Ulrike Stockmann / 29.06.2019 / 06:22 / Foto: Achgut.com / 57 / Seite ausdrucken

EMMA-Karikaturistin mit Rückgrat

Stellen Sie sich folgende Karikatur vor: Mutter und Tochter stehen vor einem Laden mit dem Titel „Muslima-Shop Fatima. Schicke Mode“. Im Schaufenster werden folgende Gewänder präsentiert: „Modell Ankara“: Kopftuch mit Mantel und bodenlangem Rock. „Modell Sudan“: Nikab. „Modell Afgania“: Schwarze Burka. „Modell Berlinia“: Kopftuch für Kleinkinder. Die Tochter sagt zur Mutter: „Tja, Berlin ist multikulturell geworden, Mutti! Wir sind heut nicht mehr so intolerant wie deine Generation in den Fünfzigern …“ Neben ihnen hat eine muslimische Familie – Vater mit verschleierter Frau, Sohn und ebenfalls verschleierter Tochter – die Auslagen des Ladens bereits in die Tat umgesetzt.

Finden Sie das komisch? Ich schon. Tragikomisch. Hier wird aus meiner Sicht demonstriert, was gute Satire ausmacht: Die Misslichkeiten des Alltags werden gekonnt auf die Spitze getrieben, sodass die furchtbarsten Sachen ihre Absurdität enthüllen. Auf diese Weise kann man selbst über die Dinge lachen, die eigentlich zum Heulen sind. Ich finde darin die Situation in meiner Heimatstadt Berlin perfekt auf den Punkt gebracht. Besagter Cartoon ist eine der vielen wunderbaren Zeichnungen der EMMA-Karikaturistin Franziska Becker (*1949).

Diese erhält heute vom Journalistinnenbund die Hedwig-Dohm-Urkunde für ihr Lebenswerk. Becker behandelt in ihren treffenden Karikaturen den Geschlechterkampf, wirft einen kritischen Blick auf die moderne Frau, karikiert Abtreibungsgegner sowie fundamentale Christen und generell alles, was einen unaufgeklärten und überreligiösen Eindruck erweckt. Und macht auch nicht vor dem radikalen Islam halt. Beziehungsweise dem Islamismus, wie sie es nennt

Mit ihrer Haltung dürfte sie typisch für eine Vertreterin der sogenannten zweiten Welle des Feminismus sein. „Ich habe mich über alle lustig gemacht und über alle gespottet“, sagt Becker. Seit über vierzig Jahren zeichnet sie für die EMMA und andere Publikationen, darunter SternTitanic und der Kölner Stadt-Anzeiger. Eine Frau, die sich augenscheinlich verdient gemacht hat, sollte man meinen.

Vorhersehbar und unverbesserlich

Doch im Vorfeld der Preisverleihung gab es reichlich Unruhe: Politisch-korrekte Stimmen sehen in Beckers Zeichnungen wie der oben beschriebenen eine Verunglimpfung von Muslimen. Die „Netzaktivistin“, taz- und Missy-Magazin-Autorin Sibel Schick holte gleich zum Rundumschlag aus: Die Arbeit Beckers sei „frauenfeindlich“ sowie „islamfeindlich-rassistisch“ und fördere „Gewalt gegen Frauen“. Sibel Schick wurde 1985 in Antalya geboren und lebt seit 2009 in Berlin. In diesem Artikel charakterisiert sie gemeinsam mit Tebessüm Yılmaz die „konservative Politik“ Erdogans als Bedrohung für den Feminismus. Das AKP-Regime lehne die Emanzipation der Frau ab und versuche, Frauen auf ihre Rolle in der Familie zu reduzieren. Es ist mir ein Rätsel, wie Schick mit dieser Haltung dazu kommt, Franziska Becker derart zu attackieren. Sie müsste eigentlich die Erste sein, die der Künstlerin applaudiert. Doch leider ist Schick dieser Widerspruch noch nicht aufgefallen.

