Thomas Rietzschel / 05.02.2019 / 14:05 / 30 / Seite ausdrucken

Einer tanzt aus der Reihe

Blankes Entsetzen machte sich im deutschen Feuilleton breit, als bekannt wurde, dass die Münchner Faschingsgilde „Narrhalla“ ihren Karl-Valentin-Orden diesmal dem Österreicher Andreas Gabalier verleihen will. Der Namenspate „würde sich mehrmals am Tag im Grab umdrehen, wenn er wüsste, was man mit ihm anstellt“, wollte Ottfried Fischer wissen. Dass der gefeierte Schlagerstar mitnichten an Valentins „Genie, Querdenkertum und Sprachfertigkeit“ heranreiche, konstatierte Sabine Rinberger, die Chefin des Valentin-Musäums.

Immerhin noch eine halbwegs sachliche Feststellung, die sich schwerlich bestreiten lässt, aber gewiss kein Grund, dem Geehrten daraus einen Strick zu drehen. Schließlich hat er sich nicht um den Orden beworben. Er ist ihm zugefallen wie den Brüdern Klitschko, Horst Seehofer, dem späteren Papst Benedikt oder Philipp Lahm in früheren Jahren. Wer von ihnen hätte es mit dem Kabarettisten Spott seligen Angedenkens aufnehmen können? Von keinem wurde das je erwartet. Selten schlugen die Wellen scheinheiliger Erregung so verdächtig hoch wie im Fall von Andreas Gabalier.

Hass brach sich in den Kommentaren der letzen Tage Bahn. Es ging um die Abrechnung mit einem, der aus der Reihe tanzt. Weil er nicht mitmacht bei „Rock gegen Rechts“, nicht mitschwimmt im lauwarmen Mainstream der Schlager-Society, wurde die läppische Gelegenheit der Verleihung eines Faschingsordens genutzt, den „Alpen-Elvis“ als „homophob, frauenverachtend, rechtspopulistisch“ anzuschwärzen. „Völkisch“ sei die Gesinnung des „Volks-Rock‘n-Rollers“, der „mit seinem Körper in Leni-Riefenstahl- Beleuchtung eine Art Hakenkreuz formt“, hieß es in der Welt am Sonntag vom 3. Februar.

Ich bin nicht groß geworden, um klein zu denken

So etwas muss einem erst einmal einfallen. Was mag in den Köpfen derer vorgehen, die sich solchen Quatsch ernsthaft ausmalen. Der Unflat, den sie blindwütig auskippen, bleibt an ihnen selbst kleben. Der Verleumdete indes konnte es gelassen nehmen. Kurz vor seinem Auftritt beim Dresdner Opernball vom MDR auf die Kritik hin angesprochen, antwortete er: „Ich bin nicht groß geworden, um klein zu denken oder klein zu reagieren.“ Sagte es und legte mitten in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag einen Auftritt hin, der das Publikum drinnen, befrackt und in großer Robe, ebenso mitriss wie die 10.000 Dresdner, die das alles auf einem riesigen Bildschirm im Freien vor der Semperoper verfolgten.

Dort vor allem, draußen vor der Tür, brandete der Beifall auf, als Andreas Gabalier sein „Loblied auf das Andersdenken“, den Hit „A Meinung haben“ anstimmte, laut und deutlich sang: „Wie kann des sein/ Dass a poar Leut/ Glauben zu wissen/ Was a Land so wü/ Is das der Sinn einer Demokratie?/ Dass ana wos sogt und die andern san stü.“

Mit dem Bösen im Bunde

Wer solche Töne auch noch so rockig anschlägt, wie es der Steirer tut, der kann nach allen Regeln des multikulturellen Showbiz nur mit dem Bösen im Bunde sein. Schlager gut und schön, wenn sie so einlullend wie von Helene Fischer gesungen werden. Auch gegen einen Hansi Hinterseer ist nichts einzuwenden; sind es doch ohnehin die älteren Semester, die ihn verzückt anhimmeln. Bei Gabalier indes verhält es sich anders. Wenn er auftritt, füllen auch jene die Stadien, die sonst bei Peter Maffay oder den Toten Hosen außer Rand und Band geraten. Die Linksrocker müssen um die Kontrolle über ein Publikum fürchten, das sich für das moralisch bessere hielt.

