Importzölle sind nichts anderes als eine Steuer, die den Konsumenten auferlegt wird. Sie senken die Reallöhne. Donald Trump setzt eher auf die Androhung von Zöllen, um einzuschüchtern, etwa um Nachbarländer zum Kampf gegen illegale Migration und Drogen zu bewegen.
Smartphones, Sneaker and Brettspiele könnten als Folge der von US-Präsident Donald Trump gegen chinesische Importe verhängten Zölle teurer werden, heißt es in amerikanischen Medien. Andere Journalisten nennen mexikanisches Bier, das in den USA sehr beliebt ist. Die Liste lässt sich um einige hundert oder tausend Artikel ergänzen. Die genannten Beispiele sind anschaulich genug. Die Zölle werden nur wenige amerikanische Industriezweige vor Konkurrenz schützen. Vielleicht die Bierbrauer – die dann mutmaßlich höhere Kosten für Rohstoffe wie Hopfen und Gerste haben werden.
Amerikanische Smartphones? Gibt es nicht. In den USA hergestellte Sneaker spielen auf dem Markt keine große Rolle. Brettspiele „Made in USA“ werden durchaus verkauft – etwa ein schönes handgemachtes Schachspiel. Dessen Produzent wetteifert sicherlich nicht mit chinesischen Billiganbietern, sondern hat als Hersteller eines Luxusguts bereits einen Burggraben, der ihn vor ausländischen Wettbewerbern schützt. Statt Konkurrenz gibt es auf dem Markt viel mehr Kooperation. Ein gutes Beispiel ist der Apple-Konzern, der in Kalifornien Smartphones entwickelt und sie in China fertigen lässt.
Ein Produkt, das über Jahrzehnte Debatten über Zölle bestimmte, sind Reifen. Sie scheinen das Paradebeispiel für Konkurrenz auf dem Weltmarkt zu sein. Da gibt es tatsächlich „Made in USA“, „Made in Germany“ und „Made in China“. Aber auch hier ist es kaum ein Konkurrenzverhältnis. Wer sich einen Satz Reifen von Continental oder Pirelli kauft, der will keine Chinareifen, auch dann nicht, wenn die viel billiger sind. Der Chinareifen zielt auf eine andere Kundengruppe: Autohersteller, die, um Geld zu sparen, möglichst billige Pneus auf ihre Neuwagen montieren. Der chinesische Konzern Linglong etwa, dem vorgeworfen wird, Zwangsarbeit zu betreiben, produziert Reifen für Volkswagen.
Nichts anderes als eine Steuer
Was nun die Importzölle betrifft, so sind sie nichts anderes als eine Steuer, die den Konsumenten auferlegt wird, was die Reallöhne senkt. Dennoch erfreute sich die Idee seit der Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika immer wieder großer Popularität, jedenfalls in einem Teil der politischen Klasse. Ende des 18. Jahrhunderts ging es in erster Linie um Einnahmen für den Staat. Zölle lassen sich relativ einfach erheben und schwer umgehen, anders als Steuern in der damaligen Zeit.
Bald kam das Argument des Schutzes aufkeimender Industrien hinzu. Vertreten wurde es etwa durch den Gründungsvater Alexander Hamilton, dem von Präsident George Washington 1789 ernannten Schatzmeister. Durch hohe Zölle, die die amerikanische Industrie vor ausländischer Konkurrenz schützen sollten, hoffte Hamilton, die Vorherrschaft Großbritanniens im verarbeitenden Gewerbe der USA zu brechen.
Nach dem Ende des Britisch-Amerikanischen Krieges von 1812 wurde im britischen Parlament offen über Dumping auf dem US-Markt gesprochen, um amerikanische Fabriken zu zerstören. Diese Nachricht trug dazu bei, den US-Kongress davon zu überzeugen, das Zollgesetz von 1816 zu verabschieden, der die amerikanischen Zölle gegenüber den Vorkriegszöllen erheblich erhöhte, auf 20 bis 25 Prozent. Es war das erste amerikanische Zollgesetz, das mit der Notwendigkeit des Schutzes der inländischen Industrie begründet wurde.