Auch Jakob Augstein meldete sich zu Wort und lieferte ein ebenso vorhersehbares wie unverbesserliches Statement: „Karikaturen sind dann gut, wenn sie die Großen klein machen – nicht, wenn sie auf die treten, die ohnehin unten sind. Darum waren auch die antimuslimischen Charlie-Hebdo-Karikaturen schlecht. Es geht um die Machtfrage.“

Diese Aussage ist gleich dreifach bedenklich: Erstens wirkt es sehr ironisch, wenn ausgerechnet ein Meinungsmacher, also ein „Mächtiger“ sich über „Machtfragen“ auslässt. Zweitens erscheint es hochmütig und gönnerhaft, dass Augstein „die Muslime“ allesamt als bemitleidenswerte Menschen abstempelt, die „ohnehin unten sind“. Und drittens sieht es so aus, als unterstelle seine Charlie-Hebdo-Einlassung, die Macher hätten mit ihren Karikaturen den islamistischen Anschlag auf das Satiremagazin 2015 regelrecht provoziert – und verdient.

Stand die Ehrung Beckers auf der Kippe?

Diese zwei Reaktionen möchte ich an dieser Stelle als Beispiele für die Beißreflexe stehen lassen, die mitunter zutage treten, wenn jemand die Chuzpe hat, den Islam zu kritisieren. Im Grunde sind die Äußerungen Schicks und Augsteins zu erwarten gewesen und nicht weiter verwunderlich. Sie sind Symptome der Identitätspolitik und damit ideologischer Natur.

Gleichzeitig sollte man bedenken, dass es in der heutigen Zeit nahezu unmöglich ist, jemanden mit einem Kunstwerk zu schockieren. Das 21. Jahrhundert hat im Grunde schon alles gehört, gesehen und erfahren. Somit verdienen Franziska Beckers Cartoons eine besondere Aufmerksamkeit.

Denn wie kommt es, dass zwar entlarvende, aber im Grunde harmlose Karikaturen heutzutage zu einem derartigen öffentlichen Ärgernis mutieren? Immerhin kündigte der Journalistinnenbund im Vorfeld an, sich hinsichtlich der Aufregung intern zu beraten. Ganz, als hätte die Ehrung Beckers wegen der Angriffe auf der Kippe gestanden.

Die eigene Furcht vor dem radikalen Islam

Der Tatsache, dass Islamkritik einen großen Teil der Linken und damit bedeutende Kreise der Öffentlichkeit regelmäßig auf den Plan ruft, können aus meiner Sicht folgende Ursachen zugrunde liegen: Einerseits ist die vielzitierte Diversitäts- und Gleichstellungspolitik lediglich Camouflage. Die Empörten glauben eben nicht an die Gleichberechtigung von Minderheiten wie den Muslimen. Denn sonst würden sie ihnen nicht nur die gleichen Rechte, sondern auch die gleichen Pflichten zubilligen. Und die Pflicht, sich (Religions-)Kritik zu stellen, ist ein unabdingbares Element, will man in einer modernen Gesellschaft ernst genommen werden und wirklich gleichberechtigt sein. Diejenigen, die es à la Augstein für nötig halten, Muslime positiv zu diskriminieren, glauben gerade nicht an deren Ebenbürtigkeit. Sie halten es für geboten, ihnen von oben herab Schwäche und Unmündigkeit zu attestieren.

Andererseits gesteht sich wohl das politisch-korrekte Lager die eigene Furcht vor dem radikalen Islam nicht ein. Stattdessen wird mit dem pauschalen Angriff auf alle Islamkritiker ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet. Kompensation statt Konfrontation. Doch eine fundamental gelebte Religion ist kein Kindergeburtstag, gleich welcher Art. Verdrängung hilft hier nicht weiter. Genau in diese Wunde legt Franziska Becker ihren Finger: „Ich finde, Satire muss sehr weit gehen. Die darf eigentlich alles und muss gut sein. Man hat mir unterstellt, ich würde nach unten treten. Es ging in den Bildern aber nicht um arme unterdrückte Musliminnen, sondern um eine Weltideologie mit 1,6 Milliarden Mitgliedern. Die Extremisten unter ihnen bekämpfen ziemlich aggressiv die sogenannten Ungläubigen und versuchen, ganze Staaten zu unterwandern. Da sollten wir sehr genau hinsehen.“ 

Das sollten wir in jedem Fall. Religionsfreiheit darf nicht Unfreiheit von anderen sein. „Wehret den Anfängen!“, warnt Alice Schwarzer zu recht, als sie ihre Karikaturistin vehement verteidigt. Wie es aussieht, ist sie bislang die Einzige, die offiziell für Franziska Becker in die Bresche springt. Warum tun wir uns nur so schwer damit, für unsere Werte und Ideale einzustehen?

