Matthias Heitmann, Gastautor / 20.09.2020 / 06:00 / Foto: Bene16 / 70 / Seite ausdrucken

Eine U-Bahnfahrt durch Köln: Wie tief kann man sinken?

„Ist das Herrschaftskunst oder kann das weg?“ fragte ich mich, als mich Anfang der Woche in Köln lokale Kulturprominente in Bussen und Bahnen mit flott gemeinten Sprüchen durch die Lautsprecher darauf hinwiesen, dass bei den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) Maskenpflicht herrscht.

Die ach so freche Carolin Kebekus war die Erste, die mich daran erinnerte, dass „wir in Köln keine Assis“ seien und daher Maske tragen und es im Übrigen doch „scheiße“ sei, wenn das Ordnungsamt 150 Euro bekäme. Soso, dachte ich mir, aber seit Kebekus auf dem Weg ist, Anne Will als Trashtalkerin den Rang abzulaufen, wundert mich bei ihr nichts mehr. Nur eine Station später drangsalierte mich Gabi Köster auf Kölsch mit vermutlich ähnlichen Aussagen, die mir aber gottlob nur schwer verständlich waren. Ihr Tonfall ließ indes eindeutig darauf schließen, dass es auch ihr darum ging, die Ungläubigen zum Ge-…, nein, die Unvernünftigen zur Vernunft zu rufen.

Als ich dachte, es könne nicht schlimmer kommen, schlich sich Polit-Moral-Youtuber Rezo an mein Ohr und säuselte mir in das selbige, er wisse zwar, dass die Maskenpflicht manchmal nerve, aber es sei eben total wichtig, aufeinander achtzugeben. Sekundiert wurde Rezo dann noch von einem mir unbekannten Rapper namens Mo-Torres, der aber auch nichts dafür tat, um mir im Gedächtnis zu bleiben. Immerhin ein wenig künstlerisch verpackt schickte kurz vor der nächsten Haltestelle ein Kölschrocker namens Peter Brings die immergleiche Message in geradezu karnevalesker Reimform hinaus in die Köpfe: „An alle Kölsche Mädsche und alle Kölsche Junge: Wir wollen diesen Virus nicht, und darum herrscht hier Maskenpflicht.“ 

Als Frankfurter Bub fühlte ich mich von einer schweren Last befreit und war schon versucht, an meiner Virenburka zu zupfen und kurz tief durchzuatmen. Doch dann stockte ich kurz und fragte mich, ob nun eigentlich Alice Schwarzer dem Brings die fälschliche Maskulinisierung des eigentlich sächlichen Virus lautstark um meine bereits gereizten Ohren hauen würde. Doch zum Glück tat sie dies nicht. Wahrscheinlich hatte sie nichts dagegen, Corona männlich zu belassen, um die Corinnas dieser Welt vor noch mehr Diskriminierung zu schützen.

„Kickende Vollpfosten-Gemeinschaft“

Der Letzte im KVB-Prediger-Bunde auf dieser mir immer endloser erscheinenden U-Bahnfahrt durch Köln war ein Herr, der offensichtlich lokalen Stadionbesuchern ein Begriff ist. Auch er brachte seine stimmliche Autorität für den Beibehalt der Maskenpflicht in Stellung, ohne allerdings Ekstase auszulösen – aber wie auch, als Stadionsprecher beim Effzeh!

Als ich ihm ein zweites Mal lauschte, fiel mir auf, dass der Herr – ich hatte ihn zwischenzeitlich als Michael Trippel ergoogelt – ganz klar von der Maskenpflicht bei der „Ka Vau Geh“ sprach und sich wohl widerrechtlich zur KVB geflüchtet hatte. Meinte er etwa die Kasseler Verkehrs-Gesellschaft? Oder war dies ein Spot für eine Kapitalverwaltungsgesellschaft, am Ende für seine eigene? Unvorstellbar! Und so einigte ich mich naheliegend auf die von ihm moderierte „Kickende Vollpfosten-Gemeinschaft“ und fuhr fort, ermahnt und maskiert weiterzufahren. (Alle schulmeisternden Kölner KVB-Promis können hier nachgehört werden.)

Irgendwann war ich dann tatsächlich am Ziel angekommen und verließ das fahrende Klassenzimmer. Später zündete ich im Kölner Dom gedanklich eine Kerze für Wolfgang Niedecken an, der offensichtlich nicht um Unterstützung gebeten worden war und sicherlich noch heute darunter leidet. Auch dachte ich kurz an Lukas Podolski, der sich ja sonst auch immer gerne äußert. Das eigentlich Wichtige auf dieser U-Bahnfahrt durch Köln aber war mein Beschluss, dass ich als freier Autor und Kleinstbühnen-Kabarettist niemals so wenig verdienen und gar nicht so tief sinken könne, als dass ich mich der staatlichen Erziehungskultur andienen oder ihr gar meine Stimme leihen oder verkaufen würde. Dabei haben die genannten Promis das wahrscheinlich sogar gerne und für umme gemacht, weil ja aufeinander achtgeben so wichtig ist heutzutage.