Stichwortgeber des amerikanischen Protektionismus
Im agrarischen Süden der USA stieß es auf Widerstand und sorgte für Spannungen, entlang ähnlicher Linien, wie es sie später dann im Vorfeld des Bürgerkriegs gab. 1824 forderten Abgeordnete mit landwirtschaftlichen Interessen – vor allem im Süden – niedrigere Zölle, um den Außenhandel zu fördern und Exportmärkte zu erschließen. Der Abgeordnete Henry Clay, einer der bekanntesten Stichwortgeber des amerikanischen Protektionismus, hielt daraufhin eine Rede, die sich an diese Kollegen richtete. Clay führte Exportdaten aus einem Zeitraum von zwanzig Jahren an, um die vermeintliche Sinnlosigkeit aufzuzeigen, das Wirtschaftswachstum durch Exporte zu fördern. Er plädierte für die Einführung von Schutzzöllen und argumentierte, dass das daraus resultierende Wachstum auf dem „Heimatmarkt“ den Wohlstand aller, einschließlich der Landwirte, steigern werde. In seiner Rede sagte er:
„Und was ist dieser Zoll? Er scheint als eine Art Monster angesehen worden zu sein, riesig und missgestaltet, ein wildes Tier, ausgestattet mit ungeheuren Zerstörungskräften, das auf unser Volk losgelassen werden soll, um es wenn nicht zu verschlingen, so doch zumindest zu vernichten. Aber beruhigen wir unsere Gemüter und betrachten dieses erschreckende, dieses furchterregende Wesen mit Bedacht. Der einzige Zweck des Zolls ist es, die Produkte der ausländischen Industrie zu besteuern, um die amerikanische Industrie zu fördern. Die Steuer wird ausschließlich auf die ausländische Industrie erhoben. Das ist der erklärte und unmittelbare Zweck des Zolls.“
Es schien Clay nicht einzufallen, dass US-Bürger in ihrer Eigenschaft als Konsumenten dadurch bestraft werden. Auch nicht, dass das Ausland seinerseits mit Zöllen auf amerikanische (landwirtschaftliche) Erzeugnisse reagieren würde; aber für Exporte hatte er ja ohnehin nicht viel übrig.
Anfangs als Hilfe für die Bauern gedacht
Im 19. Jahrhundert und bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts waren es vor allem die Republikaner, die Zölle zu einem ihrer wichtigsten politischen Themen machten. Das hing sicherlich auch damit zusammen, dass sie damals vor allem die Partei der (stärker industrialisierten) Nordstaaten waren. „Durch freien Außenhandel werden unser Geld, unsere Fertigung und unsere Märkte anderen Nationen gegeben, zum Schaden unserer Beschäftigung, unserer Händler und unserer Farmer. Schutzzölle sorgen dafür, daß Geld, Märkte und Fertigung im Lande bleiben, zum Wohle unseres eigenen Volkes.“ Mit diesem Versprechen gewann der Republikaner William McKinley im November 1896 – im vierten Jahr einer auf die Bankenkrise von 1893 folgenden Wirtschaftskrise – die Präsidentschaftswahlen.
34 Jahre später war es der republikanische Präsident Herbert Hoover, der den Smoot-Hawley Tariff Act, einen Katalog von drastischen Schutzzöllen, unterzeichnete. Zusammen mit den von anderen Ländern beschlossenen Vergeltungsmaßnahmen trug er zur Depression der 1930er Jahre bei. Gedacht war das Gesetz anfangs als Hilfe für die Bauern. Denn die US-Landwirtschaft steckte in den 1920er Jahren in der tiefsten Krise. Während des Ersten Weltkriegs, als die landwirtschaftliche Produktion in Übersee einbrach, hatte sie geboomt. Der 1916 vom Kongress verabschiedete Farm Loan Act, der Bauern den Zugang zu zinsgünstigen Krediten erleichtern sollte, hatte zur Ausweitung der Anbauflächen animiert. Technische Neuerungen wie Traktoren und Flugzeuge zum Ausbringen von Unkrautvernichtern machten die Landwirtschaft produktiver, sofern die Fläche groß genug war, was ebenfalls einen Anreiz bot, die Flächen zu vergrößern. Die Boomphase der Landwirtschaft begann 1917 mit dem Kriegseintritt der USA und währte bis 1920. Seinerzeit dachte man, dass die europäische Landwirtschaft lange brauchen werde, um wieder das Vorkriegsniveau zu erreichen. Das war ein Irrtum.
