In Deutschland ängstigt man sich bekanntlich seit eh und je vor der angeblich zunehmenden “sozialen Kälte”. Und mitunter kann diese Angst auch berechtigt sein. Es gibt sie ja, die Vereinsamten und Herausgefallenen. Meist aber ist es gerade die eingeforderte Wärme vor der wir uns in Acht nehmen sollten. Diese “Wärme” hat nicht nur Gruppentherapie-WGs, sondern auch (national-)sozialistische Volksgemeinschaften bis zum bitteren Ende zusammengeschweißt.
Gerade stolpere ich zufällig über eine kleine Fabel von Arthur Schopenhauer. Sie handelt von Stachelschweinen und Engländern und sollte wie ich finde zur Pflichtlektüre an unseren Schulen und Universitäten gemacht werden.
“Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich an einem kalten Wintertage recht nahe zusammen, um durch die gegenseitige Wärme sich vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln; welches sie dann wieder von einander entfernte. Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel; sodass sie zwischen beiden Leiden hin- und hergeworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung von einander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten. - So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Inneren entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder von einander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte. Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance! - Vermöge derselben wird zwar das Bedürfnis nach gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden.”
(Die Stachelschweine, Parerga und Paralipomena II, §396)