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Arnd Siewert / 29.06.2019

Die Linken haben keine Werte sondern sind mit Machtgier bereit alle Werte durch Ideeologie auszurotten - da ist der Islam ein guter Verbündeter…..

Andreas Günther / 29.06.2019

“Andererseits gesteht sich wohl das politisch-korrekte Lager die eigene Furcht vor dem radikalen Islam nicht ein. Stattdessen wird mit dem pauschalen Angriff auf alle Islamkritiker ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet. Kompensation statt Konfrontation.” Gut auf den Punkt gebracht! Aber um ehrlich zu sein: Wenn ich mir die wütenden Angriffe, meist zum Glück nur verbal, die während des “Marsches für das Leben” auf die Lebensschützer, d.h. Abtreibungsgegner, niedergehen, so ansehe, weiß ich selbst nicht so genau, wo der Gegner steht. Und auch bei der “Ehe für alle” eint mich deren Ablehnung mit den Muslimen. Es gibt also durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den Gläubigen, sofern Christen ihre Aufgabe nicht in erster Linie politisch sehen (s. evangelischer Kirchentag).

Arnd Siewert / 29.06.2019

Foltern, martern, töten - alles im Namen von Religionsns-FREIHEIT-blabla babka ( Unterwerfung )  jede die es wagt ..... und der verblödete (habekoide) Goodhuman jubelt der Burka/Kopftuch zu. Warum Aufregung über die Gewalt des Katholizismus? Wahnsinn in Tüten für 100€...... Grün ist Farbe des Islam…...

Bernd Zeller / 29.06.2019

Der Konsens in Satire/Kabarett ist: “Wir machen nichts gegen die niederen Kulturen, nichts gegen die unteren Rassen.”

Chris Groll / 29.06.2019

Ja es ist so, Islamkritik ist in jeder Weise unerwünscht und stempelt alle zu “Rechten” ab. Frau Alice Schwarzer musste das ja wohl auch schon erfahren. Die politisch korrekte Linke ist absolut islamaffin . Kommt wohl auch daher, dass mittlerweile die meisten Parteien muslimisch unterwandert sind.

Rolf Lindner / 29.06.2019

Jacob Augstein scheint mehr und mehr durchzudrehen, wie die linksgrüne Journaille überhaupt . Er veröffentlicht schon Fahndungsfotos von ihm missliebigen Politikern. Dabei dauert es noch eine Weile bis zu den Landtagswahlen im September. Wenn die Augsteins und Co. das linkspopulistische Geschäft in dieser Art weiterbetreiben, werden sie sich möglicherweise im September die Augen reiben müssen. Positive Diskriminierung ist eine mir gefallende Beschreibung von mehreren Aktionen, deren Betreiber meinen sich für Diesen und Jenen einsetzen zu müssen, aber in Wirklichkeit nur ihre Macht im Sinn haben.

Belo Zibé / 29.06.2019

Ich habe eben den tweet von Sibel Schick und besonders das Gezwitscher darunter gelesen.Spontan fiel mir eine modifizierte Strophe des Liedes «Alle Vögel sind schon da» aus Kindertagen ein: Amsel,Drossel, Fink und Meise und die ganze Vogelsch…...e. Es ist halt einfacher und erfolgsversprechender ,  sexy Berliner Maulaffen feilzuhalten, als in der Türkei, im Iran oder Saudi Arabien die Rechte für Frauen,Homosexuelle,Menschenrechte oder Religionsfreiheit-Freiheit einzufordern.  Besonders eindrücklich sind aber die Bemühungen Jakob Augsteins , dem Synonym für Selbstdemontage , Ramschniveau zu erreichen.

Frank Volkmar / 29.06.2019

Egon Schieler@ : Es gibt “den politischen Islam” nicht, es gibt nur den Islam. Übersetzt, meint er “Unterwerfung”, jedenfalls wird er so gelebt und das im Prinzip bedingungslos, denn der Koran ist das direkte Wort Allahs.

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