Manfred Haferburg / 23.06.2023 / 12:00 / Foto: Pixabay / 48 / Seite ausdrucken

Energiewende: Neuer deutscher Gigantismus

Deutschlands Energiewende wird viele hundert Milliarden Euro verschlingen. Riesige Netzausbau- und Windparkprojekte sind geplant. Da wird ein neuer deutscher Gigantismus ausgelebt. Derweil investiert China in seinen ersten Thorium-Kernreaktor. Kostenpunkt: einige hundert Millionen. 

Der von mir sehr geschätzte Journalist Daniel Wetzel titelt in der Welt Online hinter der Bezahlschranke: „Projekt „Giga“ – diese 500-Kilometer-Trasse soll 8 KKW wettmachen“. Gemeint ist die Gleichstromtrasse „Rhein-Main-Link“, die acht Gigawatt Windstrom aus Norddeutschland vom nördlichen Niedersachsen ins südliche Hessen transportieren soll. Acht Gigawatt, das entspricht einer Leistung von fünf Kernkraftwerken, wie Deutschland sie gerade verschrottet hat. 

Bisher dachte ich immer, dass Hochspannungsleitungen Strom von einem zum anderen Ort transportieren, aber selbst keinen Strom erzeugen. Deswegen hat der Kollege Wetzel auch das weise Wort „wettmachen“ verwendet. Bei einer Stromleitung kommt immer hinten ein klein bisschen weniger Strom raus, als ich vorne reintue, niemals aber mehr.

Mit dem Gigaprojekt ist geplant, den Strom der geplanten großen Meereswindparks von der Nordseeküste, der bei Oldenburg in einem geplanten Knotenpunkt eingesammelt werden soll, nach Süden zu leiten. Geplant sind Offshore-Windmühlen, die bis 2030 eine installierte Leistung von 30 Gigawatt und bis 2045 70 Gigawatt haben. Festgelegt wurde das in Habecks „Osterpaket“. Aktuell sind weniger als 10 Gigawatt installiert. Wenn ich im Kopf richtig überschlage, bedeutet das, dass für die nächsten 20 Jahre jeden Tag ungefähr ein 10 MW-Windrad Offshore errichtet werden muss. Das ist sehr viel mehr als „ambitiös“, würde ich sagen. 

Von diesen gigantischen 70 Gigawatt – das ist fast die Leistung des derzeitigen konventionellen Kraftwerksparks – sollen über die neue Trasse acht Gigawatt in Richtung Frankfurt am Main geleitet werden. Per Gleichstrom. Das ist nach meinem bescheidenen Wissen auch noch keine Standard-Stromübertragungstechnologie. Auch das ist ambitiös, lassen wir uns überraschen. Immerhin traue ich den Ingenieuren vom Netzbetreiber hunderte Male so viel mehr zu wie Ministern und Staatssekretären. 2033 soll die Trasse in Betrieb gehen. Der genaue Trassenverlauf ist noch nicht festgelegt. Die Kosten werden auf 15 Milliarden Euro veranschlagt. 

„Ist ja nur Geld“

Doch jetzt wird es im Artikel interessant. Die Netzbetreiber haben einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, nach dem bis 2045 ein „Zubaunetz“ mit einer Länge von 25.723 km errichtet werden muss. Kostenpunkt 251,3 Milliarden Euro. Doch für die vielen E-Ladestellen und Wärmepumpen wird auch ein neues stärkeres regionales und örtliches Verteilernetz gebraucht. Eine Größenordnung gefällig? Ich habe die Zahl von 1,5 Millionen Kilometer Niederspannungsnetze im Kopf. Kostenpunkt grob geschätzt 500 Milliarden Euro. Macht zusammen schlappe 750 Milliarden Euro für den Netzausbau. Wie sagte Herr Dr. Habeck? „Ist ja nur Geld“. 

Nicht dass der geschätzte Leser nun denkt, er kommt mit einer dreiviertel Billion Euro für die Energiewende bis 2045 weg. Das ist nur der Netzausbau. Da plant die Bundesregierung schon weitere Giga-Investitionen zum Ersatz des bisherigen Kraftwerksparks, der ja systematisch verschrottet werden soll. Bis vor der Energiewende reichte für die benötigte deutsche Spitzenlast von maximal 85 Gigawatt ein Kraftwerkspark, bestehend aus richtigen Kraftwerken, mit einer installierten Leistung von 100 bis 120 Gigawatt aus. Da hatte man noch reichlich Margen. 

