Zu Risiken und Nebenwirkungen des Humors

Winfried Kretschmann, der grüne Vernunftmensch, hat in einem Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen die Deutschen vor Humorlosigkeit gewarnt. Das ist eine mutige, ja geradezu verwegene Warnung. Denn die alte deutsche Tugend der Humor-Verweigerung ist längst wieder im Kommen.

Darum hier zunächst ein grundsätzliches Wort zur Humorlosigkeit: Sie kommt selten allein. Meist tritt sie mit einem Zwilling auf, in Form der beleidigten Leberwurst. Auch die Leberwurst hat einen Zwilling: den notorischen Beschwerdeführer. Es handelt sich also genau genommen um Drillinge. Und in diesem Dreierverbund liegt das Problem. Humorlosigkeit allein wäre vergleichbar mit fehlender Musikalität: schade, aber harmlos. Erst vereint mit der Leberwurst und der Beschwerdelust wird sie gesellschaftlich relevant.

Nehmen wir als erstes Beispiel die vegane Limburgerin, die einem Glockenspiel mit dem Titel „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ den Garaus machte,  indem sie wegen des - unausgesprochenen - Liedtextes a) beleidigt war und b) Beschwerde führte. Das Ganze geschah c) auf der Basis einer stark eingeschränkten Humorfähigkeit, die es ihr offenbar unmöglich machte, die Lächerlichkeit ihrer Aktion zu erkennen.

„Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“

Nun muss man einer veganen Limburgerin einiges nachsehen. Sie lebt als Milchprodukt-Verweigerin ausgerechnet in einer Stadt, die vor allem für ihren stark riechenden Käse berühmt ist. Der Frau muss also schon einiges gestunken haben, bevor das nicht vegane Glockenspiel ertönte, das einen Jäger mit dem Schießgewehr anklingen ließ. Diese seelische Doppelbelastung aus Käse und Schießgewehr war es wohl auch, die die Limburger Kirchenführung veranlasste, in christlicher Nächstenliebe den Herzenswunsch der Leidensfrau zu erfüllen und für ein gewaltfreies Glockenspiel zu sorgen.

Der real existierende Fuchs, den es bei uns ja auch gibt, wird von der Limburger Rettungsaktion kaum profitieren. Warum sollte er auch. Ich meine, ein Fuchs, der eine Gans stiehlt und sie nicht wieder hergibt, hat das Recht verwirkt, vor dem Schießgewehr des Jägers gerettet zu werden. Andererseits wird der Fuchs zu Recht zurückfragen, was er denn sonst verspeisen soll, da – und dies ist an die Kirchenleitung gerichtet – der liebe Gott ihn nunmal nicht zum Veganer gemacht hat.

Nun gut. Lassen wir dem Fuchs die Gans und wenden wir uns dem Schwein zu. Auch das Schwein soll in dieser Betrachtung eine Rolle spielen. Ich verweise auf die, wie ich finde, vollkommen korrekte Feststellung: „Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“. Umweltministerin Barbara Hendricks hat mit diesem Reim und mit ähnlichen Bauernregeln keine alternativen Fakten geschaffen sondern eine im Kern zutreffende Aussage gemacht.

Der Dreiklang aus Humorlosigkeit, beleidigter Leberwurst und Beschwerdeführung

Aber sie hat zu einem Mittel gegriffen, das im Bereich des Humors immer wieder vorkommt, ja sogar erwünscht ist, in der Welt der Humorlosigkeit aber gefährlich ist: Sie hat ein wenig übertrieben, ja man kann sagen: Sie hat die Schweinerei humoristisch zugespitzt. Schließlich steht, genau genommen, kein deutsches Schwein mit nur einem Bein im Stall. Anderseits gibt es durchaus Ställe, in denen die Beinfreiheit für Schweine, unabhängig von der Anzahl der Beine, auf denen sie stehen, nicht ideal ist. Man kann in einigen Fällen sogar von einer Sauerei sprechen.

Wie dem auch sei: Dem Dreiklang aus Humorlosigkeit, beleidigter Leberwurst und Beschwerdeführung war durch die humoristische Zuspitzung der Ministerin Tür und Tor geöffnet. Trotzdem fragt man sich, wie es geschehen konnte, dass ein riesiges Heer von Anti-Humor-Aktivisten den ministeriellen Bauernreimen derart nachhaltig den Kampf ansagte, bis Frau Hendricks als reuige Sünderin gelobte, künftig dem Versucher namens Humor nicht mehr zu erliegen.

