Artikeltyp:Meinung

Eine Österreich-Lektion für Friedrich

Der CDU-Vorsitzende will lieber zurücktreten, als mit der AfD zu koalieren und begründet dies mit seinen Lehren aus der politischen Entwicklung in Österreich. Bei dieser Lektion hat der Friedrich wohl nicht richtig aufgepasst.

Wie steht es eigentlich um die Brandmauer gegen die AfD? „Ich wiederhole es hier zum Mitschreiben. Eine Zusammenarbeit unter meiner Führung wird es mit der CDU in Deutschland nicht geben“, sagte Friedrich Merz am Freitag in den ARD-Tagesthemen. Die CDU würde „ihre Seele verkaufen", wenn sie mit der AfD zusammenginge, wird der Kanzlerkandidat in verschiedenen Medien zitiert.

Lassen wir die Frage mal dahingestellt, ob Friedrich Merz wirklich die geeignete Besetzung als moralische Instanz in Sachen Seelenverkauf ist. Aber seit seine österreichische Schwesterpartei ÖVP mit den zuvor kategorisch abgelehnten Blauen von der FPÖ über eine Regierungsbildung verhandelt, steht die Frage nach einer Öffnung der Brandmauer zur AfD in Deutschland wieder im Raum.

Friedrich Merz versicherte deshalb wieder, er werde nicht zulassen, dass in der CDU die „Brandmauer" zur AfD falle. Nachgefragt, ob er ein solches Versprechen denn wirklich halten könne, soll Merz geantwortet haben: „Ich knüpfe mein Schicksal als Parteivorsitzender der CDU an diese Antwort.“ Das heißt doch im Klartext, er würde zurücktreten, falls seine Partei dem österreichischen Weg folgen würde, oder? Hat er sich das gut überlegt? In Wien hat der inzwischen Ex-Kanzler Karl Nehammer gezeigt, wie schnell das mit dem „Schicksal als Parteivorsitzender“ gehen kann. 

Im erwähnten Interview hieß es von Merz auch, dass Österreich zeige, was passiere, „wenn man meint, man müsse eine solche Gruppierung, eine solche Partei durch eine solche Regierungsbeteiligung domestizieren oder irgendwo zur Vernunft bringen". „Nein, wir bringen sie nicht zur Vernunft, die machen sie immer nur stärker.“

Die Schwäche nach dem Regieren

Die Frage, wer in diesem politischen Raum mit welcher Methode zur Vernunft zu bringen wäre, stellen wir hier einmal hintan. Festhalten lässt sich allerdings, dass die AfD doch durch Ausgrenzung - insbesondere von der CDU - auch immer stärker wurde. Gestärkt wurde sie vor allem dadurch, dass sich die schwarzrotgrünen Politiker leider der Problemlösung in solch heiklen Bereichen wie einer Zuwanderungspolitik im Interesse der eigenen Bevölkerung oder dem Vorrang einer zuverlässigen Energieversorgung vor Atomausstieg oder vermeintlicher Klimarettung verweigert haben.

Kurz gefasst: Der Merkel- und Merz-Weg im Umgang mit der AfD hat selbige nachweislich immer stärker werden lassen. Aber stimmt es nun, dass die FPÖ in Österreich durch die Einbindung in die Regierung gestärkt wurde?

Bleiben wir bei der vorerst letzten Regierungsbeteiligung der FPÖ unter dem ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz im Jahre 2017. Die oppositionellen Blauen hatten seinerzeit bei den Nationalratswahlen fünfeinhalb Prozentpunkte hinzugewonnen und kamen auf 26 Prozent. Die ÖVP lag bei 31,5 Prozent. 

Die Regierung zerbrach bekanntlich in Folge des sogenannten Ibiza-Skandals und bei den Neuwahlen 2019 stürzte die FPÖ um fast zehn Prozentpunkte auf 16,2 Prozent ab, während die ÖVP sechs Prozentpunkte hinzugewann und 37,5 Prozent erreichte. Damit hatten die Österreicher zwar wieder mehrheitlich Mitte-Rechts-Parteien gewählt, aber die Stimmen hatten sich innerhalb dieses Lagers so stark zur Mitte hin verschoben, dass sich die ÖVP völlig frei fühlte und diesen Umstand meinte, ignorieren zu können.

