Eugen Sorg, Gastautor / 23.01.2021 / 06:15 / Foto: Danilo Škofič / 68 / Seite ausdrucken

Eine seltsame Krankheit namens Resignationssyndrom

Die Vorfahren der heutigen Schweden, die Wikinger, waren gefürchtet für ihre Wildheit und Grausamkeit. Mit ihren schnellen Schiffen und Schwertern fielen sie regelmäßig in Europa ein und und plünderten Städte wie London, Hamburg, Paris. Bei den christlich gebildeten Angelsachsen und Franken waren sie verrufen als Barbaren, als „Heiden aus dem Norden.“

Tausend Jahre später flößen die Schweden niemandem mehr Angst ein. Im Gegenteil. Die rohen Wikinger haben sich zu einem arbeitsamen, friedfertigen, toleranten und hilfsbereiten Völkchen entwickelt. Unzählige Migranten, Glückssucher und Flüchtlinge aus aller Welt machten sich in den letzten fünfzig Jahren auf, um in Schweden zu leben. Kein anderes westliches Land nahm im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung mehr Zuwanderer auf als die fürsorgliche schwedische Monarchie. 

Man ist stolz auf den inoffiziellen Titel einer humanitären Großmacht. Obwohl diese Ehre auch Probleme mit sich bringt. Wie zum Beispiel im Fall jener rätselhaften Krankheit, die Ende der Neunzigerjahre zum ersten Mal im Norden des Landes auftaucht und sich schnell ausbreitet. Im Jahre 2006 sind bereits 450 Fälle bekannt.

Anfällig sind Kinder und Jugendliche zwischen acht und achtzehn Jahren. Und die Symptome sind immer gleich: Die jungen Patienten gleiten in eine Art Koma, schließen die Augen, sind unansprechbar, hören auf zu essen und zu trinken, koten ein wie Kleinkinder und müssen über eine Sonde ernährt werden.    

Nur ein positiver Asylentscheid hilft

Merkwürdig ist, dass diese Krankheit nur in Schweden vorkommt und dort wiederum nur Asylbewerber-Familien betrifft, genauer: anfangs Roma aus Ex-Jugoslawien, später auch ethnische Uiguren aus der früheren Sowjetunion, dann vereinzelt Jesiden. Ebenso seltsam: Auslöser ist immer ein abgelehnter Asylantrag. Und die einzig wirksame Therapie ist ein positiver Asylentscheid. Kaum ist die gute Nachricht eingetroffen, beginnt das Leben in die reglosen Körper zurückzukehren.                             

Das Schicksal der „Dornröschen-Kinder“ bewegt. Es lassen sich keine körperlichen Ursachen für den untoten Zustand finden. Puls, Blutdruck, physiologische Reaktionen – alles normal. Die Psychiater konsultieren ihre Klassifikationsschemata. Katatonie, depressive Entkräftung, dissoziative Störung, posttraumatische Belastungsstörung oder eher pervasives Verweigerungssyndrom? Nichts trifft wirklich zu, also kreiert man einen Namen für die neuartige Krankheit: „Uppgivenhetssyndrom“, Resignationssyndrom. 

Psychophantastik, Opferpoesie, moralische Sinnbilder treten an die Stelle fehlender wissenschaftlich-vernünftiger Erklärungen. Eine von Psychologen und Ethnologen verfasste Studie vertritt zum Beispiel die These, die Krankheit sei ein spezifisches Phänomen „holistischer Kulturen“, von Gesellschaften mit unklaren Grenzen zwischen dem Einzelnen und dem Kollektiv. Die apathischen Kinder würden sich freiwillig „für ihre Familien opfern, indem sie das Bewusstsein verlieren.“ Die Regierung schickt zur Abklärung eine Delegation von Ärzten und Soziologen nach Kasachstan, Kirgistan, Serbien, dem Kosovo. Alle lokalen Doktoren erklären jedoch, noch nie von solchen Symptomen gehört zu haben.

Wie Schnewittchen, fallen sie einfach aus der Welt

Seriöse Ärztezeitungen veröffentlichen Gedichte zum Syndrom, mit Zeilen wie, „deine Augen haben alles gesehen“. Ein renommierter Kinderpsychiater sieht die von ihren weinenden Müttern umsorgten Kinder „umweht von der Atmosphäre von Michelangelos Pietà“. Ein Berufskollege deutet die Störung als „gewolltes Sterben“ und vergleicht die apathischen Kinder mit jenen geschundenen und erschöpften KZ-Häftlingen des Holocaust, die sich in eine Ecke gekauert und auf den Tod gewartet hätten. 

Die medizinischen und journalistischen Berichte beschreiben die Patienten durchwegs als die intelligentesten, sensibelsten und assimiliertesten Mitglieder ihrer Familien, als perfekte, heldenhafte, beinahe heilige Wesen. „Sie sind wie Schneewittchen“, gibt eine Ärztin den oft schwärmerischen, ja märchenhaften Ton wieder, „sie fallen einfach aus der Welt“.