Kultur hat eigentlich etwas damit zu tun, seinen eigenen Kopf einzusetzen – und nicht nur zum Nachplappern. Und es wird auch nicht dadurch besser, dass man das Vorgedachte mit Kebekus‘scher Fäkalsprache pseudo-proletarisiert, und auch ein starker Dialekt macht das Gesagte noch längst nicht dialektisch. Es ist und bleibt Staatskultur, und das ist nichts Ehrenwertes, sondern etwas für Ehrenwerte und mithin gerade nicht aller Ehren wert, weil maximal für den Allerwertesten. Gerade in Corona-Zeiten sollten Kulturschaffende aufpassen, nicht zu kulturell Anschaffenden zu werden.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.zeitgeisterjagd.de
 

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Leserpost

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M. Mathar / 20.09.2020

Köln- die deutsche Hauptstadt des medialen Brachialhumors unterster Schublade hat wieder ein Zeichen gesetzt. Weithin leuchtende Pfosten des Kölner Gesinnungsfegefeuers stiegen herab um dem gemeinen Kölner an die Segnung von Mutti zu gemahnen - welch´ heroische, in seiner intellektuellen Schlichtheit die Fahrgäste der KVB berührende Tat! Der gemeine Kölner jedoch, der alles mitmacht und den ich aus persönlicher Erfahrung als einen überaus warmherzigen, großzügigen und schlauen Menschen kenne, macht aber auch gerne ein oder zwei dicke Fäuste in der Tasche (trotz und wegen Corona-Mund-Nasen-BH), wenn es ihm zuviel wird. Es reicht dann ein Tropfen zum überlaufen des Gemüts. Dann kann schon mal der Obrigkeit (sowie den Bühnen-Aktivisten) gewaltig die Meinung gegeigt werden und der Kölner erklärt dann resolut, man däht dä Quatsch net mie mittmaache!! Gerade die Kölner haben eine jahrhunderte alte Tradition und Erfahrung darin, offensichtlich nutzlose Obrigkeitsentscheidungen zu unterlaufen und zu umgehen. Mal schauen, wann der gesunde Kölner Verstand anfängt, zu arbeiten und Realitäten mit behördlichen Vorschriften zu abzugleichen. Ich habe da noch Hoffnung. p.s.: Lieber Herr Heitmann, die “selbstgefälligen Lordprotektoren” der Kölner Gesinnungsblase (Niedecken, Becker, Schmickler) zittern sich bereits für ihren Einsatz warm, wenn der offizielle virideologische Schutzwall nicht mehr hält und einzubrechen droht.

Milan Viethen / 20.09.2020

In den 2 Rewe-maerkten in dem lokalen Grenzdorf zu Frankreich und Luxemburg gingen gebetsmuehlenartig Ansagen aller ” Wir sind doch Teamplayer” ,” denken Sie an Ihre Mitmenschen ” usw .-Manier durch die Lautsprecher . Ich kontaktierte die Maerkte ueber ihre Feedback-funktion und merkte an , dass ich in Zukunft woanders meine Einkaeufe machen wuerde, da mir dieses gehirnwaeschenaehnliche Gequatsche auf den Zeiger gehe .Ich will ja nicht zu laut posaunen, aber seitdem sind die Ansagen nicht mehr gelaufen , vielleicht wissen die , wie ich aussehe :-) ? Mit anderen Worten, den Mund aufmachen kann sich lohnen . Ich bin mir allerdings darueber bewusst , dass es bei Privatunternehmen sicherlich leichter ist, Druck zu erzeugen . Ich trage meine Maske, da ich auch immer meinen Sohn dabei habe, allerdings ziehe ich sie nur ueber den Mund .

