Rainer Bonhorst / 12.05.2019 / 12:00 / Foto: Mattbuck / 11 / Seite ausdrucken

England ist schon auf und davon

Das Warten auf den Brexit ist wie das Warten auf Godot: absurd und ein bisschen zum Gähnen. Aber kein Mensch muss so lange warten. Denn England hat Europa längst verlassen, genauer: hinter sich gelassen. Auf und davon sind sie, die Engländer. Auf dem Kontinent schauen wir staunend zur Insel hinüber und fragen uns: Wie konnte das nur passieren? Haben wir es womöglich gar nicht mit einem Brexit sondern mit einem Koxit zu tun? Also mit einem Ausstieg des Kontinents aus dem großen gemeinsamen Projekt?

Wenn ja, dann ist dieser Ausstieg nicht freiwillig. Kein Referendum hat ihn herbeigeführt, sondern bittere Niederlagen, teils in Form von sogenannten Klatschen, teils durch lucky punches der Engländer, teils durch unglückliche Selbstverstümmelung. 

Also gut, heraus damit: Gemeint ist natürlich der internationale Fußball, über den mein Kollege Anton Schwankhart in der Augsburger Allgemeinen  bilanzierte: „Am Ende gewinnen immer die Engländer.“ Ach, was waren das noch für Zeiten, als der Brite Gary Lineker den Fußballsport so beschrieb: „22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen.“

Diesmal machen vier englische Mannschaften die Endspiele der beiden großen UEFA-Wettbewerbe untereinander aus. Der Kontinent darf zuschauen und jeweils den Gastgeber spielen. Liverpool und Tottenham kämpfen am 1. Juni in Madrid um die Champions-Krone, Chelsea und Arsenal machen am 29. Mai in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, untereinander aus, wer in der Europa League Meister wird. Fast wäre Frankfurt dabei gewesen, wurde aber Opfer eines lucky punchbeziehungsweise einer unglücklichen Selbstverstümmelung im Elfmeterschießen.

Dem Finanzmetropölchen Frankfurt weiter heftig Paroli bieten

Frankfurt – das hätte ja was gehabt. Die Geldmetropole am Main gegen die Geldmetropole an der Themse, aus der gleich drei Endspielteilnehmer kommen. Das wäre geradezu poetisch gewesen, denn Geld regiert die Fußballwelt. Die englischen Vereine schwimmen dank großzügiger Milliardäre und spendierfreudiger TV-Sender im Geld. Gegen die Insel-Giganten wirken die Buam von Bayern München, bei uns daheim imposante Kraftprotze, wie magere Leichtathleten. Die Bayern sind ja auch gegen Liverpool sang- und klanglos ausgeschieden. Geld allein schießt bekanntlich keine Tore, aber es erhöht die Chancen gewaltig.

Irgendwie scheint es auf der Insel also genügend Reichtum und Engagement zu geben, um große internationale Erfolge zu ermöglichen. England und vor allem London scheinen ein attraktiver Platz für eingeborene und zugereiste kluge und ehrgeizige Köpfe zu sein. 

Ist es denkbar, dass das nicht nur für den Fußball zutrifft? Könnte England auch nach einem politischen Brexit stark und anziehend genug bleiben, um neue Erfolge auf allen möglichen Gebieten zu erzielen? Könnte es sein, dass die Finanzmetropole London auch nach einem Brexit dem Finanzmetropölchen Frankfurt weiter heftig Paroli bietet? Nicht auszudenken. Aber im Fußball sind Fragen wie diese bereits beantwortet. Da ist uns die Insel einfach und symbolträchtig davon geschwommen. 

Die Fußball-Insel ist uns so weit voraus, dass sie nicht nur Spieler sondern auch jede Menge Trainer vom Kontinent importiert. Den FC Liverpool hat Jürgen Klopp ins Endspiel gecoacht. So sind wir Deutschen in Madrid wenigstens ein bisschen dabei.

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Rupert Drachtmann / 12.05.2019

Grüß Gott Herr Bonhorst, naja, der Vergleich hinkt ein wenig. Wenn ich mir für sehr viel Geld sehr gute Spieler und sehr gute Trainer einkaufen kann und nicht alles falsch mache kommt nach einigen Jahren auch etwas dabei heraus. Der heute festzustellende Status im Fußball ist eine Entwicklung massiver Investitionen über viele Jahre hinweg und letztlich in beiden Halbfinalpartien auch durch das Zusammentreffen vieler (sehr) glücklicher Umstände entstanden. Interessanter wird sein welche Zukunft dieses Konzept und der Invest zu Tage fördern wird. Bezogen auf die EU und GB ist jedem anzuraten zuvorderst erst mal seinen Hof zusammenzukehren und nicht über den Dreck im Hof des anderen zu spotten.

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