Peter Grimm / 23.04.2022 / 06:15 / Foto: Steffen Prößdorf / 53 / Seite ausdrucken

Eine Minister-Entlassung nach dem Rücktritts-Reigen

Nach den Rücktritten von zwei Ministerinnen und einer Parteivorsitzenden wurde ein Minister, der auch zu den Rücktrittskandidaten zählte, vom sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer entlassen, damit der nicht selbst zum Rücktrittskandidaten wird.

24 Stunden vor diesen Zeilen schrieb ich hier darüber, dass in Deutschland plötzlich wieder politisches Spitzenpersonal zurücktritt. Innerhalb von zwei Wochen betraf das immerhin zwei Ministerinnen und eine Bundesparteivorsitzende. Am Ende des Artikels verwies ich auf einige politische Verantwortungsträger, die sich gerade aktuellen Rücktrittsforderungen ausgesetzt sehen. Als Letzten erwähnte ich Sachsens Innenminister Roland Wöller. Der musste nun als erster der Erwähnten tatsächlich gehen. Allerdings trat er nicht zurück, sondern wurde vom Ministerpräsidenten entlassen. Auch das gab es lange nicht mehr, und eine Minister-Entlassung ist ein deutlich selteneres politisches Vorkommnis als ein Ministerrücktritt.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte höchstwahrscheinlich wirklich die Wahrheit, als er ausführte, wie schwer ihm dieser Schritt gefallen sei. Sein Parteifreund Wöller hat schließlich in Treue fest zum grundrechtseinschränkenden Corona-Kurs seines Landesherrn gestanden.

Erstmals aufgefallen ist er dabei im November 2020. Seinerzeit erlaubte das Oberverwaltungsgericht Bautzen eine zuvor verbotene Demonstration der Kritiker der Corona-Grundrechtseinschränkungen in Leipzig. Der Minister wurde vor allem mit seiner Richterschelte nach dem Urteil wahrgenommen. „Unverantwortlich“ sei es von den Richtern gewesen, das Demonstrationsverbot für die Innenstadt wieder aufzuheben. Zwar hat sich gezeigt, dass diese Demonstration trotz missachteter Masken- und Abstandsauflagen weder für eine Welle an Corona-Erkrankungen gesorgt noch anderweitig nennenswerten Schaden verursacht hat. Doch solche Tatsachen haben beim Innenminister zu keinen neuen Einsichten geführt. Er setzte sich für verschärfte Corona-Versammlungsregeln im Freistaat ein und wollte diese mit aller Konsequenz durchsetzen. Mit Härte und Entschlossenheit sollte seine Polizei gegen Demonstranten vorgehen und vor allem potenzielle Demonstrationsteilnehmer abschrecken. Dem Deutschlandfunk sagte Wöller am Nikolaustag des letzten Jahres:

Es gab einen großen Aufschrei, dass die Polizei seinerzeit etwa 900 Demonstranten umschlossen hat. Sistiert hat, wie das im Fachjargon heißt. Einzeln durften sie vortreten bis in die Nacht. Identitäten wurden festgestellt und die entsprechenden Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden eingeleitet. Ein ganz klares Signal, dass man nicht ungestraft demonstrieren kann, nicht gegen die Corona-Schutzverordnung verstoßen kann, und das versucht die Polizei heute so wieder durchzusetzen.“

Wöllers Weltbild

Welches Verhältnis ein Innenminister zu den Grundrechten hat, der ein Signal setzen will, „dass man nicht ungestraft demonstrieren kann“, lassen wir an dieser Stelle mal dahingestellt, denn er ist ja jetzt entlassen worden. Obwohl, einen Rückblick auf Wöllers Weltbild kann man sich vielleicht noch gönnen, nachzulesen auf cdu.de zum Jahresbeginn:

