Volker Seitz / 20.02.2020 / 12:00 / Foto: Seitz / 17 / Seite ausdrucken

Entwicklungsgelder in Privattaschen: Weltbank-Enthüllung wider Willen?

Gelder für Entwicklungshilfe landen auf Privatkonten. Sicher, man weiß das schon lange und ich habe darüber in meinem Buch geschrieben, aber die empirischen Beweise waren bisher spärlich. Ich hatte auf meinen Posten Zugang zu verschiedenen Versionen von Berichten der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW). Sie wurden systematisch entschärft.

Im neuesten Fall hat der dänische Co-Autor den Text einer entsprechenden Studie für die Weltbank einfach frühzeitig auf seiner Homepage selbst veröffentlicht. Ob er jemals wieder für die WB tätig sein wird? Das Thema ist ja schon seit vielen Jahren Gesprächsstoff in Entwicklungshilfekreisen. Die Weltbank und der International Monetary Fund (IMF) haben schon zu meiner Zeit in Kamerun das Thema Korruption in ihren Gesprächen mit der Regierung nicht aufgreifen wollen. 

Laut einer wissenschaftlichen Analyse der Weltbank (WB) mit dem Titel „Elite Capture of Foreign Aid: Evidence from Offshore Bank Accounts“ der drei Ökonomen Jorgen Juel Andersen (Norwegen), Niels Johannesen (Dänemark) und Bob Rijkers vom 18. Februar 2020 versickert ein großer Anteil der Überweisungen von Entwicklungshilfe in Steueroasen, genannt sind vor allem die Schweiz und Luxemburg.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das Guthaben von Kreditinstituten in Regionen, die für Steuerflucht bekannt sind, steigt, sobald Tranchen der Entwicklungshilfe überwiesen werden. Die Eliten der Empfängerländer sollen das Geld abfließen lassen. Die Forscher haben die Quartalszahlungen an 22 Entwicklungsländer (darunter 18 afrikanische Staaten) untersucht und mit den Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich verglichen.

Versuche, die Ergebnisse abzumildern

In der Weltbank habe der Bericht ein Beben losgelöst: Der „Economist“ berichtete von Versuchen, die Ergebnisse abzumildern und sogar die geplante Publikation zu verhindern. Es soll Hinweise geben, die den vorzeitigen Rücktritt der Weltbank-Chefökonomin Pinelopi Goldberg in Verbindung mit der Analyse bringen sollen. Sie soll versucht haben, die Forschungsergebnisse zu verdecken. Mich wundert nicht, dass die Weltbank die Veröffentlichung blockieren wollte. Es könnte das Kerngeschäft infrage stellen. Nach dem kritischen Bericht des „Economist“ hat die Weltbank die Ergebnisse inzwischen veröffentlicht. 

Die politischen Systeme in vielen afrikanischen Staaten sind angeschlagen, sie stehen wegen Vetternwirtschaft und Korruption am Abgrund. Es gibt zwar überall Parlamente, aber sie tun, was das Machtzentrum, sprich der Präsident, verlangt.

Wenn der Chef schweigt, schweigen alle. Deshalb gibt es in Afrika ein Chefproblem. Nur ein Staatschef kann in Afrika Themen aufbringen. Minister erfahren aus dem Radio, ob sie ernannt oder abgesetzt wurden. Sie hüten sich, den Chef zu korrigieren. Die ausgeprägte Unlust, Dinge anzupacken oder anders zu machen und etwas Neues auszuprobieren, hat dazu geführt, dass die meisten Staaten Afrikas schon lange schlecht verwaltet werden. Der Kontrast zur pompösen Rhetorik und den aktuellen Realitäten ist enorm.

