Thilo Schneider / 20.07.2023 / 16:00 / Foto: Timo Raab / 24 / Seite ausdrucken

Einfach Petra

Auf einem Weinfest kam ich mit einer trans Frau (so schreibt man das wohl korrekt) ins Gespräch. Mit dem aufdringlichen Getue, der plakativen Sexualität der Aktivisten hat sie nichts am Hut. Das Private sollte privat bleiben. So sehe ich das auch.

Vor einiger Zeit las ich hier den sehr empfehlenswerten Artikel „Gedanken einer Transfrau“ von Katharina B. Otto. Eine der leisen Stimmen, die man nicht hört, wenn sie halbnackt und im Lederfetisch auf ihrem CSD marschieren, eifrig Fahnen schwenkend.

Ich selbst kenne wenigstens eine trans Frau (so schreibt man das wohl korrekt), der man die Geburt als Mann nicht ansehen würde, wenn sie es nicht selbst erzählt hätte. Wir trafen uns auf einem Weinfest, sie mit einer gemeinsamen Bekannten, und so kamen wir ins Gespräch. Natürlich hat sie eine tiefe Stimme, aber die hatte Zarah Leander auch, und die hat damit sogar das Wohlwollen von Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels erlangt, so what? Von Amanda Lear, der Muse von Salvador Dalí, weiß man’s bis heute nicht genau, aber es spielt auch keine Rolle: Entweder man mag ihre Musik oder eben nicht. 

Nennen wir meine Bekannte der Einfachheit halber Petra. Petra wurde als Mann geboren und sah vor ihrer Angleichung auch schon als Mann gut aus. Sie war selbstständiger Immobilienmakler – und ist heute eben selbstständige Immobilienmaklerin und, so hat es den Anschein, nicht ganz unerfolgreich. Um es vorsichtig auszudrücken. Sie erzählt ihre Geschichte von sich aus, als wir wegen eines Typen im grellen Regenbogen-T-Shirt auf das Thema kommen. Und sie erzählt sie humorvoll und unprätentiös. Das Schlimmste, sagt sie, seien die Hormone gewesen, denn die hätten sie mit ihren knapp 40 Jahren zurück in die Pubertät geballert – diesmal eben in eine weibliche Pubertät. Mit Stimmungsschwankungen, Zornesausbrüchen, emotionalen Überreaktionen – eben dem ganzen Pubertätsprogramm, währenddessen schlecht mit einer Pubertierenden zu streiten ist. Die spielen da in einer eigenen Liga. 

Einen medizinischen Leidensweg hinter sich gebracht

Natürlich hat auch sie einen medizinischen Leidensweg um die vier Jahre hinter sich: mit psychologischer Begleitung, mit massiven Medikamenten bis eben hin zur angleichenden Operation. Seitdem ist sie glücklich. Sagt sie jedenfalls. Ich als heterosexueller alter Mann kann wahrscheinlich nicht ansatzweise nachvollziehen, durch welche Hölle und auch eigene Unsicherheit sie gehen musste. Ihre Ehe ist daran zerbrochen, zu den Kindern hat sie keinen Kontakt mehr. Ich nehme an, auch sie ist kein Einzelschicksal und ich stelle ihr die Frage, ob sie sich bei einem neuen Partner outen würde. Sie weiß es nicht, es käme wohl auf den Partner an, und dieser müsste die Frage „Wen liebst Du?“ mit „Den Menschen.“ beantworten, ganz unabhängig vom Geschlecht. Petra sieht wirklich gut aus, und trotzdem lässt sie noch hier und da an sich herumfrickeln. Die Nase verändern. Das Kinn. Die Wangenknochen. Um ihre Züge weiblicher und sanfter zu machen und den elenden Bartwuchs endlich zurückzudrängen. 

