Rainer Bonhorst / 20.11.2018 / 15:00 / Foto: Pixabay / 10 / Seite ausdrucken

Eine Frage der Schicht

Der CDU steht eine spannende Schichtwahl bevor. Es geht um die Frage, welche Schicht den Vorsitz der Partei übernehmen soll. Oder schichtenspezifischer gefragt: Wer soll Schichtführer werden? Mit der Wahl des Schichtführers wird zugleich die Frage beantwortet, zu welcher Schicht die CDU gehört. Oder ist es für eine Volkspartei besser, der Schichtfrage aus dem Weg zu gehen? Schließlich macht sich, wer sich für eine bestimmte Schicht entscheidet, bei den anderen Schichten unbeliebt.

Andererseits gibt es eine Schicht, die so breit geschichtet ist, dass man sich ohne allzu große Sorgen zu ihr bekennen kann. Die Mittelschicht natürlich. Wer in die Mittelschicht eintaucht, schwimmt in einem Amazonas, der uferlos wirkt. Schwierig wird es erst, wenn man in den Fehler der Präzisierung verfällt.

Wie, jawohl jetzt kommt es: wie Friedrich Merz. Sein viel diskutiertes Einkommen hat ihn, wie er bekennt, zum Angehörigen der oberen Mittelschicht gemacht. Da hätte er besser schweigen sollen. Denn wer sich derart an den obersten Rand der Mittelschicht hat spülen lassen, der bewegt sich in gefährlicher Nähe der politisch tödlichen Oberschicht. Oder steht er schon mit einem Bein in der Oberschicht? Oder womöglich mit beiden, während er sich mit den Händen verzweifelt an die politisch korrekte  Mittelschicht, wenn auch an die obere, klammert? Sollte man im Fall Merz nicht besser von einer oberen Zwischenschicht sprechen? 

Politisch ideal ist die mittlere Mittelschicht

Das könnte man durchaus, aber würde ihm das politisch helfen? Hätte er als Angehöriger einer oberen Zwischenschicht nicht bereits den politisch sicheren Strom der Mittelschicht verlassen? Befände er sich als gehobener Zwischenschichtler nicht  bereits in einem Strudel politisch unakzeptablen Wohlstands?

Wir sehen wieder mal: Geld allein macht nicht glücklich. Jedenfalls nicht in der Politik. Kein Geld geht natürlich auch nicht. Wer sich hinstellen und sich zur Unterschicht bekennen würde, hätte es genauso schwer wie ein bekennender Angehöriger der oberen Mittelschicht. Auch ein Angehöriger der oberen Unterschicht hätte es nicht leicht, hätte aber wenigstens eine kleine Chance auf politischen Aufstieg. Eine Chance, die einem Angehörigen der unteren Unterschicht gänzlich verwehrt ist.

Und wie steht es um die untere Mittelschicht? Etwas besser als um die obere  Unterschicht, aber nicht wirklich gut. Ideal für eine politische Karriere ist die mittlere Mittelschicht. Und zwar nicht irgendeine mittlere Mittelschicht sondern die Zugehörigkeit zu einer, ich möchte sagen: zentrierten mittleren Mittelschicht. Diese zentrierte mittlere Mittelschicht kann durchaus leicht angehoben sein. 

Als idealtypisch ist der Oberstudienrat mittleren Alters zu nennen, der mit einem leicht angehobenen mittleren Einkommen eine mittelgroße Familie ernährt. Sollte allerdings seine Frau auch Oberstudienrätin mit leicht angehobenem mittleren Einkommen sein, so schlingert das Familieneinkommen bedenklich in Richtung obere Mittelschicht. 

Verglichen mit Friedrich Merz gehört eine solche Oberstudienrats-Familie allerdings noch zur unteren oberen Mittelschicht. Eine politische Karriere steht einem Angehörigen der unteren oberen Mittelschicht durchaus offen. Er oder sie sollte allerdings darauf achten, nicht aus dem unteren Bereich der oberen Mittelschicht in den mittleren Bereich der oberen Mittelschicht hineinzurutschen. Denn von der mittleren oberen Mittelschicht zur Merz-Schicht ist es kein großer Schritt mehr. Es droht akute Merz-Gefahr, also die Verdammnis der oberen Obermittelschicht, die geradewegs in die Hölle der blanken Oberschicht führen kann. 

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Leserpost

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Christoph Nahrgang / 20.11.2018

“Weil das ja klar ist!” (Zitat Stoiber Transrapid)

Robert Bauer / 20.11.2018

Einfach Klasse! Den Charakter dieser Irrenanstalt, die sich (noch) Deutschland nennt, brillant beschrieben. Radikale Umschichtung tut not.

Frank Stricker / 20.11.2018

Pointiert beobachtet Herr Bonhorst. Ob Herr Merz aber zur oberen Mittelschicht oder zum Establishment der Millionäre gehört , wäre für sein politisches Handeln völlig unerheblich. Aber da fangen die Probleme offensichtlich an ; Er kuschelt schon mal mit den Grünen und seine Kritik an Angela Merkel fühlt sich eher “light” an. Sollte er CDU-Vorsitzender werden , würde er wahrscheinlich bestenfalls an ein paar “Stellschräubchen” drehen , die Revolution würde ausbleiben. Er weiß , er braucht die “Großkopferten” , Laschet , Günther , Panzer-Uschi usw.  , gegen die zusammen hätte er in einem Alleingang keine Chance. So bleibt also alles anders , um es mal mit dem Freizeitphilosophen Herbert Grönemeyer zu sagen , der so gerne eine Vermögenssteuer in Deutschland einführen würde , aber gleichzeitig durch seinen Wohnsitz in London einige Millionen spart und wo wir wieder bei Friedrich Merz wären……….

Bernd Ackermann / 20.11.2018

Da hat die SPD es einfacher, Franz Müntefering hat vor Jahren schon höchstamtlich festgestellt, dass es in Deutschland keinerlei Schichten gibt. Alles nur Einbildung “lebensfremder Soziologen”, so der Münte damals. Aber auch egal, für die Union ist bald - wie schon für die SPD - Schicht im Schacht.

Gabriele Schulze / 20.11.2018

Ja, es ist nicht zu fassen. Ich scrolle mich durch die Medien - allenthalben Gejaule. Als gäbe man sich alle Mühe, dem on-dit zu entsprechen, demzufolge die Deutschen von Neid zerfressen sind. Hat ja was Trumpoides, soviel Schotter, igitt.

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