Es gibt in den etwa 20 reichen Ländern zwar Wachstumsraten, aber es wird fast nicht im Lande produziert und damit keine Arbeitsplätze geschaffen. Das Wirtschaftswachstum beruht nicht auf rechtmäßiger und gerecht verteilter Arbeit. Die Regierung von Kamerun zum Beispiel – ein Symbol der Misswirtschaft und bekannt für den teuren Lebensstil seiner führenden Politiker – müsste vom bloßen Export von Rohstoffen abrücken, die Industrialisierung fördern und den Dienstleistungssektor stärken. Zugleich müsste das Bildungswesen erheblich verbessert werden, um die eigene Wirtschaft mit besser ausgebildeten Fachkräften konkurrenzfähiger zu machen. Die kamerunische Regierung hat sich mit den Gebern gut arrangiert. Sie kennt die Spielregeln der Entwicklungshilfeindustrie. Konkrete Wirkungen unseres Engagements gibt es auch nach über 60 Jahren kaum. Wir haben aber mit unserer Entwicklungshilfe einen Beitrag zur Stabilisierung des Staatspräsidenten Paul Biya geleistet.

Ob der Bericht wohl aufrüttelt?

Die größten Probleme in Kamerun, Korruption und Arbeitslosigkeit, hat Biya nie gelöst, weil er Teil des Problems ist. Ein Viertel der etwa 23 Millionen Kameruner haben als Tagelöhner ein Einkommen von etwa 2 US Dollar. Wer von den jungen Arbeitslosen (oft Hochschulabgänger) Glück hat, fährt Mopedtaxi. Über 50.000 gibt es in dem Land. Eine gemeinsame Debatte über wichtige Fragen findet nicht einmal in der Regierung statt. Es gibt so gut wie keine Kabinettsitzungen mit dem Präsidenten. Minister und Präfekte erfahren ihre Ernennung oder Absetzung aus dem Radio, ohne den Präsidenten zu Gesicht zu bekommen. Sie werden auch nicht gefragt. Biya ist seit 38 Jahren an der Macht. Dennoch haben Deutschland und die EU – auch im Namen der „Entwicklungszusammenarbeit“ – die „freien und fairen“ Wahl-Ergebnisse immer wieder hingenommen – egal, wie sie zustande kamen. Sie reden höchstens von ein paar Unregelmäßigkeiten und sehen trotz der Unzufriedenheit in der Bevölkerung seine Amtsführung als „Stabilität“. 

Afrikanische Politiker verkündigen immer wieder mit markigen Äußerungen einen kompromisslosen Kampf gegen Korruption. Aber wann werden aus Worten Taten? Wer packt an und will sein Land wirklich reformieren? Es ist grotesk, mit dem bisherigen Management noch an Absichtserklärungen zu glauben.

Warum versorgen Weltbank und Geberländer korrupte Regierungen wie in Kamerun weiter mit Geld? Ob der Bericht wohl aufrüttelt? Werden Weltbank und Deutschland handeln und ihren ständig wachsenden Finanzierungsbedarf überprüfen?

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018.  Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Seitz

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S. Marek / 20.02.2020

Lieber Herr Seitz, es ist so einfach und Man/Frau fühlen sich so nobel mit fremdem Geld, der schwer arbeitender Bevölkerung, Geschenke zu machen in der Welt und, daß weil Frau/Man nicht dafür sich rechtfertigen müssen ob es überhaupt Sinn macht. Ich weiß nicht wie viele Millionen bereits nach Kamerun in den Jahrzehnten geflossen sind, aber die den Deutschen und den Europäern so liebgewordenen Araber, s.g. “Palästinenser” erfunden Mitte 1964, im Israel haben bereits mehr als das 7-Fache der Marschaltplans für Aufbau Europas nach dem 2-ten WK erhalten und das Monaco des Nahost kann in Gaza und Ramallah täglich bewundert werden können. Was sagt das über die Menschen Europas, Judenhasser bis ins Mark.

