of guilt by the United Kingdom than any Islamic extremist or mass rapist ever has been. That should be — yet is not — a national scandal. If even one mullah or sheikh had been treated with the presumption of guilt that. Robinson has received, Amnesty International, Human Rights Watch, and the rest of them would be all over the U.K. authorities. But different standards apply to Robinson.“

Zum jetzigen Rechtsstreit: Laut Autor hat er sich wissentlich auf rechtlich gefährliches Terrain begeben, was schlichtweg dumm ist und, hätte er den Prozess gestört, auch zu Lasten der Opfer hätte gehen können. Merkwürdig erscheint es mir trotzdem, dass er innerhalb so kurzer Zeit zu einer so hohen Haftstrafe verurteilt wurde. Dennoch, wenn er wiederholt gegen geltendes Recht verstoßen hat, dann soll er sie auch verbüßen. Es wäre allerdings durch besondere Maßnahmen sicherzustellen, dass er die Haft unversehrt überlebt. Und dafür kann sich wirklich jeder linke und liberale Mensch offen aussprechen. https://www.nationalreview.com/2018/05/tommy-robinson-grooming-gangs-britain-persecutes-journalist/

und/oder

b) den von dem Antragsteller am 07.10.2019 auf der Plattform der Antragsgegnerin veröffentlichten Text

,,Test, ob der Name Tommy Robinson noch in einem Beitrag Erwähnung finden darf”

zu löschen.

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Der Verfahrenswert wird ebenfalls in Abänderung des Kammer-Beschlusses vom 02.10.2019 auf € 20.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit weicher der Antragsgegnerin untersagt werden soll, seine im Tenor wiedergegebenen Kommentare zu löschen.

Der Antragsteller ist vertraglicher Nutzer des von der Antragsgegnerin angebotenen ,,Sozialen Netzwerk“s Facebook. Dort postete er am 02.12.2018 ein dem Facebook-Portal ,,Antifa-Kampfausbildung” entnommenes Video mit der Unterschrift ,,Tommy Robinson hat sich die falsche Hood zum spazieren ausgesucht”. Diesen Post verband er mit einem Text, in weichem er sich kritisch mit der Veröffentlichung des Videos bei der ,,Antifa-Kampfausbildung” auseinandersetzte, indem er im wesentlichen den Vorwurf erhob, die -in dem Video mutmaßlich dargestellte Gewalt gegen den britischen Aktivisten Tommy Robinson -werde von der an sich Gewaltfreiheit und Toleranz predigenden ,,Antifa” gut geheißen, ,,solange sie sich gegen ,die Richtigen’ wendet”.

Die Antragsgegnerin löschte diesen Beitrag am 16.09.2019. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers forderte die Antragsgegnerin mit E-Mail vom gleichen Tag an impressum-support@facebook.com zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlage JS 1). Hierauf antwortete die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 17.09.2019 und verwies sie - ohne Auflehnung in der Sache - auf den Hilfebereich (Anlage JS 2).

Der Antragsteller beantragte am 19.09.2019 den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt werden sollte, den von dem Antragsteller am 02.12.2018 auf der Plattform der Antragsgegnerin veröffentlichten Text zu löschen.

Die Kammer hat den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 02.10.2019, dem Antragsteller zugestellt am 11.10.2019, unter Verneinung der besonderen Dringlichkeit abgelehnt. Hiergegen hat der Antragsteller mit noch am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Bereits am 02.06.2018 postet der Antragsteller den im Tenor zu 2.a) enthaltenen Text, in welchem er sich mit der Person des britischen Aktivisten Tommy Robinson auseinandersetzt. Die Antragsgegnerin löschte diesen Beitrag am 07.10.2019 ebenfalls wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen die Gemeinschaftsstandards zu gefährlichen Personen und Organisationen.

Kurz nach Zugang der diesbezüglichen Löschungsmitteilung postet der Antragsteller den folgenden, im Antrag zu 2 b) enthaltenen Text: ,,Test, ob der Name Tommy Robinson noch in einem Beitrag Erwähnung finden darf.’. Auch dieser Post wurde von der Antragsgegnerin unter Verweis auf die Gemeinschaftsstandards zu gefährlichen Personen oder Organisationen gelöscht.

Mit E-Mail vom 08.10.2019 ließ der Antragsteller die Antragsgegnerin erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern (Anlagen JS 3 und JS 4). Mit dem Beschwerdeschriftsatz erweiterte der Antragsteller seinen ursprünglichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die in Tenor zu Ziff. 2 enthaltenen Anträge.

