Peter Grimm / 02.07.2018 / 11:30 / Foto: Bundesarchiv / 21 / Seite ausdrucken

Endspiel im deutschen Staatstheater

Deutschlands Politik ist noch zu Innovationen fähig. Zwar leider nicht mehr, wenn es um die Schaffung gedeihlicher Rahmenbedingungen für Wirtschaft und ideologiefreie Wissenschaft geht, um gute Bildungseinrichtungen oder Erhalt und Modernisierung der Infrastruktur, dafür aber beim eigenen Auftritt.

Im deutschen Staatstheater werden derzeit Inszenierungen geboten, die die deutsche Nachkriegspolitik noch nicht kannte. Wie in einer gedehnten Fernsehserie schaffen es die Hauptdarsteller Angela und Horst, eine Geschichte, die eigentlich schnell erzählt sein könnte, über Wochen, vielleicht sogar Monate und etliche Folgen so publikumswirksam auszudehnen, dass selbst ob der Länge der Aufführung genervte Zuschauer gespannt auf die Fortsetzung warten.

Würde an diesem Staatstheater nicht auch noch ein konkretes Land hängen, in dem viele drängende Probleme schnell gelöst werden müssten, damit das Gemeinwesen nicht Schiffbruch erleidet, dann könnte man entspannt Bier und Chips kaufen gehen, um heute abend die nächste Folge des Bundesregierungs-Showdowns zu verfolgen. Die Fußball-WM hat ja für viele deutsche Zuschauer nach dem Ausscheiden der „Mannschaft“ deutlich an Reiz verloren, da könnte man stattdessen doch dem Endspiel Horst gegen Angela entgegenfiebern, wenn nicht die Überforderung der deutschen Institutionen durch die fortgesetzte und weitgehend unkontrollierte Zuwanderung immer ernstere Folgen hätte. Ob man nun diese Überforderung schon Staatsversagen nennt oder noch nicht, ist dabei vollkommen unerheblich.

Dies führt beim Publikum, das nicht erst seit dieser Regierungskrise ums Land besorgt ist, verständlicherweise für Verunsicherung. Diese Verunsicherung sehen die Bürger wiederum von Politikern und Meinungsbildnern wild in die eine oder andere Richtung interpretiert.

Kanzlerinnendämmerung oder Durchhalteparolen?

Ohne den ernsten Hintergrund existenzieller Probleme im Lande könnte man sich auch viel stärker dem Unterhaltungswert so mancher Kommentare in den deutschen Leitmedien hingeben. Bis dato war immer klar, dass die Kanzlerin für das offene und gute Deutschland steht und das Land weiter führen würde, während alle Kritiker ihres Willkommens-Kurses als Ewiggestrige galten, die keine Chance haben dürften, das Schicksal des Landes mitzubestimmen. Ebenso gehörten nach dieser Lehre beispielsweise alle Gegner der sogenannten Energiewende als „Klimaleugner“ aus dem politisch-medialen Raum exkommuniziert.

Diese klare Orientierung geht manchen verdienten Medienarbeitern gerade verloren. Muss man sich jetzt vielleicht angesichts einer aufziehenden Kanzlerinnendämmerung neu orientieren oder mit Durchhalteparolen auf den Sieg im Endspiel setzen, weil den Merkel-Gegnern im eigenen Lager weiterhin die letzte Ration Courage zum offenen Aufbegehren fehlen wird?

Für Freunde besonders kurioser Weltsichten bei Leitmedien-Journalisten, für die eine Zeit nach Merkel kaum vorstellbar ist, lieferte Kai Gniffke, der Leiter von ARD-Aktuell, mit seinem Tagesthemen-Kommentar am Sonntagabend einen Leckerbissen. Endlich sei der störende Innenminister zurückgetreten, sagte er. Das könnte eine „Befreiung“ sein, freute er sich und malte ein Bild der politischen Welt, als würde die Koalition nach einem Rücktritt Seehofers zur Tagesordnung übergehen können und weiterwursteln wie bisher. Staunend fragte man sich, ob diese gebührenfinanzierte Geistesleistung einfach nur irre ist, oder ob der verdiente Berichterstatter über ganz besondere Informationsquellen verfügt, die ihn ahnen lassen, dass die CSU zum politischen Selbstmord bereit wäre.

Letztlich kommt am Ende dieser Serie irgendwann das Endspiel, auch wenn es dem Staatstheater noch ein paar Stunden, Tage oder Wochen gelingen mag, es etliche weitere Folgen lang zu strecken. Jede Einigung, die auf Formelkompromissen beruht, ist ein Merkel-Sieg und wird die CSU bei der Landtagswahl im Herbst teuer zu stehen kommen. Und ohne eine öffentliche Demütigung der Bundeskanzlerin kann es wiederum keinen Sieg der CSU mehr geben. Man kann sich noch eine Weile mit immer größerem Theaterdonner um die Entscheidung herum mogeln. Irgendwann kommt sie. Spätestens, wenn irgendwo wieder die Wähler an die Urne dürfen.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

Foto: Bundesarchiv CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

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Leszek Kolakowski / 02.07.2018

Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten haben sich gewandelt. Aus Lieferanten von gut recherchierten Nachrichten hin zu Vorlesern von dpa Kurzmeldungen und verbreitern der Meinung von fürstlich bezahlten Intendanten mit offenkundigen Partei Interessen. Dieser mittlerweile geflügelte Begriff von “betreutem Denken” nimmt hier und da schon Orwellsche Züge an. Und die Privatsender? Die machen Fernsehen für Menschen die “... ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm, die immer noch gerne auf dem Sofa sitzen, sich zurücklehnen und gerne unterhalten werden wollen”, wie Thomas Ebeling vor seinem Rauswurf realitätsnah erklärte.