Als das Fernsehen Aufnahmen von Kindern zeigt, die auf Tragbahren ausgeschafft werden, ist das für viele nicht mehr auszuhalten. Es folgt ein moralischer Aufschrei. Das reiche Schweden deportiert seine verletzlichsten und hilflosesten Mitmenschen. Das Selbstbild der Nation, die Identität als Hüterin einer universalen „Ethik des Mitgefühls“ erfährt eine schamvolle Kränkung. Die Regierung stoppt die Abschiebungen.    

Skeptiker werden als herzlos abgebügelt

Man kann sich die seltsame Krankheit, die nur ausgewählte ethnische Gruppen unter spezifischen Umständen befällt und wieder verlässt, nicht erklären. Aber man ist sich einig, dass es eine echte Krankheit ist. Die wenigen, die gegenüber der Schneewittchen-Erzählung Skepsis anbringen, werden als rassistisch, xenophob, herzlos abgebügelt. Oder ignoriert, wie jene Techniker eines TV-Teams, denen aufgefallen war, dass die kranken Kinder „ziemlich frisch“ wirkten, wenn sie sich unbeobachtet wähnten.     

Im Herbst 2019 erzählen zwei junge Erwachsene dem angesehenen schwedischen Magazin Filter ausführlich, wie sie als Kinder von ihren Eltern gezwungen worden seien, das Resignationssyndrom zu simulieren. Die Idee habe eine befreundete Familie geliefert. Einer der beiden ehemals „Kranken“, Nermin, schildert, wie er von seinem Vater geschlagen worden sei, wenn er nicht gehorcht habe. Die qualvolle Schauspielerei dauerte mehrere Jahre, bis die Familie die Aufenthaltsbewilligung erhält.

Der Bericht erregt großes Aufsehen. Das Tabu ist gebrochen. Wie viele der tausend Schneewittchen waren falsch? Die Hälfte? Die meisten? Lange hielt sich das Land an das Motto von Pippi Langstrumpf, der berühmtesten Schwedin: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ Nun ist die reale Welt zu Besuch gekommen. Und sie ist nicht drollig und unschuldig wie Bullerbü. 

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche.

Foto: Danilo Škofič Večer 509830 Commons:Licensing Gemeinfrei via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Gerald Weinbehr / 23.01.2021

Mich erstaunt nur, dass diese “Krankheit” noch nicht in Merkel-Land angekommen ist. - Im Ernst, die Feststellung “Die wenigen, die gegenüber der Schneewittchen-Erzählung Skepsis anbringen, werden als rassistisch, xenophob, herzlos abgebügelt” benennt das eigentliche Problem glasklar. Da erkenne ich Merkel-Land sofort.

Carsten Bertram / 23.01.2021

Ich warte auf den Tag an dem diese unheimliche Krankheit auch in Deutschland auftritt. Überall werden spezielle Fachzentren an den Universitätskliniken entstehen. Neue Professuren werden ausgelobt. Sozialarbeiter geschult. Ein riesiger Markt der auf Erschließung wartet. Der einzige Grund warum es noch nicht so weit gekommen ist : Selbst wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde, wird in Deutschland niemand abgeschoben. Also kein Bedarf für eine seltsame Krankheit.

Bastian Kurth / 23.01.2021

Ich habe auch ein Syndrom wenn ich so etwas lesen muss! TOURETTE! Wie dämlich ist eine Gesellschaft, die sich moralisch erpressen läßt und dann den Erpressern auch noch Oden widmet? Also wäre es demnach logisch, daß ein Vergewaltiger von seinem Opfer Liebesgedichte erhält??? Kann mal bitte jemand meine Dosis erhöhen…...............?

Judith Panther / 23.01.2021

Für jemanden, der sich auch nur marginal mit dem Thema Psychosomatik beschäftigt hat stellt das Dornröschen-Syndrom in keiner Weise ein Rätsel dar. Wenn etwas quakt, läuft und aussieht wie eine Ente dann ist es eine Ente.  Das Problem hier sind wie immer die Gutmenschen, die das watschelnde, quakende entenförmige Federwesen kurzerhand zum Weißen Schwan umdiagnostizieren und nun von den Einheimischen verlangen, ihm lebenslanges Aufenthaltsrecht in ihrer Badewanne zu gewähren. Wenn das Dornröschen-Syndrom nur in Schweden auftritt dann deshalb, weil man dort Asylbewerber ohne Bleiberecht wahrscheinlich konsequent abschiebt. Was gleichzeitig erklärt, weshalb dieses Phänomen in Deutschland nicht auftritt. Hier muß kein Asyl-Vater seine Kinder prügeln bis sie sich freiwillig totstellen. Wer hier einmal den Fuß in der Türe hat ist unabschiebbar, weil hier das Volk selber im Dornröschenschlaf liegt, eingelullt von den Sirenengesängen der Staatspropaganda. Außerdem handelt es sich bei dem, was von Racketes Trojanischen Seepferden und den kirchlichen Seelenverkäufern mit Open Arms aufgenommen und hier eingeschleppt wird ja auch nicht um Kinder und Minderjährige mit Ingenieurs-Diplom, die es die es nicht erwarten können, den Altparteienwählern im Seniorenheim den Hintern abzuputzen, sondern um Horden minderbemittelter Männer im besten Kampfesalter, die es nicht erwarten können, hier die Macht zu übernehmen und abzuräumen. Nu, was soll ich sagen: Immer noch besser als die Faschisten und Psychopathen da oben, die uns gerade „Volle Kraft voraus“ ins Verderben regieren.

