In meiner Kindheit der 50iger/60iger Jahre im Osten habe ich eine straff organisierten Unterricht erlebt mit zum großen Teil ambitionierten Lehrern, Frontalunterricht und Leistungskontrollen. Zu Hause hatte ich Eltern und Großeltern, die aus dem Proletariat stammend, sich aus eigenem Antrieb ständig weitergebildet haben, belesen waren und mir Zugang zu ihrem, zugegeben leinen Bücherschrank ermöglicht und mich in der Kinderbibliothek angemeldet haben. Ich habe in Brehms Tieleben ebenso gestöbert wie in Reiseberichten aus anderen Kontinenten und bin mit dem Lexikon aufs Klo gegangen. Auch 30 cm Schiller, 50 cm Goethe und 1 m Marx, Engels und Lenin fehlten nicht. Hat mich aber mit 10 Jahren nicht so interessiert. Die Lehrer haben damals mit den Eltern zusammen gearbeitet. Kleine Lerngruppen außerhalb des Unterrichts gab es ebenfalls, in denen gute Schüler den Schwächeren geholfen haben. Bei einem Klassentreffen mit den GrundschulkameradInnen (es war wirklich eine reine Mädchenklasse) stellten wir fest, dass alle ihren Weg gemacht haben, selbst ehemals schwächere Schülerinnen konnten zeigen, dass sie nach nach Berufsausbildung und Wendeumorientierung einen festen Stand im Berufsleben erreicht haben und erfolgreich waren. Eltern und Lehrer haben Anregungen gegeben und Neugierde geweckt, Leistung eingefordert und relativ gerecht benotet. Warum man so ein Erfolskonzept verlassen hat, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben.
Jegliche Schulform hat ihre Nachteile. Das Problem der Schulen mit Frontalunterricht war schon von jeher und ist bis heute das, dass sich je nach Unterricht die Schüler in drei Gruppen einteilen. Die einen sind diejenigen Schüler, denen der Stoff im entsprechenden Fach sehr leicht fällt, sie langweilen sich und sind unterfordert. Für die zweite Gruppe passt das Lerntempo, während die dritte Gruppe irgendwann hoffnungslos abgehängt ist. Und je nach Begabung sind das durchaus nicht immer die gleichen Schüler in verschiedenen Fächern. Das führt dann dazu, dass ein erheblicher Teil der Schüler tatsächlich frustriert ist, wegen Unter- oder Überforderung und die Eltern zu Hause ausgleichen müssen, was die Schulform nicht leisten kann. Die von Ihnen beschriebene Schulform, die Gemeinschaftsschule, fängt tatsächlich durch Individualisierung die beschriebene Problematik auf, die es übrigens schon immer gab, schon lange vor der Massenmigration. Die Gemeinschaftsschulen schaffen im Ergebnis Schüler, die tatsächlich in jedem Fach an ihrer oberen Leistungsgrenze sind und in der Lage sind, sich Materialien selbständig zu erarbeiten. Das ist absolut wünschenswert! Was ich nicht verstehe ist, warum Sie, Frau Witt den erwähnten Julian nicht einfach unterstützt haben, als er offenbar Hilfe brauchte? Offenbar war es ja so gedacht, dass Sie als Lehramtsstudentin vor Ort praktische Erfahrung sammeln sollten, anstatt Däumchen zu drehen und nachher abwertende Artikel über etwas zu schreiben, was Sie ganz offensichtlich nicht wirklich verstehen? Natürlich könnte man Gemeinschaftsschulen mit mehr Personal ausstatten, dann würde das Konzept nochmals erheblich effektiver sein, aber dazu wende man sich bitte an die Politik!