Armin Hoffmann / 02.07.2018

Mit welcher Frechheit die GEZ Medien die Sachlage verdrehen und CSUler diffarmieren, das ist schon heftig ... Wie treffend wurde seinerzeit formuliert : “In der BRD wird das Volk mit teils raffinierten, teils brutalen Herrschaftsmethoden unterdrückt und seine Interessen werden mißachtet. In den Zeitungen, im Rundfunk und im Fernsehen werden täglich Faschismus und Militarismus, Mord und Verbrechen verherrlicht und verharmlost. Der Imperialismus braucht die Verrohung und Verdummung der Menschen, damit sie seine räuberischen und verbrecherischen Ziele unterstützen. Die BRD ist ein Staat der Unmenschlichkeit, der geistigen Unfreiheit und Unterdrückung des fortschrittlichen Denkens. In diesem Staat werden ständig grundlegende Rechte und Freiheiten des Menschen verletzt, um die kapitalistische Klassenherrschaft zu erhalten.” Zitat aus dem 7. Klasse Schulbuch Staatsbürgerkunde, Berlin, 1979, S. Seite 102

Wilhelm Lohmar / 02.07.2018

Da Sie - völlig richtig - die Situation als Staatstheater bezeichnen, möchte ich nur einwerfen, daß bis zum 28. Oktober (hessische Landtagswahl) wohl nur Theaterdonner geboten werden wird

Michael Blum / 02.07.2018

Wahlen? Dürften so ziemlich bald ausgesetzt werden bis sich alles soweit stabilisiert hat, dass die Siegerin von vornherein feststeht.  Merkel wird mit Hilfe der ihr nibelungentreuen Medien erst den den Notstand ausrufen, dann den Erdogan machen und schließlich zur ersten Kalifin Deutschlands erhoben.

Hans Weiring / 02.07.2018

Seehofer sollte Rückgrat beweisen, nicht zurücktreten, sondern sich lieber feuern lassen. Ein Koalitionsbruch wäre die logische Konsequenz. Im Gegensatz zu den um ihr Pöstchen zitternden wirbellosen Politikschleimern hätte dann wenigstens mal jemand Rückgrat bewiesen. In diesen Zeiten wäre allein das schon ein Hoffnungsschimmer. In einem hochkarätigen Online-Medium wird heute ein Umfrageergebnis in die Welt geblasen, das eine klare Mehrheit für Seehofers Rücktritt zeigt. Wie viele Befragte den Rücktritt aus Zustimmung zu Seehofers Standpunkt gutheißen, ist nicht ersichtlich. Das ist mal wieder qualitativ hochwertige Hilfestellung zur Meinungsbildung des Bürgers.

Eva-Maria von Hauff / 02.07.2018

Danke für Ihren Kommentar zu Kai Gniffkes unterirdischen Äußerungen in den “Tagesthemen”. Mit welcher Süffisanz er einen Rücktritt bejubelt hat, der gar nicht stattfand, war schon sehenswert, und seine Analyse „Seehofer und Söder machen Politik nach ihrem persönlichen Hormonhaushalt“ entsprach wohl eher seiner eigenen Verfassung. Auf weitere tiefgründige Kommentierungen bei ARD dürfen wir gespannt sein.

Beatrice Schönleber / 02.07.2018

In den Jahren der Abkanzelschaft von Merkel habe ich nie verstanden, wie es ihr immer wieder gelingen konnte, gestandene Männer zum Rücktritt zu ‘bewegen’. Selbst zwei Staatsoberhäupter zählen zu ihren Trophäen. Sei’s drum - nun also der Seehofer. Warum läßt der sich nicht entlassen, indem er seiner Weisungsbefugnis gegenüber der Bundespolizei nachkommt? Denn er und nicht die Abkanzlerin hat die Weisungsbefugnis. Die könnte ihn daraufhin nur entlassen. Das wäre doch der größte Sieg für die CSU. Warum macht der Seehofer das nicht?

Fritz Kolb / 02.07.2018

Die Kontrahenten beschäftigen sich momentan ausschließlich mit sich selber. Bei Bezug voller Diäten. Der Deutsche Bürger sitzt im Publikum und fühlt sich je nach Mentalität und Bildungsstand verarscht, missbraucht, gegängelt, geärgert und von Laiendarstellern bespielt. Die allerdings kurz vorher noch, sozusagen in reiner Luft, ihre Diäten und Parteizuwendungen erhöht haben. Unisono. Eine klare Rechtslage wird von Ideologen und EU-Protagonisten ignoriert, die Folgen der hemmungslosen Migration argumentativ kleingerechnet. Milliardenkosten ebenfalls, die lt. Schäuble und Maas allerdings den Biodeutschen keinesfalls fehlen. Der „Steuerdepp“ zahlt ja brav weiter die Rechnung. Und dann noch, sozusagen als Begleitmusik, die öffentlich rechtlichen Pharisäer. Wer denen noch irgendetwas abnimmt, dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen. Resümee: für die Bevölkerung wären Neuwahlen der einzig faire Weg, für die Politdarsteller allerdings in weiten Teilen der Rollenverlust. Und deshalb wird das Rumgewurstel weitergehen. Ich hoffe auf die passende Quittung bei den anstehenden Wahlen, und zwar eindeutig und ausgesprochen deftig.

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