Dieter Grimm / 20.02.2020

Treffender geht es nicht. Ich war in meiner Montagezeit als Bauleiter in diversen afrikanischen Ländern für ein Maschinenbauunternehmen unterwegs. Davon ca. 2,5 Jahre in Kenya, 2 Jahre in Nigeria, in Malawi, Zimbabwe,Uganda, Südafrika,Namibia…..Man merkt erst was in diesen Ländern los ist, wenn man mehere Monate oder Jahre dort lebt. Meine Wut auf unsere sogenannte “Entwicklungshilfe” wurde über die Jahre immer größer. Gelder in unverstellbaren Mengen sind niemals dort angekommen wo sie dringend gebraucht wurden und bis heute gebraucht werden.Die herrschenden Diktatoren leben gleich Gottkönigen. In Lagos/Nigeria, eine riesige Millionenstadt wird der Verkehr an bestimmten Tagen komplett gesperrt, da die Ehefrau des Gottkaisers zum shoppen in die Stadt fahren will. In Südafrika leben heute die neuen schwarzafrikanischen Minister in Palästen die sich ein Willem de Klerk niemals hat erträumen können. In Kenya kam wurde einst ein Gelegenheitsarbeiter namens Jomo Kenyatta 1963 als erster schwarzer Präsident vereidigt. Heute gehören seiner Familie ca. ein Drittel der gesamten kenianischen Agrarflächen. Woher er wohl das Geld dafür hatte? Wenn er es auch wirklich gekjauft hätte. Jeder Mensch, der auch nur einen Funken Verstand und Hirn hat, weiß was in Afrika vor sich geht und trotz all dieser Korruption und Vetternwirtschaft werden Jahr für Jahr Milliarden von Euro und Dollars in diesen Kontinent gepumpt mit der Intention, die Konten der Despoten zu füllen. Warum eigentlich werden die Zahlungen nicht eingestellt??? Was steckt dahinter wenn man einige Wenige immer reicher macht und die Masse der Afrikaner in bitterster Armut leben läßt. Meine Meinung zu diesem Thema lautet: Alle Despoten durch die UNO absetzen.Alle Konten der Despoten und der Familienangehörigen einfrieren. Von der UNO eingesetzte Beamte die Länder auf c. 20-30 Jahre regieren lassen. Nach einer langwierigen positiven Entwicklung jedes Land wieder an demokratische Kräfte zurück geben.

Sirius Bellt / 20.02.2020

Im Prinzip hat Frau Schönfelder den Finger schon in die Wunde gelegt. Ich frage mich dennoch immer wieder, warum wir Antikorruptions-Regeln erstellen, wenn sich keine Socke daran hält? Der pure Hohn.

Marc Blenk / 20.02.2020

Lieber Herr Seitz, welcher Entwicklung wird da geholfen? Und aus welchen Gründen? Es gibt genau zwei entscheidende Profiteure: Die Eliten in den ‘afrikanischen Staaten und die Entwicklungshilfeindustrie. Aber wirklich schön, dass da mal jemand der Entwicklungshilfe - FIFA in die Suppe gespuckt hat.

Christel Beltermann / 20.02.2020

Ich habe das Buch von Herrn Seitz vor einiger Zeit gelesen. Sehr aufschlussreich! Und wiederum nicht verwunderlich, seit Jahrzehnten können aufmerksame Politbeobachter wahrnehmen, dass Entwicklungshilfe weitestgehend versickert und somit erfolglos bleibt. Und das in genuin reichen, da mit Bodenschätzen gesegneten Ländern. Die Korruption ist umfassend, sowohl bei den Eliten der jeweiligen Ländern als auch bei den Geberländern und den internationalen Institutionen. Es ist nur noch zum K. -kaum einer will wirkliche Veränderung. Der “Rubel muss rollen” and “the show must go on”. Nur noch ekelerregend!