Liebe Frau Witt, bleiben Sie in dem Beruf und machen Sie das, was ich auch unserer Tochter geraten habe. Passe dich an bis zur Verbeamtung, aber ändere dich nicht. Und danach ziehe deinen Stil durch. Es erfordert allerdings ein gewisses emotionales Stehvermögen, um die dabei erfolgenden Anpssungsversuche durch Schulleitung und Kolleginnen auszuhalten. Leistungsvergleich am Ende jeden Schuljahres wird dann zeigen, welcher Unterrichtsstil der erfolgreichere ist. Untersuchungen stehen jedenfalls auf Ihrer Seite. Diese zeigten nämlich zwei Dinge: Je höher der Migrationsanteil, desto besser funktioniert Frontalunterricht. Und diese jetzt oft praktizierte Form des Unterrichts, Schüler helfen Schülern, führt zu etwas bessern Leistungen bei den schlechten, aber verhindert eine Förderung der leistungsstarken Schüler. Diese Angleichung ist zwar ideologisch gewollt, aber dadurch zukünftig fehlende Eliten verhindern den Fortschritt. Wohin das führt, wird uns immer wieder durch die sozialistischen Menschenversuche vorgeführt.
Liebe Luise, unser Sohn ist an einer freien Schule in Sachsen, die weitgehend nach diesem System unterrichtet. In der Sekundarstufe 1 kommt Frontalunterricht hinzu, als Input sozusagen, aber großen Freiarbeitsanteilen mit eben diesen Arbeitsblättern. In den höheren Klassen bis zum Abitur - wir haben alle Abschlüsse im Angebot - nimmt das selbständige Lernen wieder zu. 32 Schüler je Altersgruppe, 2 Gruppen. An der GS 2 Lehrern je Gruppe. Ab 5. Klasse zunehmend Fachlehrerprinzip, 1 Lehrer a 16 Schüler. Ich habe ein sehr differenziertes Bild vom Erfolg dieser Lernform gewonnen. Wir haben wie freie Schulen in Sachsen häufig viele Integrationsschüler. Unser Kind ist diagnostizierter Asperger, dh wir kämpfen sowieso an allen Fronten und so auch Vollzeit-Integrationslehrer (Unterrichtsbegleitung, eigene I-Stunden) erkämpft. Unser Sohn benötigt nun in der 8. Klasse keinen Schulbegleiter mehr. Wir und andere Eltern haben einen wahren Horror hinter uns. Vor der Aspergerdiagnose in der 3.Kl. und Anlaufen der Schulbegleitung hat unser Sohn praktisch nichts gelernt. Totalrückzug bis hin zur Depression. Notbremse, Klinik, Diagnose. Anderen Kindern, die dann manchmal einen I-Status bekommen haben, weil sie nicht aufmerksam, motivierbar, fleißig und unkreativ (!) genug sind, ist dieses System haben es ähnlich schwer. Wir haben unseren Sohn mit 5 Mitschülern mit und ohne I-Status die 4.Kl. wiederholen lassen, wo ein Integrationslehrer ihnen Lesen, Schreiben, Rechnen beigebracht hat. Dank guten Klassenlehrern in der S1 hat der Übergang geklappt. Der Erfolg ist stark Lehrer-und elternabhängig. Aus der GS bleiben unaufholbare Lücken. Im Ergebnis können wir sagen: Das System klappt in homogenen, kleinen Klassen und vorallem hervorragenden Lehrern. Wurden wir etwas anders machen? Fakt ist, an der staatl. Schule mit Frontalunterricht wäre unser Sohn als Asperger an der Förderschule S. Kinder, die nicht dem oben beschriebenen Muster entsprechen, fallen so und so durchs Raster.
Karsten Dörre - “definieren” Sie bitte Vor- und Nachteile des Artikels von Luise Witt, bevor Sie den kritisieren. Danke. Frau Witt hat doch einen guten Einblick in die neue Lernwelt gegeben. Ich stelle mir jetzt noch vor, dass diese Lernwelt angereichert wird, durch vielerlei Herkunftssprachen - ha: Und schon wird mir schlecht, wie ich nun sagen muss. Also hat Frau Witt einen Top-Artikel geschrieben. So einen guten Artikel gabs heute im Konstanzer Südkurier z. B. nicht, muss ich sagen. Auch gestern nicht.
