Peter Hahne, Gastautor / 17.07.2021 / 10:00 / 156 / Seite ausdrucken

Eine Kirche, die keiner mehr braucht

Die Kirchen verabschieden sich von ihrem Kerngeschäft und wundern sich, dass ihr die Gläubigen den Rücken zukehren. Statt sinnvollen Kurswechsels gibt es klerikales Erklärungs- und Ursachen-Geschwätz.

In Massen flüchten die Gläubigen aus ihren Kirchen. Dabei müssten Austrittswillige oder „Zwangsmitglieder“ (durch Taufe oder Elternhaus) doch schon längst weg sein. Die Zahlen waren bereits in den letzten Jahren dramatisch hoch. Doch jetzt geht es an die Substanz. Diesmal ist es so, als würden die Bundesländer Bremen und Saarland geschlossen ausgetreten sein oder die Metropole München, wenn man nämlich Kinder und Muslime etc. abzieht: insgesamt 441.000 Mitglieder kehrten beiden Großkirchen im Jahr 2020 den Rücken zu. 

Fast zu gleichen Teilen Katholiken und Protestanten. Das überrascht, versteckte sich die EKD doch immer gern hinter dem Argument, der katholische Missbrauchsskandal sei Hauptursache der Austritte. Nun ist es gerade der ach so fortschrittliche und moderne Protestantismus mit seinen Bischöfinnen, Pastorinnen, Flüchtlings-Rettungsschiffen, Bibeln „in gerechter Sprache“ und dergleichen, der nicht weniger zur Ader gelassen wird als ein Katholizismus, der ja gerade erst beginnt, die EKD links zu überholen. 

Nein, die WELT bringt es auf den Punkt: „Nicht einmal Not lehrt noch beten!“ Und gibt dem vernichtenden Kommentar die Überschrift: „Die Kirche selbst hat das Signal gesendet, man brauche sie nicht mehr.“ Genau das ist das Dilemma, und darüber wird all das klerikale Erklärungs- und Ursachengeschwätz für das Drama zu Makulatur.

Lächerlich die katholische Beruhigungs-Variante, den Leuten gingen die Reformen nicht schnell genug. Ach, dann müsste die EKD ja Zulauf haben, so kommentiert auch die FAZ. Oder die evangelische Version, es seien ja weniger Austritte als erwartet. Nein, Kirche war einfach nicht da, als sie am nötigsten gebraucht wurde.

Eine Christmette wie ein Abend bei den Jusos bzw. der Grünen Jugend

„Wenn das Christentum nicht einmal in einer Zeit der Pandemie wieder mehr (!) Menschen existenziell zu berühren vermag, wann denn dann?“, fragt die WELT. Ja, die Menschen suchten noch, heißt es richtig, „aber sie werden in ihrer Kirche nicht mehr fündig.“ Das erkannte übrigens schon Verleger Axel Springer, als er in den 1970er-Jahren die EKD verließ und der selbstständig-lutherischen SELK beitrat.

Unvergessen der Tweet des liberalen WELT-Chefs Ulf Poschardt nach dem Besuch eines Berliner Weihnachtsgottesdienstes 2017: „Wer soll eigentlich noch freiwillig in eine Christmette gehen, wenn er am Ende der Predigt denkt, er hat einen Abend bei den #Jusos bzw. der Grünen Jugend verbracht?" 

Inzwischen hat sich dieses Phänomen in einer Weise beschleunigt, dass einem schwindlig wird: Regenbogen-Pfarrer und Gender-Bischöfe heißen alles gut, was der Zeitgeist gebietet, der Heilige Geist jedoch verbietet. Wer meint, die Grundurkunde des christlichen Glaubens, das Evangelium, nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich der Mode anpassen zu müssen, verliert jegliche Attraktivität und Glaubwürdigkeit. Wozu eine Kirche, die in einer schwedischen Schulschwänzerin eine neue Heilige sieht?! 

