Elon Musk hat sich in die Debatte um illegale Migration eingebracht und damit wieder einmal die heftigsten Reaktionen ausgelöst. In Deutschland rufen linke Aktivisten zu seiner Enteignung und zum X-Boykott auf.
Wie sich die Bilder gleichen. Der Zustrom illegaler Migranten ist sowohl in Europa als auch in den USA komplett außer Kontrolle geraten. Hier anlandende Boote und Schlepperschiffe, dort durchs jahreszeitlich bedingt flache Wasser des Rio Grande watende Gruppen, die von der mexikanischen zur texanischen Seite des Flusses wollen. Die politischen Einschätzungen der Lage gleichen sich ebenso. Die Schnittstellen des Influx (Italien, Texas), wo die Probleme augenscheinlich sind und von den Bürgern hautnah erfahren werden, sind auf beiden Seiten des Atlantiks eher konservativ regiert, die politischen Entscheider in Brüssel, Berlin und Washington definitiv nicht. Und während die einen überall Asylberechtigte, Klimaflüchtlinge und Familien sehen, denen man Hilfe schulde, sehen die anderen, wie ihre Kommunen und deren Strukturen unter dem Ansturm junger Männer aus dem Süden zusammenbrechen.
Man muss kein blauhaariger Linksextremist sein, um zu verstehen, warum sich jemand aus Afrika oder Lateinamerika auf den Weg nach Europa oder in die USA macht. Doch selbst wer kein Hotel auf Lampedusa oder eine Ranch bei El Paso hat, deren Zäune nachts niedergerissen werden und über deren Land sich ein Elendstreck ins Hinterland ergießt, sollte erkennen, dass so was kein Dauerzustand sein kann. Sowohl in Europa wie in den USA hat sich nun Elon Musk in die Diskussion eingebracht. Für die europäischen Bewahrer des Fluchtnarrativs genügte schon ein Post auf X, um sie an den Rand des Wahnsinns zu befördern. In den USA musste Musk einige hundert Meilen zur Grenze fahren, um diesen Effekt zu erzielen.
Eagle Pass heißt die besuchte Stadt und ist einer der Migrations-Hotspots an der mexikanischen Grenze. Musk wurde begleitet von Tony Gonzales, dem Abgeordneten im Repräsentantenhaus für diesen Bezirk. Ebenso anwesend: Ronaldo Salinas, der Bürgermeister der Stadt, der vor laufender Kamera in Musks Livestream gewissermaßen einen „Merz-Moment“ hatte, als er berichtete, dass die einzige Klinik in seiner 30.000-Seelen-Gemeinde durch den Ansturm der Migranten völlig überlastet sei, was zulasten der einheimischen Bürger ginge. Im Gegensatz zu Merz hat Salinas allerdings Rückgrat und ruderte nicht zurück.
„Ungefilterter Blick“ auf die Probleme
Kleinere Medien wie „The Hill“ berichteten recht neutral über Musks Besuch. Man wollte die Sache offensichtlich nicht zu hoch hängen, aber auch nicht verschweigen. Nichts hingegen war zu finden auf CNN, nichts in der NYT, nichts in der Wapo. Dass sich jemand leibhaftig in die Problemzone begibt, welche von den für die Probleme Verantwortlichen so erfolgreich umklingelt, aber gemieden wird, möchte man lieber nicht kommentieren. Das hieße, im Wahlkampf Öl ins Feuer zu gießen.
Der Bürgermeister von Eagle Pass beschreibt die Situation an der US-Grenze nach Mexiko in etwa wie folgt: täglich bis zu 11.000 illegale Grenzübertritte. Das sind nur die, die gezählt werden. Dunkelziffer unbekannt. Identifizieren könne sich so gut wie keiner der Grenzgänger, sie kämen aber aus buchstäblich aller Herren Länder und man wisse nichts über sie. Typen mit eindeutigen Gang- und Knasttattoos stellten sich als unbescholten dar. Gewiss, viele fliehen vor der Armut in ihren Herkunftsländern, was jedoch kein Asylgrund ist. Nicht wenige seien aber auch auf der Flucht vor der Justiz – und wir reden hier ausdrücklich nicht von politischer Verfolgung. Seit drei Jahren verdopple sich die Anzahl der illegalen Migranten jedes Jahr, und ein Ende sei nicht in Sicht.
