Eine gar nicht mal so neue Sportart macht sich in Deutschland neben „Gleisschubsen“ breit: Spit the Jew. Ob in Hamburg, Berlin, Düsseldorf oder München, jeder darf jetzt Juden bespucken. Selbstverständlich nicht offiziell und das ist auch nicht nett, gehört aber augenscheinlich zum „Aushandeln des täglichen Zusammenlebens“. Und obwohl „der Jude an sich“ ja laut den „Israelkritikern“, die man früher auch schlicht „Antisemiten“ nannte, „ein Händler ist“, scheinen deutsche Juden einmal mehr „die Verhandlungen“ zu verlieren. Die Speichelspender sind, wie stets, #Einmann, gelegentlich auch Zweimänner und seit neuestem, wie in München, Einefrau.
Deutsche Spitzenpolitiker, allen voran Özils Vizepräsident Steinmeier, können gar nicht so schnell um den Spuckelefanten im Raum herumrennen, wie der Speichel fliegt. Selbstverständlich stets mit einem gerüttelt Maß an „Abscheu und Empörung“, denn wie sagt der Mieter im Schloss Bellevue? „Jede Form des Extremismus und Antisemitismus ist Gift für unsere freiheitliche und offene Gesellschaft. Es ist oberste Aufgabe des Staates und Verpflichtung für uns alle, Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen zu bekämpfen und ihm gemeinsam entgegenzutreten."
„Ja“, wird da Rabbi Teichtal freudig klatschend ausgerufen haben, „mach mal! Endlich!“ Denn dieser „bekämpfende“ und „entgegentretende“ Staat hängte bereits vor zehn Jahren lieber eine Israelfahne ab, als einen brüllenden Mob mit Fackeln und Forken auszubremsen. Aber dafür hat er sich dann ja auch entschuldigt. Der Staat. Nicht der Mob. Man bestraft lieber einen unschuldigen Juden als zweihundert brüllende Fanatiker. Ist auch einfacher und ökonomischer.
Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Es gibt knapp 100.000 Juden in Deutschland. Das sind zwar zu viele, als dass man sie alle schützen könnte, aber zu wenige, als dass sich ein Schutz politisch lohnen würde. Ihr Einfluss ist, auch wenn das manch einer kaum glauben mag, einfach zu gering und mit 100.000 putzigen Kippa-Trägern in den paar Metropolregionen lässt sich auch keine Revolution machen.
Da sind, sozusagen überschlägig, 4,5 Millionen Muslime, durch die, laut BMI, Deutschland „religiös und kulturell vielfältiger geworden ist“, eine ganz andere Hausnummer. Wenn Du die als Staat verärgerst, dann brennt im buchstäblichen Sinne die Berliner Luftluftluft, was ganz schlecht für das ökologische und gesellschaftliche Klima ist. Da muss man als Staat auch schon mal alle blinden Augen zudrücken und aggressiv antisemitisches Verhalten unter „kultureller Folklore“ wegbuchen, sonst hagelt es wieder eingeschnappte und traurige Tweets von Sawsan Chebli – und das kann niemand bei klarem Verstand ernsthaft wollen.
Taschentuch zum moralischen Krokodilstränentrocknen
Was will unser aufrecht linkes und sich empörendes und verabscheuendes politisches Spitzenpersonal auch machen? Da hat man den armen Juden extra ein schickes Holocaustdenkmal für hübsche Selfies bauen lassen, „das Tagebuch der Anne Frank“ zur Schullektüre friedenserklärt, verschleppt waggonweise Schulklassen nach Auschwitz und spielt außerdem bei nahezu jeder Gedenkfeier für tote Juden Lagerorchestermusik. Von der aufwändigen Suche nach Holocaustüberlebenden oder deren Kindern und Enkeln als Stichwortgeber und Gedenkstaffage mal ganz zu schweigen. Und trotzdem reicht das immer noch nicht. Ja, das ist verabscheuungswürdig. Fragt sich nur, von wem?
Was also wäre zu tun? Stolpersteine sind zu teuer, um ab „FönffOhrfönfondförrzzig zurückgeworfen“ zu werden, also lässt sich der Staat lieber selbst unter der schalmeienden Begleitung wohlfeiler Sprechblasen um 80 Jahre zurückwerfen. Ich bin, so rein menschlich und als Autor, nur etwas enttäuscht, dass die Spuckgetroffenen neben der mit augenzwinkernden Ausschlussklauseln versehenen Versicherung des „entschlossenen Bekämpfens“ von „Israelkritik“ kaum weitere Verhaltensempfehlungen für die täglichen Aushandelsgeschäfte erhalten.
Wie wäre es mit „Tragen Sie halt keine Kippa und keinen Davidstern“ oder „Halten Sie eine Spucklänge Abstand“ oder „Betreten Sie bestimmte Stadtteile nicht“ oder „Gehen Sie nicht aus dem Haus“ oder „Hauen Sie doch nach Israel ab, wenn es Ihnen hier nicht passt“? Das wäre doch sinnvoll und allemal ehrlicher als die Handreichung eines Taschentuchs zum moralischen Krokodilstränentrocknen? Gut, Felix Klein, der Antisemitismusbestrafte der Buntenregierung, hat es wenigstens versucht, das muss ich ihm lassen. Müssen sich halt „de Jodn“ auch mal an Schutztipps halten, dann passiert auch nichts. Jedenfalls nicht gleich.
Sicher mag es der ein oder andere politisch-religiotische Kleinlautsprecher „unerträglich finden“, dass es so ein bisschen Antisemitismus gibt, aber er muss ihn ja auch nicht ertragen. Ertragen müssen ihn die hier lebenden Juden, deren Vergehen es ist, hier lebende Juden zu sein.
Aber ich will ja nicht nur schimpfen: Ein ehrlicher erster Schritt könnte es sein, endlich den Elefanten im Raum zu benennen, der mitnichten nur aus der Nähe der ornithologischen Exkrementenkenner kommt. Am meisten lernen Menschen durch die Erfahrung, die sie selbst machen. Im zweiten Schritt bräuchte es also humorvolle Richter, die unter Sozialstunden nicht „Kartoffelschälen bei der Caritas“ verstehen, sondern Synagogen putzen lassen oder einen Speichellecker einmal selbst mit Kippa ins Getümmel schicken. Möglichst in einer anderen Stadt, die nicht seine Hood ist. Die kleinen Gröfatzkes sind nicht mit einem erhobenen Zeigefinger zu belehren, sondern müssen in die Lage ihrer Opfer versetzt werden. Vielleicht – nur vielleicht – ist so etwas für einen Antisemitismuskranken mal eine wirksame Medizin. Weil es die ist, die er selbst verabreicht hat.