Thilo Spahl, Gastautor / 28.03.2017 / 06:15 / Foto: USDOD / 9 / Seite ausdrucken

Endlagersuche: The show must go on

Von Thilo Spahl.

Ein geeignetes Endlager ist für deutschen Atommüll nicht gut genug. Das hatte man mit Gorleben ja schon. Zumindest nach Auffassung des Bundesamtes für Geowissenschaften und Rohstoffe, der geologischen Fachbehörde des Bundes. Da man aber den armen Menschen, die Jahrzehnte lang gegen Gorleben protestiert haben, nicht zumuten kann, dass sie es umsonst gemacht haben, fangen wir jetzt noch einmal von vorne an. Vorgesehen sind eine mehrphasige Suche nach einem Standort mit "bestmöglicher Sicherheit" und eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit.

Das Ganze darf und soll sich ziehen. Erst mal bis 2031. Bis dahin will man sich nach einem passenden – pardon: bestmöglichen – Örtchen umschauen. Dann geht es weiter mit geologischen Analysen, Genehmigungsverfahren, Bürgerbeteiligung und Klageverfahren, die laut einem Gutachten der Endlagerkommission des Bundestags beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen dürften, so dass ein Endlagerstandort erst in den Jahren 2088 bis 2096 feststehen könnte. Danach soll gebaut werden, bis dann der Müll so in etwa 100 Jahren tatsächlich unter der Erde wäre. Was aber wahrscheinlich nicht passieren wird. Denn darum geht es gar nicht.

Bei der Endlagersuche in Deutschland ist offensichtlich der Weg das Ziel. Indem man statt nach einem geeigneten Endlager nach einem mit „bestmöglicher Sicherheit“ sucht, muss man sich keine Sorgen machen, das Ziel irgendwann erreicht zu haben. Denn letztlich kann man sich ja nie sicher sein, das Bestmögliche gefunden zu haben. Genau darum geht es. Man möchte das Thema noch möglichst lange auskosten.

Keine technische Frage, sondern eine gesellschaftliche?

Die Endlagersuche ist nach Auffassung der Politik nämlich keine technische Frage, sondern eine gesellschaftliche. Das macht sie so kompliziert. Umweltministerin Hendricks formulierte es so: „Wir alle zusammen müssen uns auf den Weg machen, einen jahrzehntelangen Konflikt unserer Gesellschaft zu lösen.“ Und würdigte ausdrücklich jene, die halfen und helfen, die Show am Laufen zu halten: „Der friedliche Protest gegen die Atomenergie zählt für mich zu den großen Leistungen der Demokratie in Deutschland.“ Wäre doch schade, wenn diese Protestleistung nach dem Atomausstieg nicht noch irgendwie am Leben erhalten werden könnte!

Ihre Kollegen wollten ihr im Aufbauschen nicht nachstehen. Winfried Kretschmann bekräftigte, dass es sich um eine „epochale Aufgabe“ handele, um das „schwierigste Infrastrukturprojekt in der Geschichte unseres Landes“. Steffen Kanitz (CDU/CSU) legte noch einen drauf und sprach von einer „Menschheitsaufgabe“.

Das ist wahrlich zu hoch gegriffen. Die Realität ist weit profaner: Die angeblich offene Endlagerfrage ist ein großes Theater, mit dem seit Jahrzehnten der Mythos von den enormen Lasten der Kernenergie für nachfolgende Generationen gepflegt wird. (Laut Hendricks werden mehr als 30.000 Generationen „noch von den Folgen der Atomtechnologie betroffen sein“. Und, man stelle sich vor: Seit Christi Geburt seien dagegen nur 60 Generationen vergangen).