Frank Stricker / 23.01.2021

Läuft doch in Deutschland ähnlich, es sei hier an das palästinensische Flüchtlingsmädchen Reem erinnert. Bei einer Podiumsdiskussion mit Merkel einfach mal abgeheult und schwuppdiwupp wurde eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Die Göre soll zwischenzeitlich sogar eine Art Autobiografie erstellt haben.

George Samsonis / 23.01.2021

Eine dtsch. Popband sang vor einiger Zeit noch, die Großstadt zu verlassen zu wollen und träumte von einem Sommer in Schweden. Heute ist Schweden zu ein Albtraum geworden. Das sollte in Dtl. allen - insbesondere denen, die meinen LinksGrün wählen zu müssen/wollen - eine Warnung sein. Ich will keine Straßencheckpoints Der Anderen, wie in Schweden geschehen!

Paul Siemons / 23.01.2021

Doch, die Schweden können einem Angst machen. Ihr Hang zum kulturellen und sozialen Selbstmord, der sich durch Symptome wie Gutmenschlichkeit, Fernstenliebe und Wegguckeritis manifestiert, besitzt fatale Außenwirkung mit Ansteckungspotenzial. Es würde mich sehr wundern, wenn es von dieser schrecklichen Seuche nicht längst auch deutsche oder schweizer Mutationen gäbe.

Dr. Joachim Lucas / 23.01.2021

So auf die Art habe ich Anfang der 80iger Jahre auch versucht um die Bundeswehr rumzukommen. War damals länger im Bundeswehrkrankenhaus München auf Isolierstation. Detail, wie ich es versucht habe, erspare ich mir hier. Hat aber letztlich nicht geklappt. Aber Schneewittchen hat mich keiner genannt und die solidarischen Schneeflöckchen von heute gab es auch noch nicht. Man hat mich wahrscheinlich für einen klassischen Simulanten gehalten und hat mich auch dabehalten.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Eugen Sorg, Gastautor / 17.05.2021 / 14:00 / 38

Das quälende Gefühl, im falschen Körper geboren zu sein

Die Lifestyle-Linke im reichen Westen hat ein neues Lieblingsobjekt: es ist der Transmensch. Als Mann geboren, aber sich als Frau definierend, oder umgekehrt, flirrt dieser…/ mehr

Eugen Sorg, Gastautor / 20.02.2021 / 12:00 / 34

Niemand kann die menschliche Geschichte kontrollieren

Die Französische Revolution pflügte vor 230 Jahren nicht nur Frankreich um, sondern erschütterte und veränderte den Lauf der ganzen Welt. Der Preis für den Sturz…/ mehr

Eugen Sorg, Gastautor / 12.12.2020 / 06:20 / 93

Das Böse und die Deradikalisierer

Vor wenigen Wochen richtete der 20-jährige Kujtim Fejzulai in Wien ein Blutbad an. Ausgerüstet mit einem Sturmgewehr, einer Handfeuerwaffe, einer Machete und einer Sprengstoffattrappe zog…/ mehr

Eugen Sorg, Gastautor / 08.11.2020 / 16:30 / 25

Der UN-Menschenrechtsrat ist eine Farce

Es gibt viele überflüssige Dinge in dieser Welt, und zu diesen gehört auch der Menschenrechtsrat der UNO. Entstanden aus einer Idee eines Schweizer Juristen und…/ mehr

Eugen Sorg, Gastautor / 10.10.2020 / 06:00 / 104

Die Demontage der Maskulinität

Wir leben in einem postheroischen Zeitalter, belehren uns seit einiger Zeit Politologen und Soziologen, und man weiss nicht genau, ob sich diese These nüchterner Analyse…/ mehr

Eugen Sorg, Gastautor / 16.08.2020 / 16:00 / 69

Weiß-Sein als Schuld und Krankheit

In Amerika findet eine Kulturrevolution von oben statt. Die lange nur von linksesoterischen akademischen Zirkeln in unlesbaren Büchern vertretene Idee, dass die multiethnische und multireligiöse…/ mehr

Eugen Sorg, Gastautor / 12.07.2020 / 14:00 / 12

Black Lives Matter und die schwarze Gewalt gegen Schwarze

Tony Timpa, 32, rief von einem Parkplatz in Dallas, Texas, die Polizei um Hilfe an. Es war August 2016, und er war aufgewühlt und agitiert. Anstatt…/ mehr

Eugen Sorg, Gastautor / 16.12.2019 / 14:00 / 4

Schatzsucher sind schlimmer als Terroristen

Als George Powell und Layton Davies, zwei Hobby-Schatzsucher, ein Gelände in der englischen Grafschaft Herefordshire durchstreiften, schlugen plötzlich ihre Metalldetektoren heftig an. Sie waren auf…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com