Musk streamte seinen Grenzbesuch auf X und erklärte, er wolle einen „ungefilterten Blick“ auf die Probleme werfen. Für solchen „Bürgerjournalismus“ möchte er X zunehmend verwendet wissen und geht mit reichweitenstarkem Beispiel voran: 100 Millionen Views sind eine Größenordnung, die von klassischen Medien heute längst nicht mehr erreicht wird. Allerdings gibt es keinen Mangel an Augenzeugenberichten von den Hotspots der Migration, weder in Europa noch in den USA. Es bedarf aber leider des Bekanntheitsgrades eines Elon Musk, um die Filter der Berichterstattung zu durchbrechen. Ayanna Pressley, Abgeordnete aus Pennsylvania und Mitglied der vermeintlich „progressiven“ Gruppe namens „The Squad“, ist immer noch der Meinung, dass die Außengrenze zu Mexiko sicher sei. Das konnte selbst der ihr wohlgesonnene CNN-Moderator Jake Tapper kaum glauben.
Aus der Opferrolle gefallen
Bühnenreif war indes die Reaktion von Pressleys Squad-Kollegin AOC. Zur Erinnerung: Das war jene fotogene Aktivistin, die 2018 perfekt ausgeleuchtet und im schneeweißen Hosenanzug Krokodilstränen vor einem Zaun in Texas vergoss. Stichwort „Kids in Cages“, gemeint waren jene Einrichtungen, in denen minderjährige, unbegleitete Migranten untergebracht wurden. AOCs Protest richtete sich damals gegen Trump, der die Einrichtungen jedoch schließen wollte. Errichtet wurden sie von Obama, Biden betreibt sie weiter.
Jetzt richtet sich der Zorn von Ocasio-Cortez nicht gegen die Zustände an der Grenze, sondern gegen den Abgeordneten Gonzales, der bei Musks Grenzvisite auf einem Foto zusammen mit diesem im Auto sitzt.
„What’s funny about this photo? The House is holding important votes in DC tonight, people are scrambling to avoid a shutdown, but this Republican Congressman decided to skip town to joyride with a billionaire when his own party has just a single-digit margin and needs his vote.“
Was wohl heißen soll, man habe in D.C. gerad Wichtiges zu tun, nämlich die Anhebung der Schuldenobergrenze durchzusetzen, und der feine Kollege aus Texas habe nichts Besseres vor, als mit einem Milliardär auf Vergnügungsfahrt zu gehen.
Wer kennt sich nicht, die Vergnügungsfahrten an eine Grenze, die gerade von einer Elendskarawane förmlich überrannt wird. Da ist wohl jemand etwas aus der Rolle gefallen. Und zwar der Opferrolle, in der sich Ocasio-Cortez, die selbsternannte Advokatin aller „LatinX“ sonst so wohl fühlt. Sie will die Bürokratie in Washington und all ihre woken kleinen Geldverschwendungsprojekte retten, ihr Kollege befasst sich auch mal mit echten Problemen. Auf die Frage der Medien, ob AOC denn vorhabe, selbst wieder an die Grenze zu reisen – und sei es nur für die schönen Fotos –, weicht sie aus. Man plane das aber „ganz fest“. Irgendwann mal.
Signal-Rausch-Verhalten
Die Wirkung Elon Musks auf die auf endlos gestellten Migrationswellen nach Europa und in die USA ist schon bemerkenswert. Wie bei einem Katalysator scheint schon seine Anwesenheit oder flüchtige Aufmerksamkeit zu genügen, um die heftigsten Reaktionen zu provozieren. In Deutschland rufen linke Aktivisten zu seiner Enteignung und zum X-Boykott auf und „fliehen“ in Scharen zum neuen Netzwerk „Blue Sky“ (nachdem sie gerade still und leise von Mastodon zurückgekehrt sind, wohin sie flohen, als Musk Twitter kaufte). Fluchtursache: mangelnde Zensur.
In den USA verrutschen den aktivistischsten Politikern sogar die als Heiligenschein getragenen humanistischen Narrative! Warum nur musste dieser lästige Multimilliardär seine Aufmerksamkeit auch ausgerechnet auf dieses Problem lenken! Er hätte Medien finanzieren oder kaufen können wie Bloomberg oder Bezos. Er hätte wie Bill Gates sein können, ein Misanthrop mit Gottkomplex, der die Erde für überbevölkert hält und sich als Philanthrop tarnt. Er hätte sich auch die Veränderung des Gesellschaftssystems auf die Fahnen schreiben und eine… nennen wir sie mal „Open Society Foundation“ gründen können, um mit deren Geldern US-Wahlen auf der Ebene der Staatsanwaltschaften zu drehen oder als Erdöl-Milliardär wie die Gettys den Kleber der „Letzten Generation“ bezahlen. Doch Musk musste ja eine frei zugängliche Informationsplattform kaufen und die Zensur dort einschränken, statt diese zu verfeinern und unter der Observanz der Geheimdienste zu lassen. Er hätte die ganze Welt impfen, auf links drehen oder zum Zusammenbruch bringen können, solange er nur nicht versucht, sie zu befreien!
