Entertainment mit Polit-Moral? Gute Nacht!

Von Bertha Stein.

Bekanntlich verdirbt Politik den Charakter. Trotzdem findet eine Politisierung der Unterhaltung bei gleichzeitiger Moralinszenierung des politischen Tagesgeschäfts statt. Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, was sich hinter der politischen Bühne in Berlin abspielt. Machenschaften, Seilschaften, Feindschaften. Die ollen Kamellen menschlicher Machtkämpfe eben, die bereits von Sophokles über Shakespeare bis Schiller anschaulich dargestellt wurden. Mit der Realität des politischen Gewissens hat das im entferntesten Sinne zu tun. Eher brillieren die Stücke mit ihrer künstlerischer Strahlkraft, unter deren Gewand sie die tatsächlichen politischen Malicen darstellen.

Ihre künstlerische Verpackung stand noch im Vordergrund. Gegenwärtig aber schwebt der Hobbes’sche „Leviathan“ mit seinem politischen Movens über dem Künstlerischen. Gute Literatur, gutes Theater, gutes Fernsehen. Das steht für aktualpolitisch, politisch korrekt, politisch belehrend. Zusätzlich entsteht der Eindruck, als ob es sich um eine affirmative Selbstbespaßungsindustrie des Hohen Hauses handelt.

Beim 42. Ingeborg-Bachmann-Preis wurde etwa die Schriftstellerin Tanja Maljartschuk für ihren Text „Frösche im Meer“ geehrt, der von einem passlosen Osteuropäer handelt. Eine andere Mitbewerberin, namentlich Özlem Özgul Dündar, spielt mit ihrem Stück auf den rechtsradikalen Brandanschlag in Solingen 1993 an. Ist aktualpolitische Literatur von Frauen mit osteuropäischem oder türkischem Migrationshintergrund immer gute Literatur?

Politikdurchtränkter Bildungsauftrag

Bessere Chancen haben zumindest Männer mit türkischem Migrationshintergrund im politischen Theaterbetrieb. So inszeniert in der kommenden Spielzeit der türkischstämmige Nurkan Erpulat als Hausregisseur am Maxim-Gorki-Theater das Singspiel „Lö Grand Bel-Almanya. 57 Jahre Scheinehe“. Das deutsch-türkische Verhältnis im Zuge türkischer Arbeitsmigranten steht hier im Vordergrund. Ist politisch korrektes Theater mit türkischen Themenschwerpunkten immer gutes Theater?

Auch die Sendeanstalten möchten ihrem politikdurchtränkten Bildungsauftrag gerecht werden. So kreiste der Tatort „Dunkle Zeit“ vom Dezember 2017 um eine zufälligerweise AfD-ähnliche Partei, um Antifa und um rechtsradikale Anschläge auf Asylantenheime. Schließlich will der durchschnittliche Tatortzuseher nicht nur bespaßt, sondern auch belehrt werden. Ist ein politischer Krimi immer ein spannender Krimi?

Unterhaltung wird nach allen Regeln der Kunst dem politischen Establishmentgusto angepasst. Raum für Apolitisches, Politisch-Unkorrektes und Unbelehrendes bleibt da wenig. Stattdessen konzentrieren sich diese auf andere lebensfähige Biotope – meist unkontrolliert und ein wenig chaotisch, was tatsächlich die Saat für etwaige Extremisierungstendenzen sein kann. Denn grundsätzlich strahlt das Verbotene eine gewisse Anziehungskraft aus, dem sowieso nur wenige standhalten können.

Im Politikbetrieb kann man sich diese Extremisierungstendenzen nicht erklären. Stattdessen erhebt man den moralisierenden Zeigefinger auf „die“ da. Und diese diffus-neblige, nicht näher umschriebene „die“-Truppe ist es letztendlich, die für die politischen Fehlentwicklungen verantwortlich ist. Bildungsverfall, Dieselskandal, Klimakrise. „Die“ da.

Das politische Establishment mutiert äußerlich zum Moralaposteltum, innerlich zu einer rigiden, fanatischen und philanthropischen Humanitarismuscommunity. Dabei weiß ein jeder, dass Politik und Moral so gut zusammenpassen wie Bürokraten und Fahrradfahren ohne Helm und ohne GoPro-Actionkamera. Lächerlich anzusehen, aber nicht ernst zu nehmen.

Foto: Sharon Pruitt Flickr CC BY 2.0 via Wikimedia

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Leserpost

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Werner Arning / 14.07.2018

Desto mehr sich Film und Fernsehen in den Dienst einer Sache stellen, desto weniger haben ihre Erzeugnisse noch mit Kunst zu tun. Desto eher ähneln sie den Erzeugnissen aus Orwells Wahrheitsministerium. Desto mehr scheint es, als würden die Filme am Reißbrett entstehen. Man nehme eine Prise Rechtsradikalismus, einen Löffel arme Heimatlose auf der Flucht, eine Hand voll böse Deutsche, eine Tasse gute Linke, einen Schuss moralisch verdorbene Kapitalisten, eine Tüte moralisch überlegene Menschen aus der dritten Welt, etwas Umweltverschmutzung, etwas Verfolgung, eine Messeespitze Ungerechtigkeit. Dann muss man nur noch überlegen : soll der Film gut oder schlecht ausgehen. Für das Fernsehen gut, für das Kino schlecht (sorgt für mehr Dramatik und Eindringlichkeit, für das Fernsehen sind wir nicht ganz so anspruchsvoll). Und dann kann gedreht werden. Bezahlt wird der Dreh, wenn mindestens vier, der genannten Elemente, vorhanden sind.

