Ulrike Stockmann / 16.08.2022 / 14:00 / Foto: Olaf Kosinsky / 110 / Seite ausdrucken

„Eine Frau, der das -innen am Herzen liegt“

Die ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel behauptete kürzlich in einer Live-Sendung, sie müsse gendern, um kurz darauf zurückzurudern und ihre Freiwilligkeit vehement zu betonen. Ein Fall für Doktor Freud?

Die menschliche Psyche ist komplex, und wir alle kennen Phasen, in denen wir mehr oder weniger zerrissen durchs Leben gehen. Schon unsere Grundveranlagung scheint uns für eine innere Spaltung regelrecht zu prädestinieren: Unser Bewusstsein ist das Gegenstück zum Unterbewusstsein, Sigmund Freud unterschied bekanntlich in Es, Ich und Über-Ich, während man umgangssprachlich Probleme gerne dahingehend ausdrückt, dass der Kopf einem dieses, das Herz jenes und der Bauch wieder etwas ganz anderes sagt.

Einen sehr anschaulichen Fall innerer Zerrissenheit präsentierte uns kürzlich die eigentlich für handfeste Heiterkeit berühmte ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel, genannt Kiwi. Am vergangenen Sonntag sagte sie im „ZDF-Fernsehgarten“: „Wir als Team (…) haben aktuell so ein bisschen den Eindruck, dass eine ganze Menge Positives los ist in der deutschen Singer-Songwriter_innen-Szene.“ Vorbildlich sprach sie den sogenannten Gendergap an dieser Stelle mit, überbetonte mit dramatisch ausholender Geste, dass es sich um „Songerwriter… innen“ gehandelt habe – was man tiefenpsychologisch als Ablehnung deuten könnte.

t-online kommentierte missbilligend, dass aufgrund der Theatralik „Publikumsreaktionen nicht ausblieben“. Man konnte im Hintergrund ablehnendes Maulen hören, in Richtung der unmittelbar vor ihr sitzenden Zuschauerinnen sagte Kiewel: „Nicht das Gesicht verziehen, ich muss.“

„Es ist so. Ich will es. Ich muss es nicht.“

Dieser Satz sorgte natürlich für eine Lawine an Kommentaren aus dem Kreise der Gendersprachen-Bekämpfer, die nun den Beweis dafür erbracht sehen wollten, dass „Kiwi“ nicht so will, wie sie soll und so muss, wie sie nicht will. Eine Gender-Pflicht im Staatsfernsehen? Das konnte und durfte doch nicht wahr sein! Vor allem auf Twitter machte das verräterische Schnipsel die Runde, und das arme ZDF kam gar nicht mehr hinterher, mit der Stimme der Vernunft gegen kompromittierende Beiträge vorzugehen.

Es gibt keine Anweisung zum Gendern im ‚ZDF-Fernsehgarten‘. Andrea Kiewel ist es ein persönliches Anliegen alle anzusprechen, daher verwendete Sie die Formulierung ‚Singer- und Songwriter*innen‘ im Zusammenhang mit ‚muss‘“, lautete die Standardantwort des PR-Teams des Senders, die eifrig als Reaktion auf einzelne haltlose Unterstellungen gepostet sowie als Antwort auf Presseanfragen verschickt wurde. Die Mitarbeiter mussten also vermutlich Überstunden machen. Nimmt es da noch Wunder, dass unsere GEZ-Preise in die Höhe schnellen?

Wie zu erwarten, fragte schließlich die BILD-Zeitung bei Andrea Kiewel nach, wie denn ihr Ausrutscher zu deuten sei. „Kiwi“ – mittlerweile wieder ganz gefasst – bewies Mut zur Lücke und sagte:

„Niemand, nicht das ZDF und sonst auch niemand, sagt mir, dass ich gendern muss. Ich benutze den männlichen und weiblichen Plural schon seit langer Zeit, weil ich es unbedingt will und es mir sehr wichtig ist. Es liegt mir am Herzen. Und so meinte ich es auch in der Live-Sendung. Kann schon mal vorkommen, dass in einer zweistündigen Live-Sendung nicht jedes Wort maßgeschneidert passt. Aber es ist so. Ich will es. Ich muss es nicht.“

Und um die letzten Zweifler in die Schranken zu weisen, legte Kiewel noch nach:

„Alles, was ich sage oder schreibe, mache ich aus tiefster Überzeugung. So bin ich. Eine Frau, der das -innen am Herzen liegt. Aber auch wichtig: Jeder soll es so machen, wie er oder sie es für richtig hält.“

Was würde Sigmund Freud wohl dazu sagen?

Ziemlich überzeugend, finden Sie nicht? Wir alle brauchen doch bei den wirklich wichtigen Entscheidungen im Leben immer mal wieder Zuspruch, wenn wir uns unsicher wähnen oder es an der nötigen Hartnäckigkeit zur Erreichung unseres Ziels mangeln lassen. Und wenn gerade keiner da ist, sind wir uns eben selbst am nächsten und wiederholen im Selbstgespräch mantraartig unsere guten Vorsätze. Das ist fast schon Selbsthypnose.