Mit der FPÖ wollte Kanzler Kurz nicht weiter regieren und entschied sich ausgerechnet für die Grünen als Koalitionspartner. Dafür mag es gute Gründe gegeben haben, aber die inhaltlichen Erwartungen der jeweiligen Wähler waren wohl von allen möglichen Kombinationen am allerwenigsten miteinander kompatibel. Auch nach dem Abgang von Sebastian Kurz als Kanzler blieb Nachfolger Karl Nehammer dem eingeschlagenen Koalitionskurs treu, obwohl der Unmut der Bürger über ihre Bundesregierung eigentlich nicht zu überhören war.

Ein Gewächshaus für die AfD

Im Wahlkampf 2024 versuchte es die ÖVP,  wie auch die meisten anderen Parteien, mit einer österreichischen Variante der Brandmauer. Nehammer erklärte, dass er nicht mit der FPÖ koalieren würde.

Doch die Unzufriedenheit mit der - in deutsche Verhältnisse übersetzt - schwarzgrünen Regierung war stärker als die Brandmauer. Wieder wählte die Mehrheit der Österreicher die Mitte-Rechts-Parteien, nur verschoben sich die Gewichte nun dramatisch nach rechts. Die ÖVP verlor bekanntlich mehr als elf Prozentpunkte, während die FPÖ mehr als zwölf Prozentpunkte gewann und die ÖVP auf den zweiten Platz schickte.

Jetzt ist in der Tat kein „Einbinden“ der FPÖ aus der Position der Stärke mehr möglich. Aber das ist kein Resultat des Einbindens von 2017, sondern eines einer den Wählerwillen ignorierenden schwarzgrünen Koalition und ihrer Politik. Wenn Friedrich Merz etwas aus den österreichischen Verhältnissen lernen kann, dann ist die Lektion: Bei einer Mitte-Rechts-Mehrheit ist die Kombination aus schwarzgrüner Koalition und Brandmauer für seine Partei ein sicherer Weg in den nächsten Absturz.

Gerade diejenigen, die eine AfD auf dem Weg zur Volksparteien-Stärke bremsen wollen, weil sie das für bedenklich oder gefährlich halten, müssten doch langsam aus Erfahrung lernen, dass die Brandmauer das Wachstum der Partei nur wie ein Gewächshaus begünstigt. Wir sehen es ja in diesem Wahlkampf. Eigentlich könnte die AfD auf eigene große Auftritte verzichten, den Wahlkampf erledigen schon die Mitbewerber für sie, beseelt von dem Irrglauben, sie würden die Partei bekämpfen.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Montage achgut.com/ Olaf Kosinsky - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, via Wikimedia Commons

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

W. Renner / 11.01.2025

Man sollte das Wahlrecht dahin gehend ändern, Politiker abwählen zu dürfen, anstatt zu wählen.

B.Jacobs / 11.01.2025

Sehr geehrter Herr Merz, Sie haben nach Uschis größenwahnsinnigen Entschluss einen sehr klugen und treffenden Satz gesagt “Der Rauswurf Russlands aus SWIFT (Welthandelswährung) geht auf dem Kapitalmarkt hoch wie eine Atombombe. Anstatt überfällige Brandmauern ein zu reißen und mit klugen Köpfen unser Land aus der Schieflage zu befreien, sind sie bemüht ihren politischen Nieten den Hintern und die Diäten zu retten, warum? Wahrscheinlich sind Sie schon lange zum einsamen Kämpfer geworden, der gegen seine Rot Grün Punkt Kollegen und unfähigen Schwätzer in der Union machtlos ist. Die Union ist unter diesen Umständen unwählbar für den Bürger geworden, weil diese Nieten ihrer Partei uns noch mehr in den Ruin führen werden. Schade drum.