Emmanuel Precht / 14.07.2018

Wenn ich hier des Abends runter auf die Straße im völlig verbunteten Turksburg-Mürxlüh gucke, nehme ich das ungeschminkte, politisch und auch ansonsten völlig unkorrekte Verhalten der zugereisten “Guten Wilden”  wahr. Hier wird schon mal einer vor der Tür erschossen, aber das würglich nicht oft. 1000 Mann starke “allahu abbar” (dtsch Allah ist größer) krakehlende Truppen, die “Tayyip den Prächtigen” hochleben lassen, kommen schon häufiger vor. Nächtliche Autorennen sind eigentlich immer und von 10 Autos fahren ca. 6 bei rot über die Kreuzung. Brautübergaberituale werden selbstredend “traditionell” von Schüssen aus Handfeuerwaffen akustisch untermalt, die 110 nennt sowas Freudenschüsse, aber mittlerweile kommt sie wenigstens bei Meldung ab und zu vorbei, um dem bunten Treiben beizuwohnen. Hier tanzt man gerne mit den “Grauen Wölfen”  Ich versuche alles was es fußläufig zu erledigen gibt, noch vor 11 Uhr zu machen, dann schlafen die eher Nachtaktiven noch. Hier ist noch das echte Leben. Wohlan…

Arne Brandt / 14.07.2018

Aber das könnt ihr doch auch! Ihr versammelt hier eine ganze Reihe profilierter Sachbuchautoren. Warum nicht auch unterhaltende Literatur schreiben? Ich selbst habe eine Fantasy Geschichte geschrieben & ihr mit eurer Schreiberfahrung solltet das doch noch viel besser können?

Dr. Karl Wolf / 14.07.2018

Wir sehen Tatort - der ohnehin immer schlechter wird - und Ähnliches nur noch, wenn wir annehmen können, daß der übliche, gutmenschlich politische Bezug nicht vorkommt. Die steueralimentierten Öffentlich-Rechtlichen entfernen sich immer weiter von ihrer Kundschaft. Selbst unbedarfte Quiz-Moderatoren fühlen sich inzwischen berufen, gleichgeschaltete Polit-Platitüden abzusondern. Leider ist das private Bordell-Fernsehen auch keine Alternative.

Frank Pressler / 14.07.2018

Aktuell dazu: Es gibt jetzt als Petition die „Brüsseler Erklärung“ für das Recht auf freie Meinungsäußerung, da die Vielfalt und die Freiheit der Kunst in Europa wegen des Kulturkampfes von Rechts in Gefahr seien. Hier unterschreiben dann die wahren Bildungsmenschen, die unter freier Meinungsäußerung nur das verstehen, was zum Spektrum der eigenen Meinung passt. Eine wunderbare Liste welt- und meinungsoffener Demokraten!

Rico Martin / 14.07.2018

Die Angst vor Repressionen lässt die Künstler im Strom der toten Fische mitschwimmen. Was für eine schöne Demokratie und Meinungsfreiheit wir in Deutschland haben.

Rudolf George / 14.07.2018

Früher begriffen sich unabhängige Künstler als Beobachter und Kritiker der Gesellschaft, vor allem in der Hinterfragung der Scheinwahrheiten, die im normalen Diskurs als tabu galten. Ganz anders natürlich staatstragende Künstler in totalitären Systemen. In Deutschland hat aber etwas sonderbares stattgefunden: die Kunst hat sich freiwillig der Regierungsdoktrin unterworfen, ähnlich wie der Mainstreamjournalismus. Ich frage mich immer: wie kommt das? Und begreifen diese Leute nicht, dass sie sich durch die Aufgabe ihrer gesellschaftlichen Nützlichkeit, selbst überflüssig machen?

Andreas Stüve / 14.07.2018

Liebe Frau Stein, danke für die weisen Worte. In diesem unseren Lande wird unentwegt der Geßlerhut gegrüßt. Das Ministerium für Kultur der (un)seligen DDR ist sozusagen wiedererstanden (Oh oh). Meinethalben können die Hunderttausenden von ” Künstlern” auch den ganzen Tag mit bunten Bällen spielen und die ÖR-Fernsehsender 24 Stunden das Testbild senden. Solange ich das nicht bezahlen muss. Ich werde aber über ” Demokratieabgabe” und von mir erpresste Einkommens-und andere Steuern gezwungen, die vielfältigsten kulturmarxistischen Ergüsse der “Kulturschaffenden” zu finanzieren und diesen Khoryphäen auch noch einen feudalstaatlichen Lebensabend zu gestalten. So lange, wie sich diese ” Anstalten” und deren meist angestellten Kultur-und Ideologieproduzenten aus dem immer wieder von uns bis zum Überlaufen gefüllten Steuertopf nähren, wird der Sozialismus fröhliche Urständ feiern und die Bürger, Konsumenten , Steuer-und Demokratieabgabe- Zahler in den Wahnsinn treiben. Die unwiderlegbaren Beweise dafür haben Sie uns dankenswerter Weise soeben mit herzhaftem Schwung auf den Tisch geworfen.

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