„Der sächsische Innenminister Roland Wöller fordert mehr Befugnisse für die Polizei im Kampf gegen Kriminelle, die etwa über den Messengerdienst Telegram kommunizieren. „Ich war ein Stück weit entsetzt, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann die Auffassung vertritt, man brauche keine neuen Gesetze und müsse nur die bestehenden anwenden“, sagte Wöller der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die Debatte um eine Regulierung von Telegram. Dies sei Realitätsverweigerung.“

Damit hätte er unangefochten in heutigen Zeiten Minister bleiben können. Doch jüngst tauchten Vorwürfe auf, die den Ministerpräsidenten, der wegen seiner Corona-Politik auch in der eigenen Partei mit wachsender Unbeliebtheit zu kämpfen hatte, in Bedrängnis brachten. Die Kollegen von zdf.de fassten das wie folgt zusammen:

Dabei geht es um strittige Personalentscheidungen und verschiedene umstrittene Vorfälle innerhalb der Polizei. Jüngst gab es etwa eine Razzia wegen des Verdachts auf ein verbotenes Aufnahmeritual beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) Leipzig. Der Fall wurde im Zusammenhang mit der sogenannten Munitionsaffäre des MEK Dresden aufgedeckt. Dort waren 2018 tausende Schuss Munition verschwunden.

Laut Medienberichten ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden derzeit zudem gegen Beamte des Dresdner MEK wegen des Verdachts, einen Skiurlaub als Dienstreise deklariert zu haben.

Die scharfe Kritik an Wöllers Personalentscheidungen entzündete sich demnach zuletzt vor allem an der Besetzung des Chefpostens an der sächsischen Polizeihochschule.

Es steht der Verdacht im Raum, der Minister habe eine Bekannte seiner Frau vorgesehen. Polizeigewerkschaften forderten vor diesem Hintergrund zuletzt bereits öffentlich Wöllers Rücktritt.

„Nicht optimal gelaufen“

Da er offenbar zum Rücktritt nicht bereit war, wurde er vom Ministerpräsidenten gestern entlassen. Sachsens Regierungschef Kretschmer hatte sich darauf offenbar hinreichend vorbereitet, denn er konnte auch sofort einen Nachfolger präsentieren: Armin Schuster, den Chef des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Er begründete diesen Amtswechsel damit, dass das Amt des sächsischen Innenministers neue Ideen brauche und damit auch eine Führung, die diese neue Ideen hat.

Die Wahl Schusters wirkt angesichts einer solchen Ansage zwar etwas unpassend, aber das ist heutzutage in deutscher Regierungs-Personalpolitik nicht unbedingt ungewöhnlich. Einen Vorgeschmack auf das Wirken des künftigen sächsischen Innenministers gibt es aber schon, wenn man sich daran erinnert, wie er als Chef des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nach der für viele Menschen tödlichen Flutkatastrophe im letzten Jahr, bei der sowohl staatlicher Bevölkerungsschutz als auch staatliche Katastrophenhilfe eklatant versagten, erklärte: „Es ist nicht optimal gelaufen, aber beim Thema Warnung spielen unglaublich viele eine Rolle, die da in einer Meldekette sind“. Seinerzeit erläuterte er nachfragenden Journalisten zudem die Aufgabenteilung: Für die praktische Umsetzung sei sein Amt ja eher im Kriegsfalle zuständig, während bei Katastrophen zumeist Länder und Kommunen verantwortlich seien.

Insofern ist es bezeichnend, dass er – als er einen Monat nach Ausbruch des Ukraine-Krieges auf Schutzmaßnahmen und hierzulande nicht mehr vorhandene Schutzraumplätze angesprochen wurde – vor allem an die Bürger appellierte, zu schauen, welche Kellerräume sie denn zu Schutzräumen umbauen könnten.