Bald gab es eine Überproduktion, die Preise brachen ein. Viele Landwirte hatten in der Boomphase Kredite aufgenommen, um die Produktion zu vergrößern. Zwischen 1910 und 1920 hatte sich die Hypothekenbelastung pro Hektar um 135 Prozent erhöht. Während der Laufzeit der Kredite mussten die Landwirte nur die Zinsen bezahlen; das Kapital musste erst am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden. Da viele Schuldner dazu nicht in der Lage waren, kam es in den 1920er Jahren zu zahlreichen Bankenpleiten, vor allem auf dem Land. Die Depression von 1920/21 – die nicht nur die Landwirtschaft, sondern die gesamte Wirtschaft erfasste – machte die Lage der Farmer noch schwieriger. An der Zahl der Zwangsvollstreckungen pro Tausend Farmen kann man die Misere ablesen. Von 1913 bis 1920 lag sie im Durchschnitt bei nur 3,2 pro Tausend Farmen, stieg von 1921 bis 1925 auf 10,7 pro Tausend und von 1926 bis 1930 auf 17 pro Tausend.
1922: Zölle gegen die Agrarkrise
Nachdem die Preise für Weizen, Mais, Fleisch und Baumwolle auf ein Drittel ihrer Kriegswerte gesunken waren, wurden Zölle ein wichtiges politisches Thema. Der 1920 zum US-Präsidenten gewählte Warren Harding (sein Wahlkampfslogan lautete: „Rückkehr zur Normalität“) versprach den Farmern Besserung. 1921 wurden „Notzölle“ beschlossen, um die Preise für landwirtschaftliche Güter zu erhöhen, für zunächst sechs Monate. Mit dem Fordney-McCumber-Zollgesetz verabschiedete der Kongress 1922 einen der strengsten protektionistischen Zölle in der Geschichte des Landes, der den durchschnittlichen Importzoll auf rund 40 Prozent erhöhte.
Abgesehen davon, dass die Zölle für ein höheres Preisniveau auf dem amerikanischen Markt sorgten (was ja beabsichtigt war), sperrten sie die europäischen Handelsnationen aus, so dass diese nicht mehr durch Handelsüberschüsse an das amerikanische Gold kommen konnten, das sie für die Rückzahlung ihrer Schulden benötigten. Zudem reagierten die europäischen Staaten mit Zöllen auf amerikanische Autos und landwirtschaftliche Güter, so dass auch die US-Farmer, zu deren Nutzen das Gesetz bestimmt gewesen war, am Ende den Schaden hatten. Nach Angaben des American Farm Bureau verloren die Landwirte durch die Zölle jährlich mehr als 300 Millionen Dollar.
1930: Noch schärfere Zölle
Im Präsidentschaftswahlkampf 1928 setzten die Republikaner erneut auf das Thema Schutzzölle. Denn die Landwirtschaft lag immer noch darnieder, so dass die Zölle der protektionistischen Logik zufolge wohl noch nicht hoch genug waren. In seiner Antrittsrede am 4. März 1929 sprach der neu gewählte Präsident Herbert Hoover von "begrenzten Änderungen der Zollgesetze" zugunsten der Farmer. Doch während der Gesetzgebungsprozedur entstand etwas ganz anderes. Die öffentliche Anhörung von Interessenvertretern vor dem Committee of Ways and Means (wörtlich „Mittel-und-Wege-Komitee") im Repräsentantenhaus, dessen Vorsitzender Willis Hawley war, führte zu einem Dokument von 11.000 Seiten. Im Mai 1929 beschloß das Repräsentantenhaus, 845 Zölle zu erhöhen. Von da ging das Gesetz zum Finanzkomitee des Senats (dessen Vorsitzender war Reed Smoot), dann in den Senat, und schließlich mussten die beiden Kammern sich einigen.
