Nathan Gelbart, Gastautor / 31.10.2010 / 13:40 / 0 / Seite ausdrucken

Einmal „Israelkritik“ und zurück, bitte !

Nathan Gelbart

Zeiten ändern sich. Und mit ihnen die Leiden des modernen Antisemiten. Aus Plakaten und Flugblättern wurden Internetblogs und Emailverteiler, aus Rundschreiben wurden Newsletter und aus Notizbüchern Notebooks. Auch der moderne Antisemit muss mit der Zeit gehen, um der ihm andernfalls drohenden Katastrophe des Stillstandes der Hasspflege effektiv begegnen zu können. Durfte er bis zum Einfall der alliierten Spielverderber ins Reich noch völlig ungeniert der Judenhatz frönen und offen den Judentod skandieren, so muss er heute tatsächlich strafrechtliche und gesellschaftliche Ausgrenzung fürchten, obgleich er doch selbstverständlich nur das Beste für sein Land und seine Juden will. Doch auch der moderne Antisemit wächst zwingend mit seinen Aufgaben, stellt er doch nach einer aktuellen Studie der Uni Bielefeld immerhin gut 40 % der Bevölkerung in diesem Land: http://www.usinger-anzeiger.de/lokales/schmitten/9566038.htm

Weiterhin nur das Beste für die Juden wollend, vertauscht er einfach die Etiketten und versteckt sich bei seinen Tiraden gegen die Juden hinter ihren Institutionen: als Surrogat seines Hasssubjektes. So wird aus dem ihm unliebsamen Juden der Judenstaat Israel, aus dem ihm verhassten deutschen Juden der Zentralrat der Juden und aus dem ihm zu einflussreichen US-Juden die „Israel-Lobby“. Oder er erfindet einfach gleich ein neues Volk, wenn auch mit selber Besetzung: die Zionisten, und mit ihnen gleich die Antizionisten. 

Und so bewerfen die altbekannten Freunde ihren jeweils umbenannten Lieblingsjuden mit ihrem altbekannten Dreck. Doch wie wir wissen. fliegt irgendwann auch die beste Konversion auf. Dem Motto „nach der Konversion ist vor der Konversion“ folgend, werden erneut fleißig die Etiketten geklebt und - dem in diesem Land immer noch vorherrschenden „besonderen Verhältnis zu Israel“ Rechnung tragend - wieder eine neue Spezies erfunden: aus dem bislang noch offenkundigen, massiven und pathologischen Israelhasser wird der sog. „Israelkritiker“. Der „Israelkritiker“ hat es dann endgültig in die Mitte der zivilisierten Gesellschaft geschafft, darf er nach diesem Gleiswechsel doch in der „taz“, der „Süddeutschen Zeitung“ und der „F.A.Z.“ schreiben, das Bundesverdienstkreuz erhalten und sogar am 9. November in der Paulskirche sprechen. Er leitet mit Steuergeldern geförderte Institute mit orientalischem Bezug und zentrale Einrichtungen politischer Bildung. 

Auch der „Israelkritiker“ meint es naturgemäß nur gut mit seinen jüdischen Schützlingen und rast in seinem neuem Outfit mit Vollgas über den Antisemitismus-Highway. Er leugnet zwar nicht den Holocaust, stellt ihn aber mit der israelischen Behandlung der Palästinenser gleich und reduziert ihn damit auf ein unwesentliches Maß. Er spricht nicht vom jüdischen Blutmordritual, stellt aber israelische Soldaten dar, die genüsslich palästinensische Kinder bei lebendigem Leibe verspeisen. Er wirft den Juden keine volksfeindliche Illoyalität vor, nennt aber den Zentralrat das Sprachrohr Israels. Er grölt nicht „kauft nicht bei Juden! “, fordert aber den Boykott israelischer Waren und Firmen. Er schreit nicht „Juden raus“, bestreitet aber ihr Niederlassungsrecht in ihrem Heimatland Israel.  Er sagt nicht, „die Juden sind unser Unglück“, geißelt aber Israel als größtes Hindernis zum Weltfrieden.

Der „Israelkritiker“ hat nur einen einzigen Kunden: Israel. Allein damit rechtfertigt er seine Daseinsberechtigung. Er „kritisiert“ ausschließlich Israel und solidarisiert sich mit Israels Feinden. Der moderne Antisemit hält es mit der Schlange: er wechselt seine Haut, nicht aber seinen Charakter. So bekommt jedes Etikett seinen eigenen Schwindel,wird aus jedem “Antisemit” ein „Kritiker“. Und stolpert er nicht über seine eigenen Beine, dann schwindelt er noch heute.

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