Ich sitze vor ihr und stelle mir die Frage, ob ich sie „daten“ würde, wenn ich a) ihre Geschichte nicht kennen und b) nicht glücklich verheiratet wäre – und muss diese Frage zu meiner Überraschung bejahen. Optisch macht Petra jedenfalls etwas her, auch wenn sie züchtig angezogen ist. Natürlich weiß ich nicht, ob die Körbchen da vor mir gefüllt sind oder nicht, und ich traue mich auch nicht zu fragen, aber letztlich geht es mich auch einen Scheißdreck an. Für jeden Mann besteht der Erstkontakt zum anderen Geschlecht nun einmal aus der Optik, und da würde ich sie eben nicht als Mann oder wenigstens ehemaligen Mann identifizieren und bewundere im Stillen das Können der heutigen plastischen Chirurgie.

Petra war tatsächlich immer bisexuell, was wohl auch mehr Menschen sind, als man denken mag. Und was ich auch noch nie hinterfragt habe, denn mir ist der Mensch als solcher wichtig und nicht das, was er im Schlafzimmer unter Erwachsenen treibt. 

Sie hasst dieses Plakative, dieses Laute, Obszöne, Aufdringliche

Und da sind Petra und ich einer Meinung: Es geht schlicht niemanden etwas an. Sie hasst dieses Plakative, dieses Laute, Obszöne, Aufdringliche. Das Geplärre und den Bohei. Sie sagt, dieses Theater sei zwar notwendig, um Bewusstsein zu schaffen und dass ein Partner nicht in Ohnmacht fällt, wenn sie sich outet, aber sie selbst distanziert sich davon. Ebenso, wie sie nicht „Helau“ brüllend bei irgendeinem Faschingsumzug mitlaufen würde. Auch hier sprechen wir eine Sprache.

Tatsächlich ist es letztlich egal, denn Petra ist Petra. So wie sie früher einmal Jürgen war. Wir trinken zusammen Apfelwein und unterhalten uns. So, wie das sein sollte. Und beileibe nicht nur um den ganzen Genderkram, sondern querbeet durch den Gemüsegarten. Von richtiger Hundehaltung über Wärmepumpen bis hin zu Migration, Religion und Politik. Und gut ist’s. Petra ist Petra, so wie der Schatz eben der Schatz ist. Nicht mehr. Und auch nicht weniger. Und so, wie sie keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern hat, die sie noch als Vater kennen, hat auch jeder andere von uns sein Päckchen zu tragen. Ganz ohne Lederzeug, Hundemasken oder Regenbogen-Tutus. Aber wahrscheinlich liegt das auch daran, dass da am Tisch einfach Erwachsene ohne Pfeil im Kopf sitzen. Sie raucht noch einen meiner Zigarillos, grinst, verabschiedet sich und ist weg. Einfach Petra. 

(Weitere leicht geschriebene Artikel des Autors unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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P. Wedder / 20.07.2023

Eine Bekannte, die seit Jahrzehnten ihre homosexuelle Liebe nicht versteckt und inzwischen geheiratet hat, verabscheut diesen Rummel und die Regenbogenfahne samt Pride month. Nicht nur ist es ihr zu aufdringlich, sondern für sie ist es ein Zeichen, dass es gibt keine Normalität/Akzeptanz in der Gesellschaft gibt, beziehungsweise diese nicht erwünscht ist. Der Pride month ist für sie ein Symbol dafür geworden, dass etliche aus der community diesen Sonderstatus in der Gesellschaft um jeden Preis behalten wollen, statt als „normal“ akzeptiert zu werden.

P. Wedder / 20.07.2023

Aufgewachsen in einem liberal-konservativen Haushalt, war es in den achtziger und neunziger Jahren völlig egal wie man sich sexuell definiert hat oder wen man geliebt hat. Keine Kinder, keine Tiere, alles freiwillig und der Rest hat nicht interessiert. Das einzig Wichtige war der Mensch und sein Charakter. Jetzt scheinen viele, ihre Daseinsberechtigung allein aus ihrer sexuellen oder körperlichen Orientierung zu ziehen, so dass sie diese permanent anderen unter die Nase reiben müssen und wenn man daran nicht interessiert ist, heißt es gleich, dass man sie diskriminiert. (Ein Beispiel hierfür ist Ricarda Lang) Nein, ich diskriminiere keinen, sondern ich finde das Thema als allgemeinen Dauerzustand und einziges Gesprächsthema mit einer Person einfach uninteressant.

rei regav / 20.07.2023

DAS problem dabei: wie schafft es ein, als mann geborener zwittermensch, einen “richtigen kerl” ins bett zu kriegen? DIE lösung: junge pubertierende buben werden diesem “markt” zugeführt. den schrecklichen tausendfachen sexuellen mißbrauch kann (falls man willens ist es zu sehen) abends in jedem großstadt - bahnhof beobachtet werden….