II.

Auf die statthafte und zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers war der ablehnende Beschluss vom 02.10.2019 aufzuheben und die beantragte einstweilige Verfugung insgesamt zu erlassen, weil der Antragsteller nunmehr sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht hat.

 

1. Die sofortige Beschwerde ist nach §567 Abs. I Nr. 2 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 ZPO eingelegt worden.

2. Die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Berlin folgt aus Art. 18 Abs. 1 2. Alt., 17 Abs. ic), Abs. 2 EuGVVO (vgl. EuGH, Urteil vom 25.1.2018 —C-498!16 —juris).

3. Dem Antragsteller steht hinsichtlich der drei beanstandeten Löschungen ein Verfügungsanspruch zu.

Der Antragsteller kann von der Antragsgegnerin aus dem geschlossenen Nutzungsvertrag i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB die Veröffentlichung der von ihm eingestellten Kommentare verlangen. Dieser Vertrag verpflichtet beide Seiten zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Teils. Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit des Nutzers aus Art. 5 Abs. 1 GG, muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt wird (OLG München, Beschluss v. 17.07.2018, 18W 858/18, MDR

2018, 1302,juris Rn. 29f. m.w.N.). Dies war bei den hier streitgegenständlichen, jeweils gelöschten Posts des Antragstellers nicht der Fall.

Der Antragsteller postete die streitgegenständlichen Beiträge auf einer uneingeschränkt einsehbaren Facebookseite und damit auf einer allen Facebook-Nutzern zur freien Meinungsäußerung von der Antragsgegnerin zur Verfugung gestellten Plattform. Die Antragsgegnerin löschte alle Beiträge mit der Begründung, diese verstießen gegen die Gemeinschaftsstandards zu gefährlichen Personen und Organisationen. Ein solcher Verstoß kann den gelöschten Kommentaren jedoch nicht entnommen werden.

In den ,,Standards zu gefährlichen Personen und Organisationen” heißt es:

Wir gestatten auf Facebook keine Symbole, Verherrlichung oder Unterstützung von gefährlichen Personen oder Organisationen.

Als ,,gefährlich” definieren wir u.a. Folgendes:

- Terroristische Aktivitäten

- Organisierte Diskriminierung

- Massen- oder Serienmörder

- Menschenhandel

- Organisierte Kriminalität oder kriminelle Handlungen”

Keiner der drei gelöschten Kommentare verstößt gegen diese Standards. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin die von ihm veröffentlichten Kommentare schon allein deshalb löscht, weil in diesen der Name des britischen Aktivisten Tommy Robinson enthalten ist. Dies wird besonders aus dem in Tenor zu 2 b) enthaltenen Text geltend.

Selbst unterstellt, Tommy Robinson sei unter Anwendung der Gemeinschaftsstandards als ,gefährlich” einzustufen, was die Kammer derzeit nicht zu beurteilen vermag, so kann allein aus der Erwähnung des Namens jedoch nicht zugleich geschlussfolgert werden, der Nutzer verherrliche oder unterstütze diesen. Eben davon muss die Antragsgegnerin bei dem im Tenor zu 2 b) genannten Post jedoch ausgegangen sein. Auch die weiteren beiden gelöschten Posts verstoßen demnach nicht gegen die Gemeinschaftsstandards, weil darin weder eine Unterstützung noch eine Verherrlichung des Tommy Robinson durch den Antragsteller zum Ausdruck kommt.

In dem am 02.12.2018 eingestellten Beitrag, kritisiert der Antragsteller die ,,Antifa Kampfausbildung” für deren ,,Beifall” zu dem Video ,,Tommy Robinson hat sich die falsche Hood zum spazieren ausgesucht’, in welchem dieser mutmaßlich Gewalt erfährt. Aus Sicht des Antragstellers erscheint es heuchlerisch, einerseits Gewaltfreiheit und Toleranz zu predigen, andererseits ,,Gewalt gegen Rechte” gutzuheißen, weil die Gewalt in diesem Fall ja ,,die Richtigen treffe”. Der gelöschte Beitrag setzt sich mithin nur scheinbar mit der Person des Tommy Robinson auseinander. Eine Unterstützung oder gar Verherrlichung dieses Aktivisten kann dem Post nicht entnommen werden.