Jürg Casanova / 20.09.2020

Dritt- und viertklassige Künstler, die eigentlich keine sind, aber sich so nennen, und öffentlichkeitsgeile Kulturschaffende, die als Gutmenschen anderen ein Beispiel geben wollen, waren schon immer etwas unbeholfen darin, dem Volk nach dem Maul zu reden. Und wenn dann noch der neureligiöse Duktus – ob nun Klima oder Corona – dazukommt, wird es ungeniessbar. Auch in der Schweiz wird im ÖV permanent darauf hingewiesen, dass eine MaskenPFLICHT herrsche, wobei die Pflicht extra stark betont wird, sodass im Wort Maskenpflicht eben die Gesinnung aufscheint, was einem Maskenverweigerer ein schlechtes Gewissen vermitteln und gleichzeitig davon ablenken soll, dass es sich um einen Zwang handelt. Ein Zwang, der juristisch nicht haltbar ist, aber Millionen von Denunzianten aus den Löchern lockt, die nun akribisch darüber wachen, dass sich alle daran halten. Selbst Leute mit Attest werden nicht akzeptiert und jeder noch so kleine Verkäufer- oder Aufseher-Wicht masst sich an, dieses Attest einsehen zu wollen. Eine Stimmung herrscht im Lande, das die Welt ist, die an Vorkriegszeiten erinnert.

Peter Holschke / 20.09.2020

@Friedolin Kiesewetter - Danke für den Hinweis auf den alten Slogang, “Erst siegen, dann reisen!”. Was damals richtig war, kann heute nicht ja nicht falsch sein, mag sich die Regierung denken. Gilt wohl auch den Kölner Nahverkehr. Deutschsprachige Passagiere sollen durch verbale Belästigungen ferngehalten werden. Witziger Weise die Umdrehung des alten Schildes “Nur für Deutsche!”. Der Geschichtsgott scheint Humor zuhaben. Wie ja Merkel 2015 die Grenzen öffnete, als offensichtliche Retourkutsche für den Westen wegen 1989. Ich warte auf den Kohlenklau, aber Kohle haben wir ja nicht mehr. Dafür wird im Fernsehen zur Hatz auf den “Lebensmittelverschwender” geblasen, wohl als kleine Einstimmung auf die nächsten Hungesnot. @H.Wess - Ebenso danke für die klare Aussage. “Die Maske hilft gegen staatliche Verfolgung”. Leider nur notdürtig und vorläufig. Außerdem sollte man das klarer fassen: “Die Maske hilft noch gegen staatlichen Terror.” Was mich wundert ist, dass sich Leute heute immer noch prominent für den Unsinn verkaufen. Sich derart aus dem Fenster lehnen? Die Dinge stehen durchaus auf des Messers Schneide, haben solche Leute keine Angst, dass es doch andersrum kommt und sie dann aus ihren Löchern gezogen werden und am Pranger landen? Im Gegensatz zu 1945 und 1989 leben wir im Zeitalter der elektronischen Datenhaltung. Das Ganze gleicht einem Kartenhaus, welches garantiert zusammenstürzen wird.

Wiebke Ruschewski / 20.09.2020

Ein paar von den Durchsagen habe ich mir eben mal angetan. Grauenerregend! Wundert mich, dass sich besagte Promis dafür hergegeben haben. Und eigentlich möchte man doch immer erreichen, dass die Leute mehr Bus und Bahn und dafür weniger mit dem Auto fahren. Den doch ohnehin schon brav Maske tragenden Fahrgästen dann mit solch dümmlichen Belehrungen auf den Kittel zu gehen ist da wohl definitiv kontraproduktiv würde ich mal so sagen.

Heribert Glumener / 20.09.2020

Armlänge-Reker-Town steht für Anpassung, Verlogenheit, Heuchelei, Affektiertheit und dümmliche Dekadenz. Aber es gab einen wahrhaftigen, aufrechten Kölner: Petermann. Leider wurde er – der wahre Kölner Widerstandskämpfer - 1985 samt seiner Freundin Susi ermordet. Aber sein Ruhm wird ewig währen: PETERMANN LEBT !

P. Wedder / 20.09.2020

„Gerade in Corona-Zeiten sollten Kulturschaffende aufpassen, nicht zu kulturell Anschaffenden zu werden.“ Dieser Satz hat meinen Sonntag erhellt und ist als Zitat auf Reise gegangen

Robert Weihmann / 20.09.2020

“Kulturschaffende”. Wem ist eigentlich heute bewusst, dass dieser Begriff SED-Sprech ist? Haben wir aus DDR-Beständen übernommen wie den Grünen Rechtsabbiegerpfeil und das Ampelmännchen. Da die gesamte “Kultur” der DDR staatsbetreut war, ist dieser Begriff negativ konnotiert. Dennoch schämt sich kein einziger Musiker, Maler, Schriftsteller, Komödiant, Showmaster oder sonstiger aus der Kultur- und Kreativbranche zu den sog. Kulturschaffenden zu gehören. So fordert z. B. eine “Initiative Kulturschaffender in Deutschland” aus der ” staatliche Unterstützung in der Corona-Krise.

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