Dass dieselben Fans jetzt einem Entertainer zujubeln, der kein Hehl macht aus seiner konservativen Gesinnung, bringt die Konkurrenz, die musikalische wie die politische, auf die Palme. Wenigstens medial soll der „Rechtspopulist“ zur Strecke gebracht werden. Dabei geht es doch bloß um einen Schlagersänger, wenn auch um einen, der erstens mit mehr Schmackes aufritt als Florian Silbereisen und zweitens noch Manns genug ist, sich seine Meinung nicht vorschreiben zu lassen. „Ich stehe dazu, politisch inkorrekt zu sein“, erklärte er unlängst. Und das wiederum mag ihn dann doch in die Nähe eines Karl Valentin rücken. Wir gratulieren zur Verleihung des Ordens.

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Leserpost

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Oliver Lang / 05.02.2019

Als „homophob, frauenverachtend, rechtspopulistisch“ bezeichnet zu werden, ist heutzutage eine Ansprache wie früher “Meine Damen und Herren” . Die, welche nach aktuellen Definitionen weder “homophob noch frauenfeindlich und auch nicht rechtspopulistisch“ sind , also jene, die sowohl homophil, als auch männerfeindlich und linksradikal sind, gehören zu der ‘bedauernswerten’ Minderheit, die jetzt ihr Quaken vernehmen lässt, bevor die demographische Entwicklung das Feuchtbiotop verdorren lassen wird.

Peter Wachter / 05.02.2019

Hätt da was Altes aber Gutes, aktueller den je: Reinhard Mey: Das Narrenschiff (1998)

Dr. Gerhard Giesemann / 05.02.2019

Es ist Winter, Karl Valentin steigt in eine Straßenbahn ein, lässt die Tür dabei offen, wird angeherrscht von einem Insassen: Sie, machen’s die Tür zua, draußen is’ koid. Valentin schließt die Tür - damals alles noch von Hand - und sagt: So, und glauben’s, dass es jetzt draußen wärmer wird?

Rolf Menzen / 05.02.2019

Tja, wenn man ganz links an der Wand steht, sind alle anderen rechts.

Sabine Schönfelder / 05.02.2019

Es ist besser ein eckiges Etwas zu sein, als ein rundes Nichts. ( Christian Hebbel)

Elke Siegmund / 05.02.2019

Glückwunsch an Herrn Gabalier! Die Gilde der deutschen Künstler enttäuscht dagegen immer mehr. Nachher könnten sie nicht anders. War ja schon 2x zu besichtigen in den letzten 80 Jahren. Besonders übel wird mir immer, wenn ich welche höre, die sich damals an dem berühmten 4.November auf dem Alex aufgespielt haben wie die größten Revolutionäre, das anschließend gar nicht oft genug betonen konnten und heute wie in der DDR zu allem hurra schreien - und zwar laut und vorauseilend. Da ist Herr Gabalier mir lieber, auch wenn ich für seine Musik zu alt bin.

Andreas Müller / 05.02.2019

Das Interessante an dieser Angelegenheit ist doch auch, daß sich die Münchner Faschingsgilde offenbar in keiner Weise von der Empörungsblase beeindrucken ließ.

Emma W. in Broakulla / 05.02.2019

von Lipski - Quatsch! Im Text des Liedes heisst es: „Wie kann des sein/ Dass a poar Leut/ Glauben zu wissen/ Was a Land so wü/” Es kommt mir ziemlich verkorkst vor, daraus zu hören oder zu lesen das Andreas Gabalier nun behauptet zu wissen was ein Land will. Er stellt eine allzu berechtigte Frage ohne selbst eine Antwort zu geben. Mehr nicht. Doch ja,  leider sind zu viele zu still weil sie sich nicht mehr trauen “eine Meinung zu haben”. Die mit der Mehrheitsmeinung und ihrem daraus gewachsenen Gratismut -  dass sind die Lauten die alles ueberschreien!

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