Humboldts schreckliches bildungssystem hat dutzende Nobelpreisträger, erfindungsreiche Unternehmer und ein buergertum erzeugt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Als Schüler hat mich der Frontalunterricht nie gestört, er hätte wohl interessanter und effektiver sein können. Die klare Ordnung ermöglichte ausserdem unterhaltsame Subversionen wie z.B. Briefchen verschicken, das wird immer gerne vergessen. Klassenbuch und Notenkalender haben mich auch nicht beunruhigt, es gab überhaupt nur wenige Verdächtige, die da einen gewissen Respekt entwickeln mussten. Wenn man jetzt die Hausaufgaben schon in den Vormittag und in die Schule verlegt, kann man sich irgendwann die Lehrer ganz sparen. Aufsicht führen konnte ja schon früher notfalls der Hausmeister und morgen wird das gerne und kostengünstig eine KI machen, die mit ihren Algorithmen auch allen möglichen Problemchen löst. Und ein finsterer muslimischer Securitymann wird durch die Gänge latschen, sollte die Schule nicht ohnehin aufgelöst und einfach in das Homeworking per Internet verlegt werden. Die Autorin kann sich ja umschulen lassen auf Deutsch als Fremdsprache. Da ist staatlicherseits sicher weiterhin schlechtbezahlter Bedarf, allerdings ist die Klientel gelegentlich sehr betreuungsbedürftig, schwierig im Umgang und nicht ganz leicht zufriedenzustellen. Bei ziemlich mässigen Resultaten. Gerade gestern wurde doch der Ruf laut, dass hier die Qualität des Unterrichts dringend verbessert werden muss!
Ich habe in den Nachrichten gelesen, dass Inklusion und “Schreiben nach Gehör” total gescheitert sind. Es wird offiziell zugegeben, aber eben noch nicht von allen. Solange, wie es braucht, bis sich etwas Neues bis in den letzten Winkel durchsetzt, so lange braucht es anscheinend auch, bis es als untauglich wieder abgeschafft wird. Wahrscheinlich müssen die vehementesten Vertreter einer speziellen Richtung erst in Rente/Pension sein (nie würden sie zugeben wollen, dass sie sich geirrt und damit der Gesellschaft geschadet haben), bis eine neue unbelastetete Generation allmählich ans Aufräumen gehen kann - und sicherlich die nächsten Irrtümer produzieren wird. Wenn man sich die Geschichte ansieht, ist es doch mehr als augenfällig, dass Geschichte auch eine Abfolge von Irrtümern ist, eben weil (gesichertes) Wissen nur allmählich erworben wird. Diskussion, Faktenprüfung, vorsichtiges Ausprobieren gehören dazu. Deswegen verbieten sich Ideologien von allein. Mit anderen Worten: Liebe Menschen, seid vorsichtig mit euren Überzeugungen, so lange sie wissenschaftlich nicht so hieb- und stichfest sind wie die Tatsache, dass zumindest in unserem Universum 1+1=2 ist. Zum individualisierten Unterricht: Ich habe nie verstehen können, wie man bei 25 Kindern, die alle auf unterschiedlichem Stand sind, z.B. das Einmaleins einführen kann, und zwar so, dass das Prinzip des Malnehmens verstanden wird. Üben kann man das später auch allein, aber das Prinzip muss doch erstmal begriffen werden. Macht man das dann 25 mal bei jedem Kind? Mit allem erforderlichen anschaulichem Material? Wie können 7jährige Kinder anderen Kindern mit Lernschwierigkeiten etwas erklären? Dazu braucht es doch eine pädagogisch-methodische Ausbildung, das, was das Wichtigste am Lehrerberuf ist. Der Helfende muss doch wissen, wo die Stolpersteine liegen, muss kindgerecht-anschaulich erklären können, dabei das Kind beim Mitdenken und Überlegen so unterstützen, dass es aktiv den Lernstoff aufnimmt und verinnerlicht.
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