Sam Lowry / 20.07.2023

“denn mir ist der Mensch als solcher wichtig” Exakt ins Schwarze! Danke für diesen exakt zutreffenden Halbsatz.

Ludwig Luhmann / 20.07.2023

Volker Kleinophorst / 20.07.2023 - “@ Luhmann Gut zusammengefasst. Und das Frontloch muss künstlich entweder durch Sex oder Dildo daran gehindert werden, seinen natürlichen Weg zu gehen. Und zuzuwachsen. (...)”—- Die Komplikationen, die dieses Frontloch im Verlaufe der Restlebenszeit der Person verursacht, kann Kosten von über 1 Million Dollar verursachen, wie ich bei den US-Verschwörungstheoretikern erfahren habe. Anders ausgedrückt: Man kann an diesen Verstümmelten ‘ne Menge Geld verdienen. Und in den USA sollen momentan überall Facilities entstehen, in denen sog. “Geschlechtsanpassungen” vorgenommen werden. Schlecht wird mir bei dem Gedanken.

Daniel Rödding / 20.07.2023

Bei diesem Artikel muss ich gleich an mehrere schwule Männer denken. Sowohl in der Nachbarschaft, wo ein langjähriges Mann-Mann-Paar lebt, wie auch einige weitere aus dem erweiterten Umfeld. Zwischen all denen gibt es eine Gemeinsamkeit: man merkt es ihnen im Alltag (fast) nicht an, und raushängen lassen sie es schon gar nicht. Die beiden hier fast nebenan fallen allenfalls dezent mal dadurch auf, dass sie hinterm Haus eine Gartenparzelle gepachtet haben, dort ein wenig Gemüse anbauen, und wenn die da beide werkeln, sieht man hin und wieder eine kleine “Liebkosung” zwischen den beiden. Ab und zu wird dort eine Fahne gehisst. Aber nicht etwa eine in Regenbogenfarben, sondern die eines Jugendfussballvereines hier aus der Ecke. Alle mir bekannten Schwulen bzw. Paare wollen einfach nur leben und lieben nach ihren Vorstellungen. Aber sie wollen niemandem auf die Nerven gehen. Auf einen CSD würden die alle ganz sicher nicht gehen.

Franz Klar / 20.07.2023

“Bunte Blumen, Malven ähnlich,aus dem Moos ein Wunderflor!Der Natur ist’s nicht gewöhnlich,doch die Mode bringt’s hervor” . Göhtens Faust , Zweiter Teil ...

Volker Kleinophorst / 20.07.2023

@ Luhmann Gut zusammengefasst. Und das Frontloch muss künstlich entweder durch Sex oder Dildo daran gehindert werden, seinen natürlichen Weg zu gehen. Und zuzuwachsen. PS: Kenne auch eine sogenannte. Aber ich habe eher das Gefühl ersie hatte sich den Effekt doller vorgestellt. (Angeblich haben sich ja nur bisher gut 1000 bisher zu diesem Schritt entschieden.) Wenn ich erstmal Frau bin. Was zugenommen hat sind die typisch weiblichen Depression, was an den Hormonen liegen mag und eine gewisse Humorlosigkeit. Denn wir kannten uns schon, da war er verheiratet. Mit einer echt heißen Frau. Als ich ihnsie jedenfalls fragte: „Du bist jetzt nach Jahren endlich Frau. Eine Frau von Anfang 50. Keine Frau möchte eine Frau von Anfang 50 sein. Warum du.“ Konnte keine Antwort finden und war dann beleidigt. Weiblicher geht ja kaum. Als Mann hätte er gelacht. Wenn er als sie von Frauen spricht, heißt es immer „Die Weiber“.

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