Für 1,50 Euro pro Haushalt im Monat sei die Energiewende zu haben. Wer sollte da nicht zugreifen? So träumte der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) öffentlich noch im Sommer vergangenen Jahres, in den Vorjahren war sogar einmal von einem Euro die Rede. Auch der amtierende Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) kam damals auf einen ähnliche Schätzung, wenn auch mit einer gewissen Unsicherheit nach oben und unten.
Mal eben den Umbau der gesamten Energieversorgung des langjährigen Exportweltmeisters stemmen? Peanuts! Kein Wunder, dass bei solchen Zahlen die Zustimmung zum Atomausstieg leicht fiel. Welch eine Hybris im Spiel mit der Weltanschauung bei den Grünen, welch eine unkritische Anbiederung bei den anderen Parteien im Bemühen, den Anschluss an den neuen Zeitgeist nicht zu verpassen.
Die Bundesnetzagentur kommt jetzt mit anderen Zahlen: Die Erhöhung der Ökostromumlage, also der Preis, den die Stromkunden an diejenigen zahlen, die an der Energiewende verdienen, wird ab Januar kommenden Jahres 50 Prozent ausmachen, was für einen dreiköpfigen Haushalt Mehrkosten von durchschnittlich 60 Euro pro Jahr ausmachen dürfte, also nicht 1,50 Euro im Monat, sondern über vier Euro. Wohlgemerkt: Die Rede ist von der Erhöhung, die allein im kommenden Jahr ansteht, Fortsetzung folgt. Die Energiewende läuft noch ein paar Jahrzehnte. 1,50 Euro? Hohe zweistellige Beträge sind da unterm Strich wahrscheinlicher, wenn nicht dreistellige.
Natürlich rechnen jetzt die Grünen anders. Man dürfe eben nicht so viele Ausnahmen zulassen, Befreiungen etwa von der Besteuerung des Stroms bei energieintensiven Betrieben. Zum einen aber wäre dadurch wenig geholfen, denn wenn die betriebe aufgrund unserer horrenden Energiekosten abwandern, fallen sie als Zahler für die Ökostromumlage komplett aus. Der wird ja produziert, so oder so, Energieeinspeisegesetz sei Dank. Zum anderen haben auch die Grünen nichts dagegen, bestimmte Gruppen von den horrenden Strompreiserhöhungen zu verschonen: Diejenigen nämlich, die ihn sich nicht oder nur schwer leisten können. Die Akzeptanz der Energiewende soll ja
schließlich gewahrt bleiben. Die Zahl der Haushalte, denen der Strom abgeschaltet wird, weil sie die Rechnung nicht bezahlt haben, wächst jetzt schon, mal sehen, wie dies nächstes Jahr weitergeht. Wer aber soll für diesen Ausfall aufkommen? Richtig, die anderen Verbraucher. Können wir etwa so die 1,50 Euro halten? Würde man den Ausgleich aus Steuergeldern finanzieren, wäre es lediglich ein Etikettenschwindel. So viel steht fest: Hartz 4 wird allein deshalb erhöht werden müssen.
Die Zahlen der anstehenden Strompreiserhöhungen im kommenden Jahr waren noch nicht mal bekannt, als in diesem Sommer übrigens bereits die Zustimmung zur Energiewende zu bröckeln begann. Beim ARD-Deutschland-Trend kam im Juni heraus: Eine Mehrheit von 53 Prozent ist dafür, dass die Bundesregierung den Ausstieg aus der Atomenergie verschiebt, um einen allzu drastischen Strompreisanstieg zu vermeiden. Nur noch 42 Prozent wollten an der Wende festhalten, egal zu welchem Strompreis. Ein Jahr zuvor waren noch satte 65 Prozent bereit, mehr für den Strom zu bezahlen. Diese Zeiten sind vorbei. Und sie werden auch dann nicht wiederkommen, wenn bestimmten Wählerschichten die Erhöhung erspart wird. Strom wird für breite Bevölkerungskreise zum Luxusgut avancieren. Kaum anzunehmen, dass die Zustimmung zur Energiewende wieder steigen wird.
Wenn es wenigstens etwas nutzen würde. Doch wie die Schildbürger, die zuerst das Dach bauten, und sich dann fragten, wo denn die Wände hin sollten, installieren die Deutschen flächendeckend Solarpanele und überziehen das Land mit einem Wald von Windrädern, bevor sie jetzt feststellen, dass der Strom durch Leitungen transportiert werden muss. Und die großen Trassen von Nord nach Süd, die dafür nötig sind, werden noch geraume Zeit fehlen, womöglich noch Jahrzehnte.
Es kristallisiert sich heraus, dass die Deutschen sich von ihrer eigenen unhinterfragten Euphorie in eine unfruchtbare Hektik haben treiben lassen, mal wieder. Mit dem erklärten Anspruch, Vorbild für die ganze Welt zu sein (das geflügelte Wort, mit dem man dies umschreiben könnte, will ich mir hier ersparen). Niemand hätte etwas einzuwenden gehabt, wenn der Umbau in die nachfossile Energieversorgung mit Augenmaß geplant worden wäre. Viele Gründe, globalstrategische, ökologische, vielleicht auch klimatische sprechen dafür. Die Angst, die Panikmache, mit der wir dies begründet haben, vor uns und vor der ganzen Welt, war und bleibt ein schlechter Ratgeber.
Auch bei anderen, benachbarten Feldern zeichnet sich ab, dass die Politik sich allein von Hektik, nicht von Vernuft hat leiten lassen, etwa beim Thema Gebäudedämmung, wo sich nicht nur die gesundheitlichen und die architektonischen Zweifel bestätigen, sondern sich nun sogar herausstellt, dass die Dämmung am Ende in vielen Fällen den Heizenergieverbrauch erhöht statt ihn zu senken.
Noch werden sie wie die Unantastbaren behandelt, von den Medien, von der Politik, auch von weiten Kreisen der Wirtschaft, diejenigen, die grundsätzlich zwar in die selbe Richtung gehen wollen, die aber zu Mäßigung aufrufen, die auch mit wissenschaftlichen Beiträgen darauf hinweisen, dass der Weltuntergang nicht unmittelbar bevorsteht, darauf, dass das Klima auch von anderen Motoren als vom menschengemachten Kohlendioxid beeinflusst wird. Doch auch das dürfte sich ändern. Alles spricht dafür, einen kühlen Kopf zu bewahren, und manches nochmal mit Vernunft neu zu starten.
Zuerst erschienen auf Ulli Kulkes blog bei der WELT