Eine Lanze für Gerhard

Von Hans-Hermann Tiedje. 

Was immer Martin Schulz postuliert in diesem Wahlkampf („Anschlag auf die Demokratie“, „Mich interessieren die Golffahrer mehr als die Golfspieler“, „Meine Ansage an ihn war klar“), nichts fruchtet. Besonders Altkanzler Schröder, dem die Ansage galt, schert sich überhaupt nicht darum. Und deshalb eignet er sich prima als Sündenbock für das erneute Wahldesaster der SPD.

Dazu folgende Richtigstellung:

Schröder wird kommende Woche Aufsichtsratschef beim russischen Energieriesen Rosneft – das ist keine Schande, im Gegenteil. An Rosneft ist BP mit fast 20 Prozent beteiligt – hat jemand was gegen BP? Durch seine Nähe zu Putin und dessen Entourage, auch bei Rosneft, kann Gerhard Schröder Brücken bauen. Wie kaum ein anderer übrigens. Zur Erinnerung: Schröder ist seit zwölf Jahren nicht mehr Kanzler. Was soll so jemand tun?

Auf dem Sofa sitzen in Hannover, Rotwein trinken und den Hund seiner Ex-Frau kraulen? Den Garten umgraben, Hyazinthen züchten, mit der Nachbarin flirten? Die alten VW- Akten im Keller aufräumen? Soll er, einstiger Spitzname „Acker“, die Altherrenmannschaft von TuS Talle anführen?

Diejenigen, die Schröder kritisieren, mögen mal vorschlagen, was der Altkanzler mit seinem Leben anfangen soll. Ich traf ihn neulich in Belgrad: Da vertrat er würdig die Bundesrepublik Deutschland bei der Amtseinführung des neuen serbischen Präsidenten. Sein Vorteil: Er musste sich nicht vorstellen, auch in Serbien kannte man ihn.

Eine letzte Frage: Glaubt irgendjemand, Putin käme jemals auf die Idee, Martin Schulz ein Angebot zu machen? Das scheitert schon daran, dass Schulz nicht Kanzler wird. 

Hans-Hermann Tiedje war Medienberater von Bundeskanzler Kohl. Er ist Aufsichtsratschef der Medienagentur WMP EuroCom AG in Berlin.

Dieser Beitrag erschien zuerst im Euro am Sonntag

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Günter Springer / 26.09.2017

Danke für den Beitrag, der ganz auch meine Auffassung über den Altkanzler Gerhard Schröder entspricht. Die deutschen Moralapostel sollten sich an die eigene Nase fassen. Übrigens was immer wieder vergessen wird: wir sollten Gerhard Schröder dankbar sein, das keine unserer Söhne in einem sinnlosen Krieg im Irak ins Gras beissen mussten!

Stefan Knoche / 26.09.2017

Alle Vorschläge folgend “Auf dem Sofa” sind gute Vorschläge. Die Rente wird ja wohl reichen. Dazu: Paar Bücher schreiben, ab und zu ein Vortrag (okay, vielleicht nicht dieselbe Honorar-Liga wie die Clintons), das reicht doch für den Ruhestand, oder? Wenn man natürlich alle zehn Jahre ‘ne Jüngere braucht, dann allerdings… :-)

Dirk Jungnickel / 26.09.2017

Einspuch, Herr Tiedje.  Diese Lanze hätten Sie besser in der Ecke stehen lassen oder für geeignetere brechen sollen. Schröder hat sich dem Kremlautokraten seinerzeit angebiedert, als er ihn - außenpolitisch instinktlos !  - einen “lupenreinen Demokraten” nannte.  Dessen innenpolitische Fehlleistungen müssen hier nicht aufgezählt werden. Das menschliche Leid, das er in der Ukraine und auf der Krim aus Machtgier verschuldet hat, scheinen Sie zu ignorieren. Vielleicht wachen die Putinversteher eines Tages auf, wenn der Mann in Den Haag vor Gericht steht. Dort nämlich gehört er hin. Dass Schröder noch den Posten beim russischen Energieriesen Rosneft übernimmt, ist sehr wohl ein Schande, weil es -  wenn auch nicht justiziabel - so doch hochgradig unanständig ist.  Was so jemand tun soll ? Vielleicht hätte er die SPD unterstützen sollen statt ihr in den Rücken zu fallen.  ( Zugegeben, viel hätte es wohl nicht genutzt. ) Schröder sollte an die Weisheit erinnert werden: Wer sich mit dem Teufel zu Tische setzt, braucht einen langen Löffel. Den Löffel sollte er allerdings nicht mißverstehen:  Es ist nicht der Geld - Scheffel gemeint. Den weiss er zu handhaben. Das Sprichwort hat etwas mit dem Überleben zu tun !

Rainer Franzolet / 26.09.2017

Bravo, mehr ist dazu nicht zu sagen.

Frank Müller / 26.09.2017

Ist es vorstellbar, daß ein Sozialdemokrat im Brioni-Anzug mit Cohiba posiert?

Ulla Smielowski / 26.09.2017

Nun, ich kann ihn aus nächster Nähe bewundern… Er ist der Nachbar meiner Tochter hier in Hannover… Abgewinnen konnte ich seiner Politik nichts. Sie wirkt sich ja heute noch negativ aus….  Den Bürgern des Landes und dem Mittelstand hat das alles ja nichts gebracht.

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