Die Bundesregierung plant zum Ersatz der 100 bis 120 Gigawatt Kraftwerksleistung den Ausbau der Erneuerbaren Energieanlagen auf die astronomische Höhe von 700 Gigawatt, was einer Versiebenfachung der bisher installierten Kraftwerksleistung entspricht. Dieses Mehr an installierter Leistung ist nötig, weil die neuen Wind- und Sonnenanlagen wetter- und tageszeitbedingt, deutlich weniger elektrische Arbeit bereitstellen als richtige Kraftwerke. Die Verfügbarkeit eines Windrades an Land beträgt gerade mal etwas unter 20 Prozent. Und dann muss man noch daran glauben, das irgendwo in Deutschland immer Wind ist. Leider beweist die Deutsche Windstudie, dass dies ein Irrglaube ist. 

Kein Mensch weiß, was das kostet. Ist auch nicht nötig, das kann sowieso keiner bezahlen, auch kein Sondervermögen. Womit sich der Kreis schließt. Die neue Trasse macht eben nicht acht Kernkraftwerke wett, wenn eine Dunkelflaute  über Deutschland liegt. Und vom Bau neuer Stromspeicher habe ich noch nichts anderes gehört, als dass sich diverse Laienspielpolitiker, die von Beruf ungelernt, Bankkaufmann oder Theaterwissenschaftler sind, sich gern „Energieexperte der Fraktion“ nennen und gegenseitig Kinderbücher über eine Wasserstoffwirtschaft vorlesen. Bezahlen können es die wie Weihnachtsgänse ausgenommenen Steuerzahler auch nicht mehr, da sie ihr Gespartes schon in die neue Wärmepumpenheizungswelt investieren mussten.

Bleibt nur zu erwähnen, dass die chinesische Behörde für nukleare Sicherheit kürzlich eine zehnjährige Betriebsgenehmigung für den Prototypen eines experimentellen Thorium-Kernreaktors mit geschmolzenen Salzen erteilt hat. Dies ist Teil einer weltweiten Revolution im Bereich der zivilen Kernenergie. China errichtet seinen ersten Thorium-Kernreaktor mit geschmolzenen Salzen in der Wüste Gobi, 110 Kilometer von Wuwei entfernt, und investiert dafür 535 Millionen Euro. Man beachte: Millionen, nicht Milliarden.

Die „Giga-Manie“ der deutschen Energiepolitik ist so Gaga, dass mir als Fachmann die Worte fehlen und ich vom Kopfschütteln ein Schleudertrauma befürchte.

Foto: Pixabay

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Boris Kotchoubey / 23.06.2023

Das verstehe ich nicht: “bis 2045 /muss/ ein „Zubaunetz“ mit einer Länge von 25.723 km errichtet werden ... Kostenpunkt 251,3 Milliarden Euro.” Das bedeutet 9,8 Millionen Euro pro km. Und dann plötzlich: “Ich habe die Zahl von 1,5 Millionen Kilometer Niederspannungsnetze im Kopf. Kostenpunkt grob geschätzt 500 Milliarden Euro.” Das macht aber nur 333 Tausend Euro / km. Warum fast 30 Mal billiger?

Lao Wei / 23.06.2023

Narren sterben niemals aus, oder darf man gleich Idio… sagen? Nicht nur 习 近平 (Xi Jinping) kommt vor Lachen nicht in den Schlaf, wenn man sieht, was in diesem Land passiert. Deutschland hat fertig. Endgültig!

Helmut Driesel / 23.06.2023

  Ich denke, die realistischen Planungen werden sich auf maximal das Doppelte der gegenwärtig installierten Leistung beschränken. Die großspurigen wenn nicht größenwahnsinnigen Ankündigungen derzeit werden still im Sande verlaufen. Das wird ganz einfach daran liegen, dass Investitionen immer unrentabler werden und der erzeugte Strom einen Großteil der Nutzungszeit weder verbraucht noch gespeichert werden kann. Man muss kein Studium der Naturwissenschaften hinter sich haben, um als Investor die Rentabilität von mit Millionen Kosten geplanten Energieanlagen einzuschätzen, dass können Schuljungen ausrechnen. Das wird noch viel schlimmer, wenn der Staat einmal schlecht bei Kasse sein wird, also wenn der Außenhandel lahmt und die Konjunktur nachlässt und die Agenten der Großaktionäre Steuersenkungen fordern. Da glaube ich eher an den Aufschwung der rein private Nutzung eigener Solarzellen. Ob damit auch richtig Industrie betrieben werden kann, ist auszuprobieren. Vielleicht kriegen wir wieder so eine Art Manufaktur-Wirtschaft, die es am Anfang der Industrialisierung gab. Damit kann auch Bedarf gedeckt werden. Solange nicht gleichzeitig gegen asiatische Billigimporte gekämpft werden muss. Deswegen bin ich für Einfuhrgenehmigungen, flächendeckend.

