Von Peter Bereit.
Wer glaubte, der in Deutschland produzierte Irrsinn habe mit Sendungen wie „Bauer sucht Frau“ oder „Love Island" seinen Zenit längst erreicht oder bereits überschritten, der kann jetzt aufatmen, denn es geht wider Erwarten in die nächste Runde. Der Unterschied: Diesmal ist für den geistigen Sturzflug weder das private noch das öffentliche-rechtliche Fernsehen, sondern die „Stabstelle Bürgerschaftliches Engagement im Sozialreferat zusammen mit dem Geflüchteten-Verein REFUGEES der Stadt Nürnberg“ verantwortlich.
Das Ganze läuft unter der Überschrift, „Speed-Dating mit Flüchtlingen in Nürnberg“ und spielt sich wie folgt ab, ich zitiere aus der Veröffentlichung des BR24 Mittelfranken vom 08.10.2017:
„In der Straßenbahn können Nürnberger und Flüchtlinge sich heute in Nürnberg beim Speed-Dating kennenlernen. Die jeweils 90-minütigen Fahrten starten um 15 und um 17 Uhr an der Straßenbahn-Insel am Hauptbahnhof. In der Event-Straßenbahn erwarten rund 20 Geflüchtete am Sonntagnachmittag interessierte Einheimische.“
Ziel sei es, „Menschen mit verschiedenen Sprachen und Kulturhintergründen zusammen zu bringen und im besten Fall langfristige Bekanntschaften zu entwickeln“.
Damit ist die angesichts dieses Events sofort auftauchende Frage "Cui bono?" ("Wem nützt es?") aus der Welt. Oder doch nicht?
Als ich das las, dachte ich zunächst an einen vorgezogenen Scherz, angesichts der anstehenden närrischen Zeit, oder an Auswirkungen einer verpfuschten Lebkuchenmischung. Manch einem wird auch nur ein kurzes „hä?“ über die Lippen gekommen sein.
Jahrzehntelang suchten wir vergeblich nach Lösungen für eine effektive Integration von Migranten und sind weiterhin relativ ratlos, angesichts der seit 2015 zu uns strömenden Flüchtlinge und Zuwanderer. Selbst die anstehende Regierungsbildung steht angesichts einer Vielzahl von ungelösten Problemen unter einem tief bewölkten Himmel, der ein politisches Unwetter erahnen lässt.
Speed-Dating für eine gute Sache
Dabei war und ist die Lösung so einfach. Lasst die deutsche Bevölkerung, gemeinsam mit den Flüchtlingen und Migranten, die Straßenbahn nutzen, um in High-Speed-Geschwindigkeit all das nachzuholen, was bisher versäumt wurde und was bisher nirgendwo richtig funktionierte. Die Kosten betragen lediglich einige wenige Euro für die Fahrscheine und lassen sich bei einem Monats-Abo mit Sicherheit reduzieren, sollte es im ersten Anlauf, d.h. der ersten Straßenbahnfahrt, nicht sofort zu herzlichen und tragenden Bekanntschaften kommen. Mein Gott, was hätten wir uns neben der AfD nicht alles ersparen können? Weshalb bin ich nicht darauf gekommen?
Nun kann eine Straßenbahnfahrt durchaus sehr langweilig werden, insbesondere dann, wenn die Verkehrsmittel überfüllt oder die Passagiere weniger an neuen Bekanntschaften, wohl aber mehr daran interessiert sind, von A nach B zu gelangen.
Dem hat die Stadt Nürnberg umsichtig vorgebeugt und verspricht, "der Austausch werde kulinarisch mit einer orientalischen Köstlichkeit und Tee begleitet“.
Leider sitze ich nicht in besagter Stabstelle der Stadt Nürnberg, sonst wäre mir mit etwas Mut der Vorschlag entglitten, zur Abwechslung und ganz im Sinne der Integration ausnahmsweise einmal eine deutsche Köstlichkeit anzubieten, die es ja auch noch irgendwo geben soll.
Aber egal. Das ist, angesichts der Tragweite dieses Events, wirklich nur Kleinkram. Das Sozialreferat von Nürnberg hat hingegen viel weiter und nicht etwa nur an die 20 interessierten Flüchtlinge und die schon länger hier lebenden Mitbürger gedacht. Mitnichten. Frau Kathleen Purrucker, Aktivistin aus eben jenem Referat, fügt hinzu: “Das soll die Ehrenamtlichen ermutigen und ihnen noch einmal Kraft und Motivation für das letzte Jahresviertel geben“.
Ich meine, das reicht auch noch für das nächste Jahr. Für uns alle.
Diese Aktion wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. Gut angelegtes Geld, das hoffen und wünschen lässt, dass der Stadt Nürnberg kurz vor Weihnachten und darüber hinaus weder die Lebkuchen noch Ideen ausgehen mögen.