Da viele Abgeordnete die Berücksichtigung der Interessen ihrer Klientel zur Bedingung für ihre Zustimmung zu dem Gesetz machten, wurde daraus schließlich der größte Zollsteigerungskatalog in der Geschichte der USA – obwohl viele Zölle erst 1922 eingeführt beziehungsweise erhöht worden waren. Während der Kongress 1929/30 über das Gesetz debattierte, reichten viele Handelspartner der USA Protestnoten ein. Trotzdem stimmten beide Kammern des Parlaments dem Vorhaben zu. Als das Papier zur Unterzeichnung auf dem Schreibtisch von Präsident Hoover lag, forderten 1.028 amerikanische Ökonomen Hoover in einem offenen Brief auf, ein Veto einzulegen:
„Wir sind überzeugt, dass es ein Fehler wäre, die Zölle zu erhöhen. Dies würde dazu führen, daß die einheimischen Verbraucher höhere Preise zu zahlen hätten. Durch höhere Preise würden Konzerne mit höheren Kosten dazu ermutigt, in die Produktion einzusteigen, und der Konsument auf diese Weise gezwungen, Verschwendung und Ineffizienz in der Industrie zu subventionieren. Gleichzeitig müßte er höhere Profitraten an die etablierten Unternehmen zahlen ... Nur wenige könnten hoffen, von einer solchen Veränderung zu profitieren.“
"Das bedeutet Krieg"
Die Volkswirte sagten weiterhin voraus, daß „viele Länder es uns gehörig heimzahlen werden“. Die Beschäftigung lasse sich nicht dadurch erhöhen, „dass wir den Handel einschränken“. Auch die Farmer, zu deren Unterstützung das Gesetz ursprünglich gedacht war, würden verlieren: „Baumwolle, Schweinefleisch und Weizen sind Exportgüter und werden auf dem Weltmarkt verkauft.“
106 Telegramme der Auslandsvertretungen von General Motors erreichten Washington. Europadirektor Graeme K. Howard brauchte nur 14 Worte, um die Folgen des Gesetzes zu beschreiben: "Passage bill spell economic isolation United States and most severe depression ever experienced". („Die Verabschiedung des Gesetzentwurfs würde für die USA eine wirtschaftliche Isolation und die schlimmste Depression aller Zeiten bedeuten.“)
Die Pariser Zeitung „Le Quotidien" schrieb in einem Leitartikel: Wenn „die Yankees“ diesen Zoll einführten, „bleibt uns nichts anderes, als zu Vergeltungsmaßnahmen zu greifen, und das bedeutet Krieg". Die Überschrift lautete: „Kann Mr. Hoover die Katastrophe begrenzen, die die amerikanischen Protektionisten vorbereiten?" Henry Ford verbrachte einen Abend im Weißen Haus, um Hoover zu einem Veto zu drängen.
Doch kein US-Präsident hatte je ein Veto gegen ein Zollgesetz eingelegt, und Hoover wollte nicht der erste sein. "Sobald sich die Verhältnisse normalisieren, wird auch unser Handel wieder expandieren“, glaubte er. Wie konnte Hoover – immerhin ein brillanter und weltläufiger Geologe und Ingenieur, der in Australien, China und London gearbeitet und gelebt hatte und unter den Präsidenten Harding und Coolidge Handelsminister gewesen war – die Katastrophe nicht vorhersehen?
Das Gesetz erfüllte sofort die schlimmsten Befürchtungen seiner Gegner. Indem die USA die Einfuhrzölle für zahlreiche Güter anhoben – in einigen Fällen bis auf 50 Prozent – provozierten sie Vergeltungsmaßnahmen ihrer Handelspartner. Die Ausfuhren der Vereinigten Staaten reduzierten sich innerhalb von zwei Jahren um fast zwei Drittel.
Trumps Kunst des Deals
Die von Präsident Donald Trump in Aussicht gestellten Zölle sind anderer Art. Anders als im 19. und 20. Jahrhundert glaubt wohl niemand, dass sie die amerikanische Industrie schützen. Im Gegenteil werden US-Unternehmen etwa der Autoindustrie, die Teile ihrer Fertigung nach Mexiko und Kanada verlagert haben, darunter leiden.
Laut einem Beitrag in der Detroit Free Press sind die Jobs von mehr als 165.000 amerikanischen Autoarbeitern gefährdet. Trump geht es ja auch gar nicht darum, ökonomische Ziele zu erreichen. Ihn stört, wie er immer wieder gesagt hat, dass illegale Einwanderer und Drogen über die Grenzen kommen. „Die außerordentliche Bedrohung durch illegale Ausländer und Drogen, einschließlich des tödlichen Fentanyls, stellt gemäß dem International Emergency Economic Powers Act (IEEPA) einen nationalen Notstand dar“, heißt es in einem vom Weißen Haus verbreiteten Erklärungstext zu den Zolldekreten.
Die Zölle sollen also einschüchtern, um die Nachbarländer zum Handeln zu bewegen. Getreu dem Al Capone zugeschriebenen Motto: „Mit einem freundlichen Wort und einer Pistole erreicht man mehr, als mit einem freundlichen Wort allein.“ Drastische wirtschaftliche Folgen könnten sie trotzdem haben.
Literatur:
Amity Shlaes: The Forgotten Man. A New History of the Great Depression. New York 2007.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch. Buchveröffentlichungen: Die Weltvernichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise (2009); Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos (2012).