Demgegenüber setzt sich der Beitrag des Antragstellers vom 02.06.2019 unmittelbar mit der Person des Aktivisten auseinander. Darin befürwortet er eine Berichterstattung des britischen Aktivisten zu Missbrauchsfällen durch Immigranten und stellt diese in einen Zusammenhang zu einer Kritik an sog. Ehrenmorden. Er spricht sich zugleich jedoch im Hinblick auf einen damals aktuellen Prozess explizit dafür aus, dass der Aktivist die ihm gerichtlich auferlegte Haftstrafe verbüßen sollte. Da der Antragsteller sich in dem gelöschten Beitrag mithin differenzierend äußert, kann dieser im Hinblick auf die auch vorhandene Kritik nicht unter die Begriffe ,,Unterstützung” oder ,,Verherrlichung” gefährlicher Personen subsumiert werden.

4. Aufgrund der nach Erlass des Beschlusses vom 02.10.2019 erfolgten weiteren zwei Löschungen durch die Antragsgegnerin, insbesondere des im Tenor zu 2 b) genannten Posts besteht auch die für die Unterlassung erforderliche Wiederholungsgefahr ebenso wie die für eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz erforderliche besondere Dringlichkeit.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Bel der Fassung des Tenors hat die Kammer von ihrem Ermessen gemäߧ 938 ZPO Gebrauch gemacht.

6. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 53 Abs. 1 Nr. I GKG, 3 ZPO. Im Hinblick auf die mit der Beschwerde erfolgte Antragserweiterung war dieser abzuändern und neu festzusetzen.

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netiquette:

Hans-Peter Dollhopf / 02.12.2019

Wer sich ernsthaft protoprofessionell mit social psychology beliebte vertraut zu machen, der erfasst mit Nonchalance Sacha Baron Cohens defizitäre Unterkomplexität. Cohen erzeugt “empirische” Belege des Rassismuses, Antisemitismuses, Moslemablehnerismuses und solcher weiteren Tatbestände wie Antifraulichismus, Antigleichgeschlechtsgeilismus, Antikommunismus auf für das Publikum von Heutegeradenochmehrheitlichen unterhaltsame Art. Jeder lacht gerne noch, nachdem er doch bereits den Hütchentrick bemerkt hat. Parallel zur existenziellen Bedrohung der Zivilisation der Moderne durch die Herren auf Facebook, Alphabet, Twitter, Alibaba Group begrabenkämpfen wir uns auch noch auf der Ausgangsebene der Individuen gegenseitig! ganz zynismus selbst

Lars Bäcker / 02.12.2019

Spätestens jetzt dürfte doch jedem klar sein, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht mit Algorithmen verfassungskonform umzusetzen ist (von der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes an sich soll hier gar nicht gesprochen werden). Wie lange Unternehmen wie Facebook bereit sein werden, teure Rechtsstreitigkeiten um des Kaisers Bart auszufechten, und unter Androhung von Millionenstrafen (NetzDG) Verluste riskieren wollen, bleibt abzuwarten. Es würde mich jedoch nicht wundern, wenn sich Zuckerberg & Co. irgendwann ganz aus Europa (insbes. Deutschland) zurückziehen und den Zugang zu Facebook EU-Bürgern resp. Bundesbürgern nicht mehr gestattet. Vielleicht ist das ja auch gewollt.

sybille eden / 02.12.2019

Ja, Facebook mag ein “Kapitalistisches ” Unternehmen sein, unterliegt aber der politischen Agenda ! Es ist doch ein Paradebeispiel für den “Politischen Kapitalismus” in dem wir jetzt leben, ein geradezu “vorbildliches “Unternehmen!

Dr. Klaus Rocholl / 02.12.2019

“Zur Zivilisation gehört es, ...” Seit wann sind denn Linke zivilisiert? Waren die GuLags zivilisiert? Waren Stalins “Säuberungen” zivilisiert? Waren Kambodschas “Killing Fields” zivilisiert? Waren Maos “Kulturrevolution” und sein “großer Sprung nach vorn” zivilisiert? War die Stasi zivilisiert? War die Mauer zivilisiert? Also bitte - Linke und Zivilisation - schließen sich aus… genauso wie - Linke und Intelligenz - und - Linke und Kultur ! LINKS steht für - grob geschätzt 140.000.000 (EINHUNDERTVIERZIG MILLIONEN) !!! tote Menschen, für Terror, Folter und Totalitarismus - und für vernagelte Ideologie… aber bestimmt NICHT für Zivilisation !