Nate Green / 23.06.2023

Der Hauptunterschied zwischen China und der BananenRepublikDeutschland besteht darin, dass in China ein Grossteil der Bevölkerung noch arm ist, und die Regierung ihre Legitimation daraus bezieht, dass sie diesen Zustand zumindest in eine Art gemässigten Wohlstand verwandeln will. Dafür braucht man billige Energie und die Thorium-Reaktoren versprechen in der Hinsicht eine interessante Alternative zu sein. Im Teutonenland hingegen ist die Regierung bestrebt, den noch vorhandenen Wohlstand brutal umzuschichten und mit dem Vorwand des “Klimaschutzes” die grösste finanzielle und soziale Umverteilung aller Zeitung in Gang zu setzen, bei der konsequent Wohlstand und Lebensqualität von unten nach oben transferiert wird. Es geht letztlich nicht um Energie, Effizienz oder den Quatsch mit dem Klimaschutz. Das Ziel ist allein die Bereicherung der oberen 10 % auf Kosten der restlichen 90 %. Der deutsche Wohlstand wird eliminiert, der Mittelstand abgewickelt und 90 % der Bevölkerung werden da landen, wo die Mehrheit der Chinesen heute noch ist: In einer totalitären Armutsgesellschaft in der das Velo der Gradmesser der physischen wie sozialen Mobilität ist. Nur ist im Neuen Deutschland anders als in China Armut der neue Reichtum. Die Bevölkerung bekommt eine lebenslange Hungerkur verpasst während die grüne Nomenklatura die sich bereits jetzt durch einen auf Kosten der Allgemeinheit angefressenen Speckwanst auszeichnet, demonstrativ ihre Adiposität zur Schau stellt. Unter diesem Aspekt ist das Motto “Teuer aber überflüssig” nur konsequent. Denn letztlich soll das Land nichts weiter werden als eine grün angestrichene Version von Pol Pots Volksrepublik Kampuchea. Nur hat die Mehrheit der Deutschen immer noch nicht kapiert dass der Zug nicht ins Wiwawunderland fährt, sondern wieder einmal nach Auschwitz. Nur dass es eben diesmal in erster Linie die Deutschen selbst treffen wird.

Steffen Huebner / 23.06.2023

Um die Kosten mache ich mir keine Sorgen. Selbst wenn es Billionen sind: schon vor 2045 wird jeder Bürger mit solchen Beträgen seine täglichen Einkäufe erledigen.

Bernhard Freiling / 23.06.2023

Geld ist in dem Zusammenhang meine letzte Sorge. Die von Ihnen unterstellten 750 Mrd. x 2, für neue Kraftwerke, macht, weil es sich leichter rechnen läßt, rd. 1,6 Billionen €. Geteilt durch 20 Jahre = 80 Mrd. € pro Jahr, geteilt durch 80 Millionen Einwohner = 1.000 € pro Kopf und Jahr. Die leiern die “uns” ganz locker alleine mit der CO2-Abgabe aus dem Kreuz. # Der Skandal ist, daß sich der angestrebte Zweck mittels der einzusetzenden Technik nicht erreichen läßt. Das Geld wird also sinnlos verschwendet worden sein. Ganz im Sinne grüner Vordenker. # Abgesehen davon: Deutschland stellte mehrfach unter Beweis, “keine Großprojekte zu können”. BER = Verdreifachung der Bauzeit. Stuttgart 21 = dto. Rheintalbahn von Karlsruhe nach Basel, für 275 km: Planungsbeginn 1985, Fertigstellung 2041!!! Diese grünen Spinner werden uns bis ins 22. Jahrhundert hinein Säcke voller Licht in fensterlose Gebäude schleppen lassen. Es ist zu befürchten, daß “wir” dies auch tun werden. # M.E. ein Indiz dafür, daß das Alles nix mit CO2 oder Klima zu tun hat. Das ist der Racheakt von Kommunisten, die den Untergang der DDR nicht verwinden konnten und ihn der BRD in die Schuhe schieben. Merkel und die Grünen - diese als Mißgeburt der DDR-finanzierten DKP und des KBW - kommen aus demselben Stall. Der Juso Scholz ging bei den DDR-Obermuftis ein und aus. So fand und findet Alles zusammen. Ziel ist die rückstandsfreie Auflösung der Bundesrepublik Deutschland. Die Erfüllung des Traumes, Polen möge an die Niederlande und an Belgien grenzen. Nicht mehr lange hin und die Weichen werden irreversibel gestellt sein. # Warum mich das überhaupt noch interessiert, da ich doch in einem “hunderttausende von km entfernten” Land lebe? Ich habe “mich aus Deutschland rausgekriegt”. Aber ich kriege Deutschland nicht aus mir raus.

Eberhardt Feldhahn / 23.06.2023

Schleudertrauma?? Ich hab ekne Gehirnerschütterung.

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