Volker Seitz / 08.08.2018 / 16:30 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Entwicklungsminister Müller: Riesenente im Medienteich

Die Europäische Union sollte ihre Märkte nach Ansicht von Entwicklungsminister Gerd Müller für sämtliche Güter aus Afrika öffnen. Besonders Agrarprodukte sollten zoll- und quotenfrei eingeführt werden können, um in Afrika Jobs für Millionen arbeitslose junge Menschen zu schaffen, sagte der CSU-Politiker der „Welt-Online″. Dies könne auch die Migration Richtung Europa bremsen. Der Spiegel fand die Idee des Ministers so eindrucksvoll, dass das Magazin daraus ebenfalls einen Beitrag machte.

Keiner der Redakteure bei der Welt oder beim Spiegel hat sich offenbar mit dem Thema befasst. Denn sonst hätten die Journalisten  wissen können, dass es keine Hindernisse für afrikanische Güter mehr gibt. „Everything but Arms“ („Alles außer Waffen“) heißt aber ein Programm der EU, das im Jahr 2001 zur Unterstützung der am wenigsten entwickelten Länder eingeführt wurde – 34 von ihnen liegen in Afrika.

Das Programm garantiert diesen Ländern den zollfreien Zugang zu den EU-Märkten für alle Güter – außer Waffen. Die Welthandelsorganisation sieht eine Ausnahme vor, die eine einseitige Marktöffnung erlaubt. Danach dürfen alle Produkte, außer Waffen, zollfrei in die EU exportiert werden. Das Problem bleibt aber, dass viele Staaten gar keine wettbewerbsfähigen Produkte anbieten können. In weiten Teilen Afrikas gibt es kein zeitgemäßes Unternehmertum.

Das Handelsprogramm „African Growth and Opportunity Act“ ( AGOA ) war im Jahr 2000 vom US-Kongress verabschiedet worden. 2015 hat es die US-Regierung um weitere 10 Jahre verlängert. 6.400 Produkte aus 40 afrikanischen Staaten dürfen zu bevorzugten Konditionen in die USA exportiert werden. Die afrikanische Bekleidungs- und Textilindustrie profitiert am meisten von dem Programm. Größte Textilexporteure sind Äthiopien und Kenia.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“.  Das Buch ist beim Verlag vergriffen. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe wird im September 2018 bei dtv erscheinen. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge. 

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Michael Lorenz / 08.08.2018

Warum sollten “Welt” oder “Spiegel” recherchieren, wenn agitieren zum gewünschten Effekt ausreicht? Oder noch schlimmer: Recherche die Story versauen könnte?

Peer Munk / 08.08.2018

Super auch Müllers Vorschlag, die grüne deutsche Technologie den Afrikanern zu verramschen, wohl in der Hoffnung, die doofen Wilden würden nicht schnallen, dass das Mist ist, und sich über den Tisch ziehen lassen. Zumal ja wohl mittlerweile bekannt ist, dass wir kein Co2 einsparen. Ist das nicht auch im Grunde ne Art Rassismus von Müller? Wo bleibt der landesweite Empörungsaufschrei?

R.E.Rath / 08.08.2018

Danke Herr Seitz. Mal sehen wie sich die „Fachleute“ und der Superminister jetzt rausreden.

Wolfgang Kaufmann / 08.08.2018

Kaum erholt sich das real existierende Gutmenschentum – und, schwupp, kommen Sie mit störenden Fakten…

René Paul Rozek / 08.08.2018

Was man aus europäischer Sicht tun müsste und könnte, ist seit Jahrzehnten bekannt. Als Erstes und Wichtigestes müsste man den EU-Agrarhaushalt ganz grundsätzlich umbauen. Der geneigte Leser sucht mal mit “EU Agrarüberschuss Afrika”. Auch den Droneport von Foster halte ich für flächendeckend machbar. Aber wir wissen schon, was geschieht, oder ?

Thomas Weidner / 08.08.2018

Tja - von nix eine Ahnung: Das muss man erst ‘mal drauf haben! So sind sie halt - unsere heutigen Politiker…

Thomas Berger / 08.08.2018

Mein Gott, Herr Seitz, was sind Sie kleinlich. Fachwissen zu verlangen, woher soll der gute Herr Müller das denn haben.? Ja, villeicht hätte er in seinem Ressort mal nachfragen können, aber vor Untergebenen Unwissenhait zu bekennen wäre doch gar nicht gut gekommen. DAS weiss er ganz sicher, hat schliesslich mal Psychologie (und Pädagogik und Politik- und Wirtschaftswissenschaften) studiert, darf sich jetzt Diplom-Wirtschaftspädagoge nennen. Das ganze an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Wenn Ihn DAS nicht für ein CSU-(Minister)Pöstchen mehr als ausreichend qualifiziert, was denn dann, um Herrgotts Willen?

Frank Holdergrün / 08.08.2018

Es passt zum Betroffenheitsminister Gerd Müller, der serienweise Eigentore schießt. An ihm kann jeder erkennen, was aus vernünftigen Menschen wird, wenn sie am Bettelstab der Lobbyisten und Gesinnungsethiker ihren Verstand verlieren.

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