Seit jeher haben sich die Oberhäupter, Kaiser und Könige, Präsidenten und Bürgermeister, gern als Bauherren verewigt. Der Beständigkeit von Stein und Beton vertrauten sie mehr als der ihrer politischen Hinterlassenschaft. Aufgegangen ist die Rechnung nicht immer, aber doch oft genug, um Nachahmer auf den Plan zu rufen.
Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhundert scheuten große Teile des deutschen Adels keine Verschuldung, um es dem König von Frankreich nachzutun. Die prachtvollen Anlagen von Versailles werden für immer mit dem Namen von Ludwig XIV. verbunden bleiben. Die Architektur steht im Rang eines Denkmals. Gleiches gilt für das Pariser Centre Pompidou, benannt nach dem Präsidenten, der die Errichtung des konstruktivistisches Bauwerks 1969/70, noch im ersten Jahr seiner Amtszeit, veranlasste.
Sich in einem vergleichbaren Ruhm zu sonnen ist den Deutschen selten gelungen, nicht in der jüngeren Vergangenheit. Seit Jahren wird vor den Toren Berlins an einem Flughafen gewerkelt, von dem Klaus Wowereit einmal gehofft haben mag, er würde seinen Namen neben dem von Willy Brandt in die Zukunft tragen. Bereits 2011und schließlich 2012 sollte der Airport eröffnet werden, hätte man im Rausch der Vorfreude auf die große Sause zu Einweihung nicht vergessen, hinter die Fassaden zu schauen. Weil es dort keinen funktionierenden Brandschutz gab, musste die Party ins Wasser fallen, die Schampus wieder vom Eis genommen werden.
Wesentlich besser lief es da schon bei Ole von Beust in Hamburg. Zwar kostete sein Prestigeobjekt, die Elbphilharmonie, am Ende die stolze Summe von 866 Millionen Euro, mehr als das Zehnfache der anfangs veranschlagten Kosten, doch konnte das Konzerthaus 2017 wenigstens eröffnet werden, wenn auch provisorisch, wie jetzt herauskommt. Dabei hatte der Erste Bürgermeister der Stadt bis zu seinem Rücktritt 2010 stets auf die Qualität der Ausstattung gesehen. Auf der Anschaffungsliste standen zum Beispiel Klobürsten, das Stück für 291,97 Euro; jeweils 651,00 pro Stück sollten die Klorollen-Halter kosten.
Hier hört man nichts!
Ästhetisch weniger anspruchsvolle Beamte haben diese Pläne nachher durchkreuzt. Abgesenkt wurde der Glamour in den Toiletten. Insgesamt aber blieb es bei dem Konzept der architektonischen Gigantomanie. Der Konzertsaal misst gute dreißig Meter in der Höhe - mehr als der Akustik und damit dem eigentlichen Zweck des Hauses zuträglich ist.
Ein einmaliges, ganz eigenes Musikerlebnis bietet es nur denen, die auf den verschachtelten Ebenen des Saales weiter hinten sitzen, dort, wo es stiller und stiller wird, weil die Stimmen der Sänger nicht mehr zu hören sind, der Klang der Instrumente eher vereinzelt als im Zusammenspiel durchdringt. „Hier hört man nichts“ schallte es erst unlängst Jonas Kaufmann aus der Tiefe des Raums entgegen. „Fragen sie den Architekten“, donnerte der Tenor zurück, seinerseits genervt von der Enge der Bühne, die er sich mit dem Orchester teilen musste.
Bei einem nächsten Konzert gingen die Sänger dann kurzerhand hinter dem Orchester in Stellung, damit ihre Stimmen auch jene erreichten, die sonst nichts zu hören bekommen. Not macht erfinderische; Provisorien kaschieren den Mangel. „Ist die Elbphilharmonie noch zu retten“ titelte der FAZ am vergangenen Samstag.
Hatte Joachim Gauck bei der Eröffnung der „Elphi“ noch von einem „Amphitheater der Tonkunst“ geschwärmt, zeigt sich nun, nach dem Abschwellen des befeuerten Jubels, dass sie kaum mehr ist als ein dilettantischer Versuch politischer Bauherren, sich architektonisch zu verewigen: hübsch anzuschauen und äußerlich beeindruckend, aber denkbar ungeeignet für den vorgeschoben Zweck.
Als Potemkinsche Kulisse ist sie für den Stil bundesdeutscher Prestigebauten so beispielhaft wie der ewig unfertige Berliner Airport oder Stuttgart 21, wenn das Projekt denn jemals zu Ende geführt werden sollten. Allesamt Blendwerke, die keinem Vergleich standhalten mit Bauten, wie sie Ludwig XIV. oder Georges Pompidou ihrem Land hinterließen.
PS. Unterdessen sind bereits innenarchitektonische Nachbesserungen, Umbauten der Elbphilharmonie zur Verbesserung der Akustik im Gespräch. Doch selbst davon, dämpfen Fachleute die Erwartungen, wäre nicht mehr als eine durchschnittliche Klangqualität zu erwarten. Die Hoffnung, dass die „Elphi“ unter die Top ten der Konzertsäle aufrücken könnte, haben international erfahrene Musiker wie Marek Janowski oder Peter Ruzicka längst aufgegeben. Was sich dagegen mit Sicherheit erreichen ließe, wäre das akustische Niveau von Honeckers „Palast der Republik“, einem mittlerweile entsorgten Baudenkmal des real existierenden Sozialismus. Doch selbst dafür müssten wohl weitere Millionen aufgewendet werden. Am Ende könnte sich der Gesamtaufwand der Milliardengrenze nähern. Viel Geld für wenig Kultur.