Jakob Mendel / 02.12.2019

Ohne diesen Artikel wüßte ich vermutlich nicht einmal, daß Herr Robinson überhaupt existiert. Statt das weiter zu diskutieren, freue ich mich, daß Sie, Herr Perrefort, Ihre Meinung wieder unzensiert auf Facebook äußern dürfen. In einem aber muß ich Ihnen widersprechen: Ihr “Dass 200 Jahre nach der Aufklärung ein „westliches“ und – als Hinweis für etwaige Antikommunisten hier, die gerade eine sozialistische Diktatur heraufziehen sehen – übrigens sehr kapitalistisches Unternehmen nach politischer Vorliebe darüber entscheidet, wen man unterstützen darf und wen nicht, […]” trifft den Nagel nicht auf den Kopf. Vielmehr gilt Karl Marx: “Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.” Facebooks Vorgehen ist m. E. gerade kein Ausdruck politischer Vorliebe, sondern das bewußte und gewinnorientierte Anbiedern beim tatsächlichen oder vermeintlichen Zeitgeist. (Könnte es sein, daß einer von Facebooks Algorithmen angesichts von, sagen wir, 2 lautstarken Postings pro Robinson und 1000 ebenso lautstarken gegen ihn automatisiert entscheidet, “pro Robinson” könne nur extremistisch sein? Dieser Gedanke kommt mir gerade.) – Bei “[…] verstümmelt die Errungenschaft der Meinungsfreiheit, was nicht nur überaus demütigend ist. Es könnte einstweilen auch jenen auf die Füße fallen, die sie im Fall Robinson begrüßen.” bin ich dagegen ganz Ihrer Meinung: Der Zeitgeist könnte sich auch wieder ändern.

Hans Reinhardt / 02.12.2019

In der isländischen Sprache verzichtet man gerne auf Anglizismen. “Facebook” übersetzt man ins Isländische also mit ” Fressenverzeichnis” oder ” Fratzenbuch”. Damit ist meiner Ansicht nach auch schon alles zu zu diesem Unternehmen gesagt.

Andreas Rühl / 02.12.2019

Nun, Herr Perrefort, dass das LG hier auf die AGBs von Facebook rekurriert, liegt einfach daran, dass sich die “Schranken” der Meinungsfreiheit im Drittwirkungsbereich nicht so einfach ziehen lassen wie im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Denn schließlich ist das Verhältnis zwischen FB und Nutzer letztlich ein rein privatrechtliches. Also müssen auch die “Schranken” aus dem Vertrag selbst entnommen werden, wenn ansonsten keine Anhaltspunkte zu finden sind. Ich kann als FB selbstredend auf die “Meinungsfreiheit” der User insofern einwirken, dass ich Posts mit etwa rechtswidrigen (volksverhetzenden, beleidigenden) Inhalten verbiete oder lösche. Wer auf einem kirchlichen Blog in den Kommentaren dem Satanismus huldigt, wird wohl auch hinnehmen müssen, dass er seine Meinung vielleicht überall sonst, aber nicht dort äußern darf, wenn der Betreiber das nicht möchte. Also schaut man in die Richtlinien, die über die AGBs Vertragsbestandteil zwischen Ihnen und FB geworden sind und prüft, ob Ihre Posts - zu denen Sie nach Art 5 GG an sich berechtigt waren - nun auch konkret eine Vertragsverletzung (der AGBs) darstellen und / oder aufgrund der AGBs deren Löschung konkret (im Einzelfall) legitimiert war. War dies nicht der Fall, wie das Gericht ja sauber geprüft hat, dann greift Art. 5 GG mit der Drittwirkung, solange nicht - jenseits der AGBs - strafbare Inhalte verbreitet worden wären (auf deren Verbreitung keiner ein Recht hat, ganz gleich, was in den AGBs steht). Wobei, das macht die Sache hier komplex, natürlich die AGBs nun ihrerseits wiederum einer Inhaltskontrolle standhalten müssen, also nicht überraschend und nicht unklar und nicht benachteiligend sein dürfen. Das wäre aber nur dann zu prüfen gewesen, wenn das LG zwar die Löschung nach dem Wortlaut der Richtlinie für vertragsgemäß gehalten hätte, keine Straftat vorgelegen hat und die AGBs nun ihrerseits an Art. 5 GG zu messen wären im Rahmen der Inhaltskontrolle. So ungefähr jedenfalls ;-) Glückwunsch zum Erfolg!

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