Eran Yardeni, Gastautor / 06.04.2013 / 01:43 / 0 / Seite ausdrucken

Eine Frage der Wahrscheinlichkeit

Eran Yardeni

Der Feminismus in Israel nimmt manchmal skurrile Formen an. Die letzte Initiative hat ihre Wurzeln in den USA, wurde aber von den israelischen Feministinnen ziemlich schnell und effektiv hebraisiert. Mit dem vielversprechenden Namen „Schlampenmarsch“ (Slutwalk – auf Englisch, Mitzaad Hasharmutot – auf Hebräisch) will die israelische feministische Bewegung gegen die Anschuldigung, dass vergewaltigte Frauen durch ihre provokative Kleidung an ihrer Vergewaltigung mitschuldig seien, protestieren. Männer dürfen auch mitmarschieren.

Gegen diese Initiative gibt es eigentlich nichts zu sagen. Liest man aber die Argumente bestimmter Aktivistinnen, die im Netz unter dem Titel „Warum brauche ich den Schlampenmarsch“ veröffentlicht wurden, gerät man trotzdem ins Grübeln, ob es zwischen dem Ziel und der Motivation irgendeine Verbindung gibt. Hier zwei Beispiele:

„Als Single brauche ich den Schlampenmarsch, weil es zu gefährlich ist, ein Date zu haben oder einfach so mit einem Freund zu trinken oder überhaupt zu trinken oder auszugehen. Es ist gefährlich, mit ihm ins Auto einzusteigen, aber auch zu Fuß nach Hause zu gehen ist gefährlich. Es ist gefährlich, hübsch zu sein, dafür aber ein Verbrechen hässlich zu sein. Es ist gefährlich mit ihm nach Hause zu gehen, auch wenn er verspricht, dass es nur um Kaffee oder einen Film geht. (…) Ich brauche den Schlampenmarsch, weil ich die Nase voll habe! Ihr habt mich erzogen, immer Angst zu haben und jeden Mann zu verdächtigen, auch wenn er mir gefällt. Ich habe um mich herum eine Mauer errichtet, und trotzdem fühle ich mich nicht sicherer. Es ist egal, was ich tue, immer wird sich eine Ausrede finden, warum ich daran Schuld hatte und er nicht.“ 

Hier gibt es nichts zu parodieren. Die Verfasserin hat das schon selbst besorgt. Ich fürchte aber, dass eine solche apokalyptische Schilderung des Zusammenlebens von Männern und Frauen, wo jeder Mann ein latenter Vergewaltiger ist, mehr Ängste erzeugen kann als die Realität selbst.

Die zweite Aussage wirkt sogar skurriler: „Im August 1990, am heißesten Tag des Jahres, wurde bei mir eingebrochen und mir wurde in den Kopf geschossen, als ich nur einen langen chinesischen Satin-Bademantel an hatte. In dem Moment, wo ich wieder zum Bewusstsein kam, bin ich auf eine surrealistische Reise gegangen, um mich selbst zu retten. Ich habe bei den Nachbarn an der Tür geklopft, ich habe versucht,  Autos anzuhalten und trotzdem hielt keiner an. Es dauerte eine Weile, bis ich verstanden habe: Auf der Straße war ich eine Hure. Wer sonst kann am Mittag mit einem mit blutbefleckten Bademantel rumgehen?“

Diese Frage kann ich nicht beantworten, ich kann aber doch erzählen, dass in den Jahren 2007-2011 wurde in Deutschland (pro Jahr) ca. 0.0091% der Bevölkerung vergewaltigt. Das ist kein Fehler. Nach der polizeilichen Kriminalstatistik wurden in Deutschland im Jahr 2011 7.539   Menschen vergewaltigt oder schwer sexuell genötigt. Gehen wir davon aus, dass 100% der Opfer Frauen und 100% der Täter Männer waren. In USA sind 91% der Opfer Frauen. Schließen wir Serientäter aus, kommen wir zu dem Schluss, dass im Jahre 2011 weniger als 0.02 der Männer in Deutschland Frauen entweder vergewaltigt oder sexuell genötigt haben. 0.02!

In Israel ist die Situation nicht besser.  2010 wurden 0.03 % der Frauen vergewaltigt.

Was lernen wir darsus? Es mag sein, dass es echt gefährlich ist, mit bestimmten Männern einen Film zu sehen oder etwas zu trinken. Wie wir aber sehen können, ist die Wahrscheinlichkeit, ihnen zu begegnen, ziemlich gering.

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