B.Jacobs / 11.01.2025

Selbst Sahra Wagenknecht ist als promovierte Ökonomin westlicher Betriebswirtschaft angetreten die Grundsubstanz sozialer Marktwirtschaft zu retten, wirklich noch ein Grund sich für die Hampel Union zu schämen, immerhin haben sie es geschafft, Merkels Planwirtschaftsmodell und auch Uschis mit wehenden Fahnen mit zu gestalten. Ich wähle zwar BSW nicht, aber fällt dem Friedrich Merz nicht langsam auf, dass die Union alle Werte der sozialen Marktwirtschaft eines Ludwig Erhards verraten haben? Wirklich blamabel Brandmauern zu errichten, um der Realität einer Murks Wirtschaft, Krieg Wirtschaft im Sinne der Grünen und Uschi davon zu laufen. Da helfen auch nicht mehr die neuen Einsichten von Merz, das korrigieren zu wollen, wenn er solche Dünnbrettbohrer wie Klöckner hofiert, wo selbst der Finanzminister von Ludwig dem 14. schlauer war teure Import Wirtschaft zurück zu fahren und selbst Mehrwert in der eigenen Realwirtschaft zu schaffen. Natürlich giften Zocker Ökonomen, die in der Börsenspielbank die Heilsbringer sehen, wo manipulierte Wirtschaftsdaten durch Leerverkäufe und Spekulation wie Seifenblasen herauf beschworen werden. Natürlich müssen gekaufte Ökonomen den Hintern der Pampers Kinder warm halten ohne Pflichten die schreien Arbeit i gitt, ihre Migrationslüge aufrecht erhalten, wobei ohne Arbeitsmigranten läuft die Wirtschaft nicht mehr, aber es kommen doch mehrheitlich nur Asylparasiten, die unsere Sozialsysteme plündern und man will sie weiter auf Kosten der Allgemeinheit behalten, obwohl sie sich Integration und Gegenleistung verweigern? Natürlich könnten keine Verdiener der Asylindustrie, die aus der Staatskasse gelöhnt werden nicht mehr verdienen, in deren Taschen man Volkes Geld umverteilt. Einen Heiligenschein muss man sich leisten können, das kann niemand.

Markus Viktor / 11.01.2025

@Klaus Keller: „Ich empfehle der CDU eine Mitgliederbefragung mit der Fragestellung ob eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen werden soll.“ Sehr gute Idee und es wäre auch eine sehr gute Einmischung von Musk, genau dies der CDU zu empfehlen. Sollte es Musk nicht in den Fingern jucken, Merz mit klugen Einmischungen rauszukegeln? Peter Grimm könnte Musk mit seinen Argumenten beliefern. Vielleicht geht da noch was. Schon mit so einfachen Fragen wie: wie wollt ihr ohne Abriss der Brandmauer aus eurem Schlamassel wieder hinauskommen?

Albert Martini / 11.01.2025

Frriedrich der Grüne kann seine Zukunft in der österreichischen Glaskugel sehen. Hoffentlich kommen die deutschen Wähler noch zur Vernunft und wählen einen Ausweg für Deutschland, Inzwischen dürfte zumindest das Bekenntnis zur lächerlichen Merkelpartei sozial nachteiliger sein als das Eintreten für die massenmedial verfemte Kohl-CDU AfD.

Sabine Schönfelder / 11.01.2025

Liebe Uta Buhr, danke für Ihre stets freundliche Zustimmung. Kichere heute noch über Ihre „gestrige Kuckucksuhr“ beim Schwarzwald-Colonel. Freue mich immer über Zustimmung. Frei nach Hüsch schreibe ich für alle die mich mögen, „die Verrückten, die seitlich Umgeknickten, die eines Tags nach vorne gefallen und unbemerkt von allen, an ihrem Tisch in Küchen sitzen, und keiner Weltanschauung nützen….“….Habeck nehme ich aus, der sitzt einfach nur am Küchentisch in seinem Lieblingszustand : Geistes abwesend. Grüße an Franz Klar und seine emsigen Bemühungen bei einem „schlanken“ Moselwein geistreichen Zynismus zu produzieren….üben…üben…üben…bis jetzt gähnt nur der Leser.