Mir ist noch in Erinnerung, wie der damalige Linken-Chef Gregor Gysi mir einmal sagte: „Wenn ich in die Kirche gehe, erwarte ich, dass man über Sünde redet und mir die Leviten liest.“ Weil das eben sonst niemand kann. Doch Sünde ist heute reduziert, pervertiert und minimiert auf Klimasünder, Coronasünder, Dieselsünder oder AfD-Wahlsünder und Anti-Impf- und Anti-Regenbogensünder. Für das alles braucht man im Sinne des Kollegen Poschardt keine Kirche, das kann man bei Grünen und Jusos billiger haben.

Aufmüpfigen Pfarrern wird die Hölle heißgemacht

Und das ist das nächste Problem: Die Kirchensteuer wird einem Volk, dem gerade das Geld aus allen vorhandenen Taschen gezogen wird, einfach zu viel. Die Urlaubskosten haben sich dieses Jahr nahezu verdreifacht, so gerade das Vergleichsportal „Check24“. Die Energiepreise explodieren. Die kommenden Winter werden unbezahlbar. Und die Kirchen beteiligen sich ja an der Preistreiberei, nimmt man nur das Klima-Allotria von den Kanzeln oder das Herbeischiffen junger „Flüchtlinge“ ins soziale Netz Deutschlands. 

Dazu kommen Gender-Sprachrichtlinien, die alles staatlich Verordnete weit in den Schatten stellen. Der kämpferische Vorsitzende des Vereins deutsche Sprache (VDS), Prof. Walter Krämer, hat gegenüber dem Bischof von Hildesheim seinen Kirchenaustritt zum Jahresende angekündigt – „wegen der kirchlich angeordneten Vergewaltigung der deutschen Sprache.“ Er weiß damit bekanntlich mehr als zwei Drittel der Bürger auf seiner Seite. 

Ich könnte Listen von Pfarrern nennen, die ihre Posten verloren haben oder denen die Hölle heiß gemacht wird aus den himmlischen Sphären der Kirchenleitungen, weil sie sich (mit der Bibel in der Hand oder mit Luthers „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ auf den Lippen) all dem modischen Irrsinn zu widersetzen wagen.

Nur, dass CDU und CSU erstmals in ihrer Geschichte das christliche Herzensthema „Lebensschutz und Abtreibung“ mit keiner Silbe im Wahlprogramm erwähnen, juckt die zeitgeistlichen Oberhirten nicht im Geringsten. Im Gegenteil, der Rubel rollt doch (noch).

Die Kirche schafft sich ab

„Geld erstickt den Glauben,“ dieser Schlüsselsatz von Papst Benedikt XVI. bringt das ganze Dilemma auf den Punkt. Der Selbstbedienungsladen einer vom staatlichen Finanzamt eingezogenen Kirchensteuer lässt die klerikale Kaste so lange auf ihren synodalen Irrwegen wandeln, bis der Letzte das Licht ausmacht. 

Nur aus dieser Position heraus konnte man ungerührt den obrigkeitlichen Corona-Verordnungen vorbehaltlos zustimmen. Die einsamen und hilfsbedürftigen Gläubigen in Seniorenheimen, Kliniken oder den Trauerhäusern waren piep-egal, und nun kommt die Quittung. Das war gerade jetzt zu sehen, „als Bischöfe öffentliche Gottesdienste allzu klaglos absagten und manche Pfarrer ihre Kirchen allzu lange geschlossen ließen“ (WELT). Jetzt, wenn alles vorbei ist, braucht man Kirche tatsächlich nicht mehr.  

Und wenn es noch eines Beweises bedarf, wie selbstzerstörerisch sich die Kirchen ihrer eigenen Substanz berauben: Der Leitartikel der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) fordert hellsichtig und spitzfindig, kirchliche Privilegien unter die Lupe zu nehmen. Wenn immer weniger Eltern Mitglied einer christlichen Kirche sind, „gehört der konfessionell gebundene Religionsunterricht auf den Prüfstand.“ Das kann man nahtlos erweitern auf die immer noch selbstverständlich erachtete Seelsorge in Bundeswehr, Gefängnissen oder Krankenhäusern.

Was soll eine Kirche, die sich in Corona-Zeiten auf die Empfehlung reduzierte, auf Balkonen „für die Helden“ zu singen oder das Internet zu nutzen, und mitnichten daran dachte, auf „Systemrelevanz“ zu klagen? Die Zeit ist reif für einen neuen Bestseller: Kirche schafft sich ab. 