Achgut-Autor Dushan Wegner würde an dieser Stelle gewiss einwenden, dass jeder gute Psychologe skeptisch würde, wenn ein Klient in einer Sitzung etwas dermaßen über den Klee loben würde – und mutmaßen, dass genau hier der Hase im Pfeffer liegt.

Ich bin jedoch nur eine einfache Journalistin, habe von diesen Dingen keine Ahnung und möchte daher von ganzem Herzen glauben, dass Andrea Kiewel recht hat und es keinen Genderzwang im öffentlichen Rundfunk gibt. Genauso will ich glauben, dass das Gendern in den Medien für uns alle das beste ist, auch wenn viele von uns in Umfragen regelmäßig dagegen stimmen. Ebenso möchte ich lieber nicht der Frage nachgehen, ob das wiederholte Verwenden des Wortes „KrankenschwesterIN“ in Sendungen des öffentlichen Rundfunks ein Anzeichen für beginnende Schwachsinnigkeit darstellt. Was würde Sigmund Freud wohl dazu sagen?

Foto: Olaf Kosinsky CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Paul Franklin / 16.08.2022

Sie meinte die Geldinnen ihres Arbeitgebers, die ihr am Herzin liegen.

Jörg Themlitz / 16.08.2022

Ob Amateur- oder Profikünstler jeder spielt mit seinem Publikum. Aber niemals mit seinem Gagenzahler. Ich würde das “muss” sowieso anders interpretieren: ´Ich muss das machen und wiederholt machen, weil Du zu doof bist zu kapieren, was richtig ist. Und ich weiß, dass dieser Sprachenmüll richtig ist.`, Erinnert mich an einen Kommunistenführer, welcher mich von irgendwelchem Schwachsinn überzeugen wollte. Heute weiß ich, Kiwi und die Kommunistenführer sind einfach die Guten. Und jetzt Schauze halten, Zwangs-GEZ zahlen. ...oder bei Junge Freiheit Petition unterschreiben.

Dr. Joachim Lucas / 16.08.2022

Eine äußeren Zwang braucht man nicht. Die wissen alle, was erwartet wird, sonst ist die Karriere futsch. Der Sprachhumbug ist so in der GEZ-Welt zwangsverinnerlicht, dass jeder weiß, dass er spuren muss und alle finden es auf Knopfdruck toll - offiziell. Kennt man ja von Diktaturen. Sich durch Sprachvorschriften so zu verbiegen muss ein “tolles” Lebensgefühl sein. Vielleicht leben aber auch viele inzwischen nach dem Motto: “Man muss lieben, was man muss.” Sonst hält man es im GEZ-Zirkus nicht aus. Ich bin mir sicher, nimmt man den Druck dieser permanenten Hirnwäsche weg, redet kein Schwein mehr diesen Genderquatsch - außer den Fanatikern. Privat reden die alle bestimmt nicht so, denn dieses sprachbehindert wirkende Gequatsche geht ja schon nach einer Minute mächtig auf den Geist.

August Klose / 16.08.2022

Um es mit Freud zu sagen, bei jener Bemerkung rutschte es der Frau Kiewel aus dem Es ins Ich und danach klopfte das ZDF bei Frau Kiewel ans Überich und das signalisierte dem Kiwi-Ich, daß ja da noch Miete zu bezahlen ist oder Hypotheken und das viele Geld überhaupt sehr schön ist. Man sollte das verstehen.

Sabine Heinrich / 16.08.2022

Da hatte sie wohl die Wahl zwischen Rauswurf und Selbstverleugnung. Bei einem anderen öffentlichen Sender hätte sie ohnehin keine Chance als Gender- Kritische.

Wolfgang Janßen / 16.08.2022

Was soll Frau Kiewel denn machen? Sie lebt davon, den Fernsehgarten, den ich noch nie angeschaut habe, zu moderieren. Eile mit Weile aber mit den Wölfen heule, hat Ephraim Kishon mal geschrieben. Gehen wir davon aus, dass ihre spontane Reaktion der Wirklichkeit entspricht. Über kurz oder lang wird sich dieses Gendergaga selbst ad absurdum führen. Neulich wurde im Internet vom Gedenktag an die “verstorbenen Drogengebrauchenden” geschrieben,  ohne dass die Autorixe sich ihres unfreiwilligen Zynismus bewusst waren.

Rudolf George / 16.08.2022

Nun ja, sie sagt “niemand sagt mir, dass ich gendern muss”. Das kann ich glauben, denn in der derzeitigen Atmosphäre muss das auch keiner, denn Frau Kiewel weiß genau, was von ihr erwartet wird, ohne dass es je direkt ausgesprochen werden müsste. Und sie kennt auch genau die Konsequenzen für Ungehorsam: kein neuer Vertrag, Ende der Berufslaufbahn.

H Eversheim / 16.08.2022

nun ja, Friedrich Merz ist ja auch dagegen. Dann kann ja nichts mehr passieren :)

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