Unsere Kinder werden den Kopf schütteln

Es ist aber schlicht absurd, zu behaupten, ein bisschen strahlender Abfall würde die Menschheit für Jahrhunderte und Jahrtausende beschäftigen oder gar bedrohen. Über solchen Unsinn werden unsere Kinder den Kopf schütteln oder schmunzeln, unsere Enkelkinder erst recht. Von den Menschen im Jahr 2.100, 3.000 oder 10.000 ganz zu schweigen. Glaubt Frau Hendricks im Ernst, in 200 Jahren würde man sich dankbar an die Großtaten früherer Umweltminister erinnern, die dafür gesorgt haben, dass ein paar Fässer an dem besten aller möglichen Orte verbuddelt wurden? Nein, das glaubt sie nicht. Die Zukunft ist ihr fern. Sie interessiert sich dafür, wie sie hier und heute punkten kann. Und Atomangst läuft immer noch super.

Atommüll ist keine Menschheitshypothek, sondern ein wertvoller Rohstoff. Denn er enthält noch etwa 98 Prozent der potenziell nutzbaren Energie. Unsere Nachfahren werden garantiert nicht so dumm sein, ihn dauerhaft rumliegen zu lassen. Sie werden ihn verbrennen. In Schnellspaltreaktoren, wie sie heute schon in Betrieb sind. Oder in Flüssigsalzreaktoren und anderen neuen Reaktortypen, die gerade entwickelt werden. Mehr dazu hier und hier.

PS: Aus Atommüll kann man auch bemerkenswerte Diamant-Batterien herstellen, wie Forscher der University of Bristol kürzlich gezeigt haben.

Thilo Spahl ist Diplom-Psychologe und lebt in Berlin. Er ist freier Wissenschaftsautor und Mitgründer des Freiblickinstituts. Dieser Beitrag erschien zuerst auf Novo-Argumente.

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Leserpost

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Ralf Schneider / 28.03.2017

Im Beitrag “Die Neuerfindung der Kernenergie” (siehe Link) steht: “...Rund 10 Milliarden müssen fließen, bevor ein marktfähiger Prototyp fertig ist…” - und:  “...Und selbst die erste Hürde von 15 bis 20 Mio. für die Simulationsstudien scheint bereits sehr hoch…”. An dieser Stelle erscheint ein Blick auf die Stromkosten lohnenswert, welche aufgrund der “Energiewende” durch den Verbraucher in Deutschland zu schultern sind. Sie liegen lt. “Handelsblatt v. 11.10.16” bei 28 Mrd. €/Jahr. Und jede neue WKA führt zu weiteren Kostensteigerungen für den Verbraucher. Momentan werden diese 10 Mrd. € binnen rd. 4,2 Monaten aufgebracht (bzw. “zweckentfremdet”). - Und wenn die Kosten für KKW’s eines der neuen Typen bei 100 Mrd. liegen - dieser Betrag wäre in weniger als 4 Jahren “gegessen”. - Auf der anderen Seite sieht man aber auch gut, um welche Beträge es sich handelt, um die eine Windkraftlobby und ihre politischen Verbündeten zu kämpfen bereit sein werden. - Ebenso, welcher Faktor zu “Phänomenen” wie der Ausbreitung der Armut in Deutschland beiträgt. Ein Sachverhalt, welcher von geneigten Parteien viel stärker thematisiert und mit Zahlen belegt werden sollte, welche bei der nächsten Bundestagswahl antreten…

Michael Jansen / 28.03.2017

Seit mindestens 50 Jahren haben wir das pseudoreligiöse Mantra verinnerlicht, dass wir mit unserem Atommüll für mindestens eine Million Jahre oder zigtausend Generationen die Welt verseuchen. Durch das ewige Wiederholen wird diese Weisheit inzwischen auch von fast der gesamten Bevölkerung geglaubt, was den unangenehmen Nebeneffekt hat, dass es nahezu unmöglich sein dürfte, irgendwo in Deutschland noch ein längerfristiges Zwischenlager oder gar ein Endlager zu errichten. Dabei ist den meisten wohl entgangen, dass es erstens einer gehörigen Portion an Größenwahn bedarf, den Müll für eine Million Jahre sicher lagern zu wollen, und dass man die technischen Fähigkeiten der Menschen wohl arg unterschätzt, wenn man ihnen nicht zutraut, in nicht allzu ferner Zukunft das Problem auf chemisch-physikalischem Weg zu lösen. Man muss doch nur mal etwa zweihundert Jahre zurück schauen und sich die technischen Fortschritte seit der Zeit vor Augen halten (damals gab es aber natürlich noch nicht die rot-grüne “gegen alles”-Bewegung).