Markus Viktor / 11.01.2025

Interview im Standard mit dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Strabag, Haselsteiner. “STANDARD: Industriellenpräsident Georg Knill hat schon vor den Wahlen zu Schwarz-Blau tendiert und sich jetzt erneut dafür ausgesprochen ...” “Haselsteiner: Ich habe schon damals beanstandet, dass es dafür keinen Vorstandsbeschluss der Industriellenvereinigung gibt, und der existiert auch heute nicht. Aber der Herr Präsident kann solche Aussagen mit geringem Risiko tätigen, weil ein Großteil der Industriellen für Schwarz-Blau ist und die anderen sich neutral verhalten. Letztere Gruppe hat einfach andere Sorgen im Fokus: Arbeitskräfte, Lohnnebenkosten, Energiekosten, Wettbewerbsfähigkeit. Die sagen sich: Egal, welche Politik gemacht wird – Hauptsache, die Existenz meiner Firma ist gesichert.” Felix Austria sine muro. Musk hätte hierzulande besser die Industriellen entsprechend bearbeitet oder könnte das immer noch tun.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 06.01.2025 / 06:25 / 55

Kommt der Kanzler Kickl?

Österreich sieht jetzt Koalitionsverhandlungen der FPÖ mit der ÖVP entgegen. Plötzlich ist ein FPÖ-Kanzler Kickl denkbar. Der Bundespräsident hat den ungeliebten Kanzlerkandidaten bereits zum Gespräch…/ mehr

Peter Grimm / 01.01.2025 / 06:15 / 130

Wer hat Angst vor Einmischung?

Deutsche Spitzenpolitiker beklagen in schrillen Tönen, Elon Musk mische sich von außen in deutsche Politik ein. Bis vor gut 35 Jahren hatte die SED-Führung immer…/ mehr

Peter Grimm / 30.12.2024 / 06:15 / 53

Die Bundesregierung wünscht ein teures neues Jahr

Zum Jahreswechsel steigt die sogenannte CO2-Abgabe und heizt gerade bei der Energie die Preisspirale weiter an. Das ist aber kein Naturgesetz, sondern eine rein politische…/ mehr

Peter Grimm / 21.12.2024 / 06:00 / 238

Offene Fragen nach dem Magdeburger Anschlag

Mindestens fünf Tote und mehr als 200 Verletzte gab es gestern, als ein aus Saudi-Arabien stammender Mann gezielt in eine Menschenmenge im Magdeburger Weihnachtsmarkt fuhr.…/ mehr

Peter Grimm / 18.12.2024 / 14:23 / 59

Ministerpräsident von Gnaden der Linken

Es sollte in Sachsen keinen „Ministerpräsidenten von Gnaden der AfD“ geben, sagte eine linke Abgeordnete. Und weil Michael Kretschmer (CDU) schon im Koalitionsvertrag eine Abhängigkeitserklärung…/ mehr

Peter Grimm / 17.12.2024 / 06:15 / 61

Spielen zwei Kanzlerkandidaten den Kriegs-Wahlkampf?

Scholz und Merz reisten beide jüngst nach Kiew und wollten jeweils die besten Ukraine-Unterstützer darstellen, doch im Wahlkampf kultivieren sie in Kriegsfragen einen Gegensatz, um nicht völlig…/ mehr

Peter Grimm / 12.12.2024 / 14:00 / 61

Was folgt Thüringens Tollkirschen-Regierung?

Mario Voigt (CDU) wurde nach einem Kotau vor den Linken im ersten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt. Dieses Alle-Parteien-gegen-die-AfD-Bündnis wird der einzig verbliebenen Oppositionspartei aber nur…/ mehr

Peter Grimm / 09.12.2024 / 16:00 / 20

Der Bundestag redet über beleidigte Politiker

Durch hunderte Anzeigen beleidigter Spitzenpolitiker geriet das Extra-Strafrecht für Beleidigungen von Politikern wieder in die Diskussion. Die neue Art der Majestätsbeleidigung war letzte Woche auch…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com