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lutzgerke / 17.07.2021

“Mißbrauchsskandale” waren schon im 3. Reich erfolgreich gegen die Kirche eingesetzt worden. In der BRD galt das als Propagandamasche, während man das heute einfach verdrängt. Verdrängen ist sowieso eine Kunst für sich und ich glaube, darin sind wir die besten. Oder hatten die Nazi doch Recht, dann sollten sie aber schleunigst rehabilitiert werden? / Was verdient denn so ein Pastor? Man informiere sich bitte, das sind 2500 bis 5000 Euro - im Monat. Das meiste zahlt ohnehin der Staat, ob die Diakonie, die Kindergärten, oder die Gehälter von Pastoren, Bischöfen, Kardinälen. Der staatlich organisierte Glaube hat auch was Widerliches. / In Frankreich sind die Kirchen - angeblich - proppevoll, aber die Kassen leer. Ein Pastor verdient 900 Euro. Das ist Idealismus. Hier drückt uns das Fernsehen die abgeschmacktesten Typen einfach aufs Auge. Und die Leute merken das nicht? Nach dem 3. Reich galt der Volksempfänger als das gefährlichste Propagandainstrument der Neuzeit. Und dieses parasitäre GEZ-Fernsehen, das Privatfernsehen, Smartphone und Internet oben drauf sind ganz harmlos?

Frank Stricker / 17.07.2021

Wer Kardinal Marx oder Bedford-Strohm als “Freund”  hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr….......

armin_ulrich / 17.07.2021

Die EKD erweckt immer wieder den Gedanken: “Wäre ich nicht schon lange ausgetreten, dann täte ich es jetzt”. Amen and Awomen.

Regina Becker / 17.07.2021

Die Kirche soll das Evangelium verkünden. Sie soll missionieren. Sie soll Gemeinschaft der Christen sein. Das sind ihre Aufgaben - nicht mehr und nicht weniger. Anleitung für christliches Leben sind die allgemein bekannten 10 Gebote. Christen können sich natürlich in NGO´S engagieren, sie können IS- und Taliban-Kämpfern Asyl bieten und die verfolgten christlichen Glaubensbrüder und -schwestern einfach im Stich lassen. Sie können den dunkelhäutigen heiligen König aus der Krippe entfernen, Kreuze abnehmen oder verstecken. Christen sind auch nur Menschen und jeder Einzelne hat Schwächen. Die Kirche aber hat eine klar definierte Aufgabe, die keiner Politik oder Mode unterworfen ist. Sie hat stark zu sein im Interesse der Christen dieser Welt. Wenn sie das nicht kann, ist sie überflüssig, denn für alles Andere gibt es schon Vereine. Kardinäle und Bischöfe, die das Zeichen ihres Glaubens ablegen, um denen zu gefallen, die Intifadas, Gewalt und Vertreibung verursachen, ist absolut verkommen. Und dann noch Schlepperboote betreiben statt dafür zu sorgen, dass Menschen in ihrer Heimat bleiben können, ist pure Verlogenheit. Diese Institution will einem noch etwas predigen? Die sollen den Mund halten und abtreten. Zu Gott kann man auch ohne Kirche finden.

Bastian Kurth / 17.07.2021

Ich kann Ihnen, sehr geschätzter Herr Hahne, nur zustimmen - leider. Kirche hat mit dem Christentum wenig bis gar nichts mehr zu schaffen, egal welche Geschmacksrichtung. Die beiden Konfessionen versagen seit Jahrzehnten, jetzt wurde es unübersehbar. Das hat mit meiner christlichen Einstellung nichts zu tun, ich kann auch Christ ausserhalb der Kirche sein, vielleicht sogar aufrichtiger und besser. Danke für Ihre Beiträge hier auf der Achse.

Alexander Jäger / 17.07.2021

Ein Grundübel unserer Zeit: die Kleriker reden wie Politiker, die Politiker reden wie die Pfaffen (“Wunden heilen” will unser wunderlicher Bundespräsident). Politik- und Kirchenverdrossenheit haben darin ihre Ursache.

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