Hans Theodor Bicking / 28.03.2017

Die “Endlagerfrage”, typisch Deutsch übrigens, ist keine technische. Sie ist eine ideologisch religiöse Frage. Diesmal nicht auf tausend Jahre, sondern auf eine Million, mithin auf Ewigkeit angelegt.

Fritz Gran / 28.03.2017

Herr Spahl, sie haben mir aus dem Herzen geschrieben. Das Foto dazu ist der Knaller! Man glaubt es einfach nicht, wieviel Dummheit und Ignoranz in unserem Land aus unseren Steuern finanziert werden. Mit freundlichen Grüßen!

Oliver Bender / 28.03.2017

Ich kann die Absichten der Umweltministerin nicht einschätzen. Aber sicher kann ich sagen, dass die Asse sich als fatale Entscheidung für ein Versuchsendlager erwiesen hat. Salzstöcke sind keine gute Wahl für Endlager, egal was ein politisch gesteuertes Amt befindet. Dass diese nicht per se glaubwürdig sind, wissen wir spätestens seit der Flüchtlingswelle. In die Zukunft kann ich auch nicht schauen. Es mag sein, dass der Atommüll später als Rohstoff gesehen wird. Wie gut, wenn er dann ordentlich verbracht wurde! In unserer Gegenwart interessiert sich die Industrie nicht für die Rückgewinnung von Rohstoffen. Dazu verweise ich auf den Engpass der Seltenen Erden, der von China herbeigeführt wurde. Selbst in dieser Zeit lief keine Wiederververtung von z.B. Mobiltelefonen, stattdessen starten Projekte, den Tiefseeboden abzuschöpfen. Atommüll ist gegenwärtig der gefährlichste Abfall für die gesammt Fauna; nicht nur wegen der Strahlung sonder auch wegen der enomen Toxitität. Das sind die Fakten und daraus ergibt sich nunmal eine jahrtausend andauerende Gefahr. So sehr ich auch die skeptische Haltung der Achse zum Mainstrem schätze, kann ich in Hinsicht auf die Atomindustrie die Argumente nicht teilen.

Martin Schmitt / 28.03.2017

... vor allem aber, Herr Spahl, dürfte es um den schnöden Mammon gehen. Ein neues Erkundungsverfahren läßt Raum für neue Gutachten, Beratungsmandate und Ähnliches, vorzugsweise zu erbringen von politischen Freunden, Verwandten, gerne auch Firmen im eigenen Wahlkreis. Es ist für alle Beteiligten also ein Win- Situation. Alle? Nicht alle, einer muß es ja bezahlen. Aber der dumme Steuerzahler wird sowieso nicht gefragt.

Axel Heinz / 28.03.2017

Wohlgeschrieben ! Für alle die, die statt dem Bauch lieber ihrem Kopf das Denken überlassen ... ... und das ganze etwas vertiefen möchten, dem sei das Buch “Das Märchen von der Asse, Gorleben und anderen Endlagern” von Hermann Hinsch empfohlen. Der Autor ist Physiker und ein ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bergwerks Asse. Also mal zur Abwechslung jemand, der unbestreitbar Fachwissen mitbringt.

Rudi Knoth / 28.03.2017

Zitat:“PS: Aus Atommüll kann man auch bemerkenswerte Diamant-Batterien herstellen, wie Forscher der University of Bristol kürzlich gezeigt haben.” Dies gilt aber nicht für unseren Atommüll. In den Leichtwasserreaktoren ist nicht Graphit sonder Wasser der Moderator. Also kann man dieses Verfahren nicht für unseren Atommüll anwenden.

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