War es simpler tierischer Ernst, der sich aus dem Schweinestall zu einem Ruf wie Donnerhall vervielfältigte? Ich glaube, dass es sich hier gar nicht um eine grundsätzliche, in der deutschen Staatsräson begründete Humorlosigkeit handelt. Die Ablehnung der ministeriellen Schweinescherze hat, meine ich, mehr mit unserer tief verwurzelten Ordnungsliebe zu tun. Auch wenn es um das Lachen geht, gilt bei uns das Prinzip: Alles an seinem Platz und alles zu seiner Zeit.

Humor hat Folgen!

So darf es im Fernsehen von komischen Alleinunterhaltern durchaus wimmeln, weil sie ihren Beruf dort ausüben, wo er hingehört: im entsprechend ausgewiesenen Abendprogramm oder in großen Hallen mit guter Lach-Akustik.  Zeitlich empfiehlt sich für humoristische Äußerungen natürlich die Faschings- beziehungsweise Karnevalszeit. In den tollen Tagen dürfen/müssen wir uns sogar über Witze kaputtlachen, die aus Altersgründen so stark riechen wie der Limburger Käse.

In der Politik und in der Landwirtschaft aber hat – dem deutschen Ordnungsprinzip folgend – der Humor nichts zu suchen. Der Schweinestall und die Regierung sind Orte des heiligen Ernstes. Da ist kein Platz für Scherze, ob gereimt oder in Prosa.

Wenn Winfried Kretschmann also vor Humorlosigkeit warnt, dann ist das sicher gut gemeint sein. Als Karriere-Empfehlung für seine Kolleginnen und Kollegen ist sein Appell nicht geeignet. Er sollte sie, vor allem wenn sie etwas mit Schweineställen zu tun haben, nicht vor der Humorlosigkeit warnen sondern lieber vor den Folgen des Humors.

Positiv über die Humorlosigkeit und die mit ihr eng verbundene unfreiwillige Komik ist abschließend zu vermerken: Limburg hat sich mit der Glockenspiel-Episode weltweit einen Namen als Komödienstadl gemacht. Da kann man nur sagen: Schwein gehabt.

Foto: Employee/US Embassy Kabul Flickr via Wikimedia Commons

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Dieter Sulzbach / 16.02.2017

Herrlich! Danke schön, lieber Herr Bonhorst! (Aber mal ganz humorlos: Das Käse-Limburg sollten Sie in der Gegend von Maastricht - und nördlicher - suchen.)

Elmar Schlürscheid / 16.02.2017

Ja da lacht der Leser! Besser aber nicht zu laut, es könnte gegen ihn verwendet werden. Köstlich Herr Bonhorst.

Eckhard Sperber / 16.02.2017

Tut mir leid, dass ich jetzt einen Tril des schönen Bildes kaputtmachen muss: Der stinkende Käse stammt nämlich nicht aus Limburg an der Lahn, sondern aus dem historischen Herzogtum Limburg in Belgien (nicht identisch mit der heutigen niederländischen Provinz Limburg). Vermutlich gab es dort aber auch Füchse und Gänse. 30 Sekunden Lachen sind jetzt erlaubt!

Eva Schwabe / 16.02.2017

Köstlich. Wie erfrischend. Dennoch bleibt das Lachen recht bitter; zeigt mir dieser Vorgang doch wieder in welch verdummter, radikalisierter und damit gefährlichen Zeit wir angekommen sind. Nahezu alles ist möglich, nicht weit entfernt vom beginnenden Denunziantentum: “Sie haben soeben Fleisch gekauft, warum?”

Hans Peter Kovacs / 16.02.2017

Auch wenn die Entscheidung des Bürgermeisters zugunsten der Beschwerdeführerin gegen ein Kinderlied (!) nun wirklich “Käse” ist, heißt das doch dem “Limburger” Unrecht getan.  Der kommt nämlich aus ursprünglich aus Belgien.

JF Lupus / 16.02.2017

Wenn man den angeblichen Ex-Kommunisten und angeblich zum guten Christen und sicherlich zum Gