Eine obskure Nacht – Wurde Sachsens Landtagswahl falsch ausgezählt?

Haben die Grünen die Fünf-Prozent-Hürde vielleicht gar nicht geschafft und müssten den Landtag verlassen? 

Oft sprachen in der jüngsten Vergangenheit die selbsternannten „Parteien der demokratischen Mitte“ (CDU, SPD, Grüne etc.) davon, wie wichtig es sei, die Demokratie und ihre Institutionen vor dem Zugriff der „bösen Populisten“ zu schützen. Wenn es aber konkret darum geht, unsere freien Wahlen vor möglichen Fälschungen und Manipulationen zu schützen, verstecken sich Verantwortliche hinter bürokratischen Floskeln. So wie aktuell in Sachsen, wo es den begründeten Verdacht gibt, dass beim Auszählen der Stimmen nach der letzten Landtagswahl möglicherweise nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Der Verdacht ist deshalb besonders brisant, weil er auch infrage stellt, ob die Grünen es in Sachsen tatsächlich über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft haben.

Im September 2024 erschien auf Substack ein Artikel über rechnerische Auffälligkeiten beim Zusammenzählen der abgegebenen Stimmen zur Landtagswahl am 1. September. Der Verfasser ist ein IT-Spezialist aus Dresden und dem Autor bekannt. Der Informatiker hatte Screenshots der vom Landeswahlleiter in der Wahlnacht veröffentlichten Auszählungsstände gesehen. Die Echtheitserklärung liegt auch dem Autor vor. Was genau wird moniert?

Es geht um den Anteil der Listenstimmen der sächsischen Grünen. Laut Screenshots waren ausgezählt:

  • um 22:48 Uhr 412 Gemeinden. Die Grünen kamen auf 3,7 Prozent
  • um 23:20 Uhr 431 Gemeinden. Die Grünen kamen auf 3,7 Prozent
  • um 23:33 Uhr 429 Gemeinden. Die Grünen kamen auf 4,5 Prozent 

Im Endergebnis kamen nach Auszählung aller 435 Gemeinden Bündnis90/Die Grünen auf einen Listenstimmenanteil von 5,1 Prozent.

Auffällig: Zwischen 23:20 Uhr und 23:33 Uhr wurden zwei Gemeinden plötzlich weniger „als ausgezählt“ angezeigt, aber die Grünen gewannen 0,8 Prozentpunkte dazu. Wie kann das sein? Entweder handelte es sich um einen Softwarefehler oder das Wahllokal wurde erneut eröffnet (was natürlich unzulässig wäre). Der Dresdner Informatiker rechnete mit einem selbstgeschrieben Programm durch, ob der überraschende Stimmenzuwachs unter den gegebenen Bedingungen mathematisch nachvollziehbar wäre. Sein Ergebnis: nein. Das Fazit: Möglicherweise haben die sächsischen Grünen die 5-Prozenthürde überhaupt nicht erreicht. Die fragliche Diskrepanz beträgt anscheinend 5.518 Stimmen. Bisher weiß niemand, ob es sie wirklich gab oder woher sie kamen.

Aufklärung, Transparenz: Fehlanzeige

Es existiert auch bei demokratischen Wahlen eine Wahrscheinlichkeit, dass es zu Fehlern kommen kann. Berlin hat das bei der letzten Bundestagswahl eindrücklich gezeigt. In manchen Stimmbezirken wurden am Ende die Ergebnisse eher geschätzt als ausgezählt, weshalb die Wahl dort bekanntlich auch wiederholt werden musste. Solche Dinge geschehen auch aus Inkompetenz oder Systemversagen in der Organisation. Es muss also nicht zwingend ein Vorsatz zur Fälschung des Wahlergebnisses vorliegen, wenn das Ergebnis durch Fehlleistungen verfälscht wird.

Doch zurück zu den auffälligen Zahlen aus Sachsen. Lassen wir die begründeten Hypothesen des Dresdner Informatikers erst mal so stehen und blicken auf das, was danach passiert ist.

Zunächst wandte er sich am 12. September 2024 an den Landeswahlleiter und teilte seine Befunde und Bedenken mit. Außerdem erbat der Informatiker gemäß Informationsfreiheitsgesetz sowie Sächsischem Transparenzgesetz (SächsTransG) die Herausgabe des Quellcodes der am Wahltag verwendeten Wahlsoftware, die Systemprotokolle (des Wahlabends und die Erfassung der Ergebnisse) und die Datenbanken (oder Daten-Extrakte, die zur Speicherung und Verarbeitung der Wahldaten verwendet wurden).

Da es sich ja um eine freie, faire und demokratische Landtagswahl gehandelt hat, sollte seitens der demokratischen Institutionen (Landeswahlleiter und CDU-geführtes Innenministerium) eine Interesse an einer Aufklärung von vermuteten Unregelmäßigkeiten vorhanden sein. Aber: Monatelang versuchte der Dresdner Informatiker – per Brief und E-Mail – vom Innenministerium, vom Statistischem Landesamt sowie vom Wahlprüfungsausschuss des Sächsischen Landtags eine zufriedenstellende Antwort zu erhalten. Ohne Erfolg. 

"Sind Sie tätig geworden?"

Auch der Autor schrieb an das Statistische Landesamt Kamenz (Sitz des Landeswahlleiters) und bat um Informationen darüber, warum der Fall nicht aufgeklärt werden könne. Antwort:

„Ihre Anfrage bezieht sich auf einen Wahleinspruch gegen die Landtagswahl, diese ist an den Sächsischen Landtag zu richten.“ (E-Mail vom 18.2.2025 an den Autor)

Das hatte ich zwei Tage zuvor, am 16. Februar 2025, bereits getan und an den Vorsitzenden des Wahlprüfungsausschusses des Sächsischen Landtags, Martin Modschiedler (CDU), Folgendes geschrieben:

Sehr geehrter Herr Modschiedler,

die Landtagswahl vom 1.9.2024 ist am 15.9.2024 angefochten worden. Nachzulesen hier

https://www.bild.de/politik/inland/wahleinspruch-fliegen-die-gruenen-aus-dem-saechsischen-landtag-67acc13754b3d643d7407fde?dicbo=v2-M4u3tT0&cid=kooperation.article.outbrain.desktop.AR_2.ff.bild

hier

https://www.nius.de/politik/news/ploetzlich-5-1-prozent-im-saechsischen-landtag-informatiker-behauptet-gruenen-zwischenergebnis-kann-nicht-stimmen/735c5cb5-004a-4ae6-93fa-119c09c917a5

und hier

https://substack.com/inbox/post/148841005?r=4e6yg8&triedRedirect=true

Der Landeswahlleiter verweigert angeblich eine transparente Aufklärung. Welche Informationen haben Sie? Sind Sie bereits tätig geworden?

Mit freundlichem Gruß

Die Antwort per E-Mail kam am 18. Februar 2025:

Vielen Dank für Ihre Nachricht.

Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen zu den internen Sitzungen des Wahlprüfungsausschusses keine Auskunft geben kann.

Bei Fragen steht Ihnen die Pressestelle der CDU-Landtagsfraktion zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Herausgabe von Informationen gefährdet die Demokratie?

Ich durfte Einsicht in die Korrespondenz zwischen dem Beschwerdeführer und den verschiedenen Institutionen nehmen. Nach einer explorativen Dokumentendurchsicht ist das vorläufige Fazit doch erschreckend: Der Landeswahlleiter (dessen Büro), das Innenministerium, der Wahlprüfungsausschuss und der Verfassungsgerichtshof Sachsen (auch an den hatte sich der Informatiker gewandt) zeigten kein Interesse daran, mögliche Ungereimtheiten bei der Stimmenauszählung am 1. September 2024 zügig aufzuklären. Im Gegenteil. Mehrfach wurde der Beschwerdeführer schriftlich vertröstet, warum dieser oder jener Schritt, der zur Erhellung beitragen könnte, nicht möglich sei. Aus den Zeilen der Verwaltung roch es förmlich nach Desinteresse, Lustlosigkeit, Abwiegelung, stiller Arroganz, bürokratischem Schmalz und Paragraphenreiterei. (Elon, bitte übernehmen Sie! Wir brauchen D.O.G.E.!)

Das Büro des sächsischen Landeswahlleiters schrieb dem Beschwerdeführer am 5. Dezember 2024 in bestem Verwaltungsdeutsch als Begründung, warum die Herausgabe von Wahlsoftware, Systemprotokollen und Datenbanken nicht möglich sei:

„Die Bereitstellung der angefragten Informationen bzw. die Gewährung des Zugangs zu diesen würde detallierte Einblicke in Maßnahmen zur Datensicherheit und IT-Infrastruktur sowohl der Staatsverwaltung als auch bei den sächsischen Kommunen erlauben. Mit einer Zugänglichmachung würde damit das Schutzziel Vertraulichkeit unmittelbar und das Schutzziel Integrität potenziell bzw. mittelbar und in der Folge die Informationssicherheit gefährdet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich eine konkrete Gefahr gegeben ist – ausreichend ist vielmehr das Vorliegen der Möglichkeit einer Gefährdung … „

Sind Sie noch wach? Zugänglichmachung. Herrlich. Es kommt noch besser. Der Landeswahlleiter befürchtet, dass …

„ … aufgrund einer Veröffentlichung der angefragten Informationen bestehende Kenntnisse über eingesetzte Verfahren und Strukturen geeignet wären, mögliche Angriffspunkte auf die ordnungsgemäße Funktionsweise der eingesetzten Verfahren zu begründen. Eine Kenntnisnahme durch Unbefugte würde neben dem Risiko des Missbrauchs auch das Risiko einer Störung zentraler Informations- und Kommunikationswege zwischen den Wahlorganen begründen.“

Da steht es schwarz auf weiß: Wir sollen der Wahlorganisations-Bürokratie blind vertrauen. Nein, nachfragen geht gar nicht. Wo kommen wir denn da hin. Das könnte die Demokratie wahrscheinlich gefährden. Dabei sollte beim Umgang mit den Wählerstimmen größte Transparenz gelten. Die Auszählung der Stimmen im Wahllokal muss deshalb öffentlich, unter den Augen interessierter Bürger und Wähler erfolgen. Wer seine Stimme abgibt, sollte überprüfen können, ob sie auch richtig gezählt wird, das ist der so simple wie richtige Grundgedanke dahinter.

Aber dann muss er auch prüfen können, ob die weitere Verarbeitung des ausgezählten Stimmergebnisses korrekt verläuft. Die meisten Bürger sind dazu aufgrund mangelnder Informatik-Kenntnisse nicht in der Lage. Aber unser Informatiker schon. Doch die Behörde erklärt nun Informationen über die Verarbeitung der Wahldaten zur Ermittlung des Wahlergebnisses zur Geheimsache?

Nach Kenntnis des Autors hat die sächsische Bürokratie dem Beschwerdeführer kein einziges Angebot gemacht, um die potenziellen Ungereimtheiten beim nächtlichen Auszählungsprozess am 1. September 2024 gemeinsam aufzuklären.

Welche Folgen könnte es haben, wenn der Dresdner Informatiker recht hat? Im für die Grünen günstigsten Fall verlören sie ein Mandat. Im schlechtesten Fall sechs Landtagsmandate, die Fraktion müsste aufgelöst werden. Nur ein direkt gewählter Grüner würde im sächsischen Landtag verbleiben. Außerdem wäre dann die Frage zu klären, ob es sich um eine Panne oder eine gezielte Manipulation gehandelt hat. Das wäre eine Straftat gemäß § 107a Strafgesetzbuch.

Der nächtliche Wo-sind-die-Stimmen-für-die-Grünen-plötzlich-hergekommen-Fall hat noch aus einem anderen Grund einen bitteren Beigeschmack: Wenn sich im nicht allzu eng befreundeten Ausland die Opposition meldet und Wahlbetrug beklagt, erheben deutsche Unsere-Demokratie-Verteidiger sofort den moralischen Zeigefinger und fordern die restlose Aufklärung aller Vorwürfe. Aber wenn im eigenen Land die Auszählungsergebnisse einer Wahl angezweifelt werden, so wie aktuell in Sachsen, scheint das Motto zu sein: Aufklärung verzögern, verschleppen, verweigern, verschleiern, Kopf in den Sand.

Wie sagte US-Vizepräsident J.D. Vance zutreffend auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 14. Februar in seiner hervorragenden Rede:

„Wir müssen mehr tun, als nur über demokratische Werte zu reden. Wir müssen sie auch leben.“

Thank you Mr. Vice President!