Die ganze Dünnhäutigkeit der Medien und der Politik gegenüber Musk erklärt sich also nicht aus seinem Reichtum oder dem Einfluss, den er aus dieser Macht für sich selbst ableitet. Vergleicht man ihn mit Marc Zuckerberg, der über ein weit größeres und auch valideres Medienimperium verfügt, den das Establishment jedoch für weit weniger bedrohlich hält, fällt ein Unterschied auf. Die Ziele von Meta und X unterscheiden sich erheblich. Nichts fasst das besser in Worte als ein Tweet von Elon Musk aus dem letzten Jahr.
„Je besser das Signal-Rausch-Verhältnis bei Twitter wird, desto irrelevanter werden herkömmliche Nachrichten.“
Signal-Rausch-Verhalten also. Das Verhältnis von Wesentlichem zu Unwesentlichem, die Trennung von Information und Störung. Welche Macht in der Fähigkeit liegt, das Rauschen im Verhältnis zum wesentlichen Signal beliebig hochfahren zu können, konnten wir im Live-Experiment während der großen Covid-Verwirrung hautnah verfolgen. Die wesentlichen und validen Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Lockdowns, Masken und der Impfkampagnen lassen sich in einer knappen Stunde zusammenfassen. Der Rest war Panikrauschen der absichtsvollen Sorte „Gestehe, bekenne, fürchte dich, folge den Anweisungen und stell keine Fragen!“.
Eine Neutralitätspflicht, von der sonst niemand nix weiß
Nicht anders verhält es sich mit dem Grundrauschen, das Medien und Politik in Deutschland und den USA über die Migrationskrise verbreiten. Da ist von Klimaflüchtlingen die Rede, die es nicht gibt. Da wird Schuld an Kolonialisierung beschworen, die seit 50 Jahren Geschichte ist. Da wird von Asylsuchenden gesprochen, die schon per Definition kein Asyl erhalten können. Da werden Bilder von Familien und Kindern absichtsvoll zusammengeschnippelt, wo fast ausschließlich junge Männer ankommen. Womit wir beim Stichwort wären: „Ankommende“… so lautet das neueste verharmlosende Framing in der ARD. Als handele es um Passagiere eines ICE, die es mit drei Stunden Verspätung von Kassel endlich nach Hannover geschafft haben.
Die bisher letzte Stufe des Wahnsinns zündet stellvertretend für das woke Empörium Jan Philipp Albrecht von der Grünen Böll-Stiftung, der bei Musk irgendeine Neutralitätspflicht entdeckt haben will, von der sonst niemand nix weiß:
„In der Causa #Musk/@X geht es nicht um seine Meinungsfreiheit, sondern um die Neutralitätspflichten für ihn und seine Plattform, die einen freien Wettbewerb von Akteuren und Meinungen gewährleisten. Es braucht hier behördliches Eingreifen zum Schutze dieser gesetzlichen Pflichten.“
Vom grünen Feldherrenhügel ist leicht schwätzen über Gesetze, die es nicht gibt und freien Wettbewerb, der einem bei der Erreichung der eigenen Ziele herzlich egal ist. Die Antwort der (im Musk’schen Sinne) Bürgerjournalisten kam prompt in Form der sogenannten „Community Notes“, also Faktenchecks, die nicht von staatlich finanzierten NGOs, sondern den Nutzern von X zusammengetragen werden.
„Elon Musk hat auch als Eigentümer der Plattform X das Recht, dort frei seine persönliche Meinung zu äußern. Insbesondere unterliegt er als Privatperson keinen (gesetzlichen) Neutralitätspflichten, weder in den USA, noch in der EU oder in Deutschland. gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html“
Gelegenheit für behördliches Eingreifen zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten gäbe es dennoch reichlich. An der Grenze von Texas zu Mexiko zum Beispiel oder auf den Schlepperrouten im Mittelmeer.
Roger Letsch, Baujahr 1967, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, als dieses noch in der DDR lag und nicht so hieß. Lebt in der Nähe von und arbeitet in Hannover als Webdesigner, Fotograf und Texter. Sortiert seine Gedanken in der Öffentlichkeit auf seinem Blog unbesorgt.de