Damit hat er ab Montag ja nun nichts mehr zu tun. Jetzt ist die innere Sicherheit des Freistaats Sachsen sein Aufgabengebiet. Kretschmers Koalitionspartner von SPD und Grünen erklärten flugs, dass er die sächsische Innenpolitik nun vor allem auf den Kampf gegen Rechts umsteuern müsse. Doch wenn er diesem Kurs einfach folgt, dann erfüllt er den Zweck den Postenwechsels nicht im Sinne des Ministerpräsidenten. Kretschmer, dem der Rückhalt in der eigenen Partei fehlt, braucht eigentlich eine Politik, die dem entgegenwirkt. Selbst sieht er sich dazu offenbar nicht in der Lage. Ein Innenminister, der statt seiner zurücktritt, mag ihm Zeit verschaffen, doch ersetzen kann er den Kurs zum Machterhalt nicht. Mit der Entlassung des Ministers gibt es einen Rücktrittskandidaten weniger, aber potenziell mit seinem ehemaligen Dienstherrn auch einen Neuzugang im Reigen der Rücktrittskandidaten.

Foto: Steffen Prößdorf CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Peter Thomas / 23.04.2022

Die Kartellparteien bilden die neue SED. Alle anderen sind Nazis. Die Medien sind gleichgeschaltet…  (ich kann hier aufhören, Sie wissen das alle). Die zum Kartell gehören können tun und lassen was sie wollen, mit einer einzigen Einschränkung: sie dürfen einander nicht wehtun. Weder Unfähigkeit noch Erbärmlichkeit noch Korruptheit können sie einander vorwerfen, denn unfähig, erbärmlich und korrupt ist jeder von ihnen. Nutzen des Volkes? Schaden abwenden? Darüber können sie nur lachen. Da scheißen sie doch drauf. Schließlich retten sie das Weltklima! Und den Welthunger! Und die Weltarmut! Und Big Pharma! Und Bill und György und Klausi und und und. Ihre Rettung ist viel größer und schöner als die von Josef, Adolf oder Mao. Und noch viel größer wird darum ihr Scheitern sein. // Ich hoffe sehr, daß ich das noch erlebe; noch im Diesseits erlebe, meine ich.

Andreas Mertens / 23.04.2022

Minister sind wie die Köpfe der Hydra: 1) Für sich genommen sind sie gänzlich ohne Intelligenz. 2) Es wachsen Zwei nach wenn Einer entlassen wird. 3) Die Hydra ist nur durch einen Helden zu besiegen. 4) Helden sind verboten .. weil toxische weiße Männer 5) Ergo ist die Hydra ist unsterblich.

Karla Kuhn / 23.04.2022

O. Ganser,  “Wir brauchen noch Hunderte von Rücktritten, besser noch Rauswürfen auf Bundes-, Landes-, Kommunalpolitikebenen sowie in Behörden um endlich wieder Menschen in Amt und Würden zu bringen, die sich als Diener des Volkes begreifen, als große Verfechter unseres Grundgesetzes, als Treuhänder eines ihnen in gutem Glauben überlassenen Vermögens der Bürger wirken. Kurz: Wir benötigen wieder Menschen an den Schalthebeln, die das haben, was man früher Vernunft und Anstand nannte.”  Mit anderen WORTEN, es müssen ALLE Altparteienpolitiker “rausgeschmißen” werden. Bei einer Abstimmung würde ich mit einem dicken roten Stift das JA ankreuzen !  “BlackRock findet sich unter den Aktionären bei GSK und Pfizer.” Hat sich Merz genau aus diesem Grund für eine ZWANGSIMPFUNG ausgesprochen ?  Ein LOBBYIST von BLACKROCK gehört NICHT in die deutsche Politik- EIGENTLICH ! Da aber diese sogenannte “POLITIK”  sich offenbar vom eigentlichen Souverän, dem WÄHLER verabschiedet hat, scheint immer mehr ÜBLES an die Oberfläche zu dringen. Eine Hoffnung besteht, die GESAMTE CDU verschwindet in der Bedeutungslosigkeit ! Dort gehört sie hin, zusammen mit ALLEN anderen der “Altparteien.”