Demokratie leben bedeutet auch, dass Politik und Verwaltung die Nachfragen von kritischen Bürgern nicht abbügeln sollten. Besonders wenn es um den Schutz von freien Wahlen im eigenen Land geht.

 

Stephan Kloss ist freier Journalist. Er lebt bei Leipzig und absolviert nebenberuflich ein Bachelor-Studium im Fach Psychologie.

Foto: Montage achgut.com

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Leserpost

netiquette:

Uta Buhr / 20.02.2025

Warum nicht gleich eine Einheitspartei à la DEEE DEEE ERRR ? Die würde das Procedere doch ungemein vereinfachen. Billiger wäre es auch, weil man nur ein Wahlplakat - wenn überhaupt - benötigt. Da sitzt dann ein Apparatschik im Wahlraum und macht das Kreuz für mich. Wahlkabinen überflüssig, weil es zur allein selig machenden Partei keine Alternative gibt. So schön, so simpel. Und wer erfolgreich den Genossen für sich das Kreuz hat machen lassen, erhält zur Belohnung einen Keks aus geschroteten Mehlwürmern. Eine Dystopie? Also. Leute, mich wundert rein nix mehr in diesem Land. Toll wäre es,  wenn es anders und besser käme. Ja, ja, was wären wir ohne Hoffnung! Dann wählt man alle schön am Sonntag und hofft, dass euer Wahlzettel nicht in der Tonne landet.

Johannes Schumann / 20.02.2025

Ist es nicht komisch, dass bei all den Auszählungsfehlern nie die AfD profitiert? Wenn es Zufälle und Versehen wären, müsste sich für alle Parteien mal positiv und mal negativ auswirken.

S. Malm / 20.02.2025

Da wird unsereDemokratie™ angezweifelt. Wehrkraftzersetzung! Ver­fas­sungs­schutz­re­le­van­te De­le­gi­ti­mie­rung des Staa­tes! Über den IT-Fachmann dürfte in den Kellern der Stas… ähh des Verfassungsschutzes bereits eine 1000-Seiten-Akte geführt werden.

Gert Lange / 20.02.2025

Das ist DDR2.0, sicher dokumentiert, oder?

Volker Kleinophorst / 20.02.2025

@ Schleif Natürlich ist das Video gefälscht. Linke machen das nicht. Und das Abendblatt ist seriöser Journalismus. PS: Die letzte BTW hätte wiederholt werden müssen, nicht nur in Berlin. Und das es da passierte lag auch mehr an Tichys Einblick als an den Beteiligten und Mainstreamjournalismus.

Albert Pelka / 20.02.2025

Junge Freiheit von heute: “Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergibt sich, mit wie viel Geld Schleuser Politiker von CDU und SPD bestochen haben sollen, um Aufenthaltstitel zu ergattern. Im Visier: zwei CDU-Landräte. Ein SPD-Mann ist bereits geständig.” Wo ein Wille (zum Wahlbetrug), da ist auch ein Weg, gelle, ihr Kartelldemokraten!  Und die GRÜNEN Überzeugungstäter sind ja auch noch eine einschlägige Antifa-Option gegen unerlaubte “NAZISCHLAMPEN”-Wahlsiege. ‘Legal, illegal scheißegal’, war ja schon das Motto vom streetfighting Vordermann Joschka Fischer, was doch inzwischen schon per DNA weitergegen wird und bei der GRÜNEN JUGEND sowohl phänotypisch als auch genotypisch längst schon rein weitergegeben wird. Oft gar in Wahlkampfzeiten in der Form: ‘Kommt Zeit kommt Rat , kommt Attentat’, gegen Andersdenkende/Parteien jeder Couleur. Habeck nennt so was dann bestenfalls wohl ‘ne prima Sponti-Aktion, affengeiles Spaß-GUERILLA marketing. Oder was sonst grad an Letzter Generations-Selbtermächtigungs-Erfordernissen brutalsprävntiv-antifaschistisch (ihnen) geboten sei.

Silas Loy / 20.02.2025

In Bremen hat man ja vor ein paar Jahren strafunmündige Minderjährige auszählen lassen. So für alle Fälle.

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