Amokalarm in Berlin Grundschule, ein Anwohner will gesehen haben, wie zwei bewaffnete Männer in eine Berliner Grundschule gelaufen wären. Solche Informationen werden durch die Polizei sehr ernst genommen. Am 26. April 2001 erschoss beispielsweise der 19-jährige Robert Steinhäuser im Erfurter Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen. In Winnenden tötete der 17-jährige Tim Kretschmer 15 Menschen an der Albertville-Realschule. Nach einer mehrstündigen Flucht töte sich am 11. März 2009 der Amokläufer selbst. Die Bezeichnung „Amok“ ist aus dem malaiischen „Amuk“ abgeleitet und bedeutet „wütend, rasend“. Dabei geht es oftmals darum, so viel wie möglich Menschen in den Tod zu befördern. Im Gegensatz zum politisch und religiös motivierten Terrorismus gibt es bei Amoktätern vorwiegend Gründe aus der verletzten/gekränkten Beziehungsebene. Mischformen sind zukünftig nicht auszuschließen und die Kategorisierung beider Begriffe im Fluss. Bei Amokläufen handelt es sich fast immer um Einzeltäter, von Ausnahmen einmal abgesehen.
Um ähnlich hohe Opferzahlen in der Zukunft zu vermeiden, wurde für solche Einsätze die Polizeitaktik in Deutschland grundlegend überarbeitet. Die sofortige Bekämpfung des bzw. der Täter(s) hat oberste Priorität, alle anderen Maßnahmen müssen nachrangig sein, um Menschenleben zu retten. Bei Amokläufen werden innerhalb nur weniger Minuten viele Menschen verletzt und getötet, dabei nehmen viele Täter billigend in Kauf, selbst erschossen zu werden. Die polizeiliche Erfahrung besagt, solange der Täter nicht gesichert ist, vollbringt dieser weiterhin sein mörderisches Werk, um so viel wie möglich Menschen ins Jenseits zu befördern.
Demzufolge handelte die Berliner Polizei. Die Schulleitung wurde informiert, die löste einen Amokalarm aus. Die Schüler verschlossen richtigerweise die Türen und verbarrikadierten sich im Klassenzimmer. So sehen es die Notpläne vor.
Die Polizei rückte an, und die ersten eintreffenden Kräfte begaben sich sofort auf die aufwendige Tätersuche, währenddessen andere den Tatort weiträumig absperrten um ein unübersichtliches Chaos zu vermeiden, ein Durcheinander, das es Tätern zusätzlich ermöglichen würde, weitere Menschenleben zu gefährden und/oder unerkannt zu entkommen.
Verführt, Kriminalitätserscheinungen auszublenden
Es ist verständlich, dass Kinder in solchen Ausnahmesituationen Angst bekommen und dass Eltern sich berechtigterweise große Sorgen um ihre Zöglinge machen.
Ich kann nur jeder Schule empfehlen, im Vorfeld das Thema mit den Schülern und Eltern zu besprechen, das gehört genauso dazu, wie ein Alarmierungstraining bei einem Feueralarm. Schulleitungen, die das unterlassen, da sie der Meinung sind, solche angstbesetzten Themen auszublenden, um Kinder und Eltern nicht zu „verstören“, werden nach einem tatsächlichen Alarm (selbst wenn es ein Fehlalarm war) viel größere Probleme mit der Nachbereitung bekommen. Angsterkrankungen und posttraumatische Belastungsstörungen sind dann vermehrt möglich. Da in Deutschland aber angeblich jeden Tag alles „noch sicherer“ wird, ist man allzu leicht verführt, Kriminalitätserscheinungen auszublenden. Tritt das Problem dann einmal tatsächlich auf, ist niemand darauf mental vorbereitet und Panik bricht aus.
Erst recht, wenn sich Eltern beklagen:
Ayten O.: „Die Polizei hat vieles falsch gemacht. Die Stimmung an der Absperrung war sehr aggressiv, weil die Eltern nicht informiert wurden.” Es seien kaum arabisch oder türkisch sprechende Polizisten vor Ort gewesen, um die aufgebrachten Eltern zu beruhigen.
Wer es in der dritten türkischen Generation oder nach 20 Jahren Aufenthalt in Deutschland immer noch nicht geschafft hat, sich der deutschen Sprache zu bemächtigen, ist selbst das Problem. Mangelnden Integrationswillen auf die Polizei abzuschieben oder dafür den Staat verantwortlich zu machen, deutet auf eine gestörte Erwartungshaltung und verminderte Eigenverantwortung hin.
Polizisten sind keine Sozialingenieure
Aber selbst wenn die Polizei mit arabisch oder türkisch sprechenden Beamten vor Ort gewesen wäre, wäre die Information an die besorgten Eltern in der Abarbeitung der Prioritätenliste der Polizei unter „ferner liefen“ platziert gewesen. Die Sicherung des Täters und Tatortes zur Rettung von Menschenleben hat immer Vorrang.
Freilich erschwert ein mangelnder Integrationswille das systematische Vorgehen der Polizei zusätzlich. Polizisten sind keine Sozialingenieure, sondern dafür ausgebildet, Gefahren für Leib und Leben abzuwehren. Gerade die soziale Kompetenz der Polizei in Deutschland muss dabei weltweit als vorbildlich betrachtet werden. Die türkische oder saudi-arabische Polizei hätte mit Sicherheit weniger „Verständnis“ für aggressive Eltern in der Nähe des Tatortes aufgebracht. Wer anderer Meinung ist, kann das gern einmal in arabischen Ländern versuchen.
Abschließend bleibt mir die Bemerkung: Die Berliner Polizei hat bei diesem Amokalarm alles richtig gemacht.
Steffen Meltzer, Polizeibeamter und Sachbuchautor von „Schlussakkord Deutschland – Wie die Politik unsere Sicherheit gefährdet und die Polizei im Stich lässt“