Horst Jungsbluth / 20.02.2020

Dieser Beitrag belegt das mit harten Fakten, was viele aufmerksame Bürger in diesem Land schon lange ahnten oder gar wussten. Ich habe bereits vor ca 10 Jahren in einem Kommentar zu einem kritischen Bericht über die Entwicklungshilfe darauf hingewiesen, dass es hier hinsichtlich des Missbrauchs Parallelen zu deutschen Leistungsgesetzen gibt. Auch hier wird immer weiter ausgebaut mit der logischen Folge, dass immer Menschen dieses ausnutzen und immer weniger einer vernünftigen Arbeit nachgehen.  Das Schlimme daran ist, dass unsere “ewig Unverantwortlichen” trotz aller Erkenntnisse und Warnungen nicht entsprechend reagieren, sondern nach dem Motto:  Jetzt erst recht! sogar immer noch draufsatteln. Die Despoten der Empfängerländer fordern immer mehr, sie schicken uns ihre jungen Leute, die man eigentlich selbst benötigt und streichen die Gelder eiskalt ein.  Was mich auch wundert oder eigentlich gar nicht mehr ist die Tatsache, dass man hier im Lande zugelassene Parteien gesetzwidrig diskriminiert und gleichzeitig schlimmen Diktaturen das Geld der arbeitenden Bevölkerung in den Rachen schmeißt.

Sabine Schönfelder / 20.02.2020

Alle wissen es. Keiner will es wahrhaben. Wird es dennoch publiziert, dreht sich die Schuldzuweisung um 180 Grad. Nicht der dreckige Betrüger wird thematisiert, sondern der Aufklärer wird zum illoyalen Denunzianten degradiert. Sonst ein Verhalten, das deutsches Denunziantentum, daß die Regierung fördert und schätzt, aber nur, wennˋs ideologisch paßt. Hier ist die Wahrheit teuflisch und unangebracht. Steueroasen sind nicht dazu da, um schwarze Potentaten zu entlarven und zu überführen, die mit deutschen Entwicklungshilfegeldern ein Luxusleben führen und ihre Bevölkerung verarmen lassen; für authentische Spenden-Aufrufs-Aufnahmen der deutschen, ebenso gut davon lebenden, Hilfsindustrie; - diese eindrucksvollen Bilder abgemagerter schwarzer Säuglinge mit großen dunklen traurigen Augen, die gerne zur Weihnachtszeit präsentiert werden, um den Gegensatz zwischen Überfluß und Mangel zu unterstreichen. Jetzt haben wir das Junktim gefunden! Was passierte, wäre das viele Geld an arme Afrikaner oder Palästinenser geflossen und tatsächlich seit Jahrzehnten bei den richtigen angekommen. Womöglich hätte es noch Hilfe zur SELBSTHILFE gegeben!  Es gäbe keine Migration! Schreck laß nach! Der Potentat wäre nur einfacher Millionär, die deutsche Hilfsindustrie arbeitslos, die Bevölkerung gut versorgt. Das kann keiner ernsthaft wollen,  (außer der Bevölkerung eventuell) lieber Herr Seitz, Sie Spielverderber! Was sind schon ein paar hundert Millionen Dollars oder Euros mehr in den Oasen der Steuerbetrüger, der schwarzen War-Lords und Diktatoren? Ein Fliegenschiß!

Volker Seitz / 20.02.2020

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat die Weltbank Enthüllung offenbar gelesen , sofort auf seine Art reagiert und in einem Interview mit dem Nachrichtenportal t-online.de die europäischen Staaten aufgefordert, die Investitionen in Afrika für die kommenden zehn Jahre zu verdoppeln. “Experten” (?) würden 30 Milliarden Euro jährlich für die nächsten 10 Jahre veranschlagen. Der «Green Deal» der Europäischen Union zum Klimaschutz müsse einen Afrikaschwerpunkt haben. Hierzu vgl. Achse vom 13.12.2017 “Entwicklungshilfe - ein Aussteiger berichtet”. “Wir machen dieselben Sachen wie immer, verkaufen sie aber unter diesen Labeln”. (Gemeint sind Slogans wie “Klimawandel stoppen” oder “Fluchtursachen bekämpfen”) Müller beklagte, dass viele - auch in seiner eigenen Fraktion - am Status quo festhielten, statt für Handel und Produktion in Entwicklungsländern klare Sozial- und Umweltstandards festzulegen. «Ich jedenfalls möchte kein deutsches Unternehmen mehr sehen, das mit Kinderarbeit produziert», sagte Müller. Zur Kinderarbeit vgl. Achse vom 30.12.2019 ” Afrika: Warum der Schokoladenanbau nicht böse ist”.

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