Heidi Falkenberg / 23.04.2022

Mal abseits vom Thema, aber in Bezug auf die hiesigen Artikel von Belang: seit kurzem ist die Seite von Werbung nahezu überschwemmt. Damit könnte ich gerade noch so leben. Aber ich nutze oft die “Druck-Funktion”, um Beiträge als pdf zu sichern. Das ist seitdem praktisch unmöglich. Zwar funktioniert die pdf-Umwandlung wie eh und je, aber das pdf ist dann mit Werbung überschrieben und wird teilweise unlesbar. Das kann man sich also schenken! Schade, ich habe das jetzt an mehreren Artikeln getestet, und da es überall dasselbe ist, kann es kein Zufall sein. Wenn das beabsichtigt ist - danke, dann könnt ihr die Druckfunktion weglassen! Qualitätseinbuße - warum?

Karla Kuhn / 23.04.2022

“....aber potenziell mit seinem ehemaligen Dienstherrn auch einen Neuzugang im Reigen der Rücktrittskandidaten.”  Aber absolut, KRETSCHMER hätte schon längst zurücktreten müssen. “FRAUENPANORAMA” vom 12. 01. 2022 steht, “Fast 10000 Euro monatlich: ”  Frau von MP Kretschmer von Ministerium mehr Geld bekommen, ”  DAS hat ein gewaltiges “Geschmäckle! WIKIPEDIA: “Zu Beginn des Jahres 2010 geriet Kretschmer als Drahtzieher in die Sponsoring-Affäre der sächsischen CDU, in der von Unternehmen bezahlte Kontakte mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich als auch die ausdrücklich käufliche Bereitschaft zur Erwähnung in einer Begrüßungsrede Kretschmers thematisiert wurden. Kretschmer hatte dabei Angebote mit einer gestaffelten Preisliste an Unternehmen verschickt. Demnach konnte ab 1900 Euro ein Werbefoto mit dem CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten Tillich gemacht und für 3900 bis 8000 Euro ein Gespräch mit diesem geführt werden.[3][4] Das stieß auf Kritik der parlamentarischen Opposition und von Rechts- und Politikwissenschaftlern, die von der Grenze zur Korruption sprachen.”  “...VON DER GRENZE ZUR KORRUPTION…” In meinen Augen IST ES KORRUPTION, wenn ein POLITIKER, der vom STEUERZAHLER alimentiert werden muß,sich quasi “VERKAUFT” ( es gibt auch noch ein unschönes Wort dafür ) Heribert Glumener, das ist schon eine Beleidigung für den hervorragenden, KRÄFTIGEN Schauspieler aus Sachsen, ihn mit dem schmächtigen Typen zu vergleichen. Was die ROLLE angeht, pure Zustimmung! Tobias Kramer, von Anfang an hatte ich den gleichen Verdacht. Früher wurden die offenbar in die EU abgeschoben (wahrscheinlich noch heute) und danach mußte vermutlich der OSTEN als “Auffangbecken” dienen. VIELE Menschen dachten genau SO in Sachsen !!  Klaus D. Schlademann, ich wähle seit 2005 KEINE der “ALTPARTEIEN” mehr. Viola Kammer, OH, da gibt es genug, “KRANKENHAUSBETTEN” in SWH, Cum Ex, Wire card, G 20 in HAMBURG, ein VÖLLIGES VERSAGEN, Scholz hätte NIE antreten dürfen !! MUßte aber offenbar !

Thomas Schmied / 23.04.2022

Menschen wie Herrn Kretschmer würde ich nicht als Politiker bezeichnen, sondern als Versorgungsposten-Erhaltungsautomaten.

Oliver König / 23.04.2022

@Claudius Pappe So ist es. Die Mehrheit WILL das entweder so haben oder hat immernoch nicht begriffen, dass Wahlentscheidung und darauf folgende Politik zusammenhängen. Erschreckend ist beides.

Oliver König / 23.04.2022

@Tobias Kramer “verhasst”? Das schlägt sich in den Wahlergebnissen aber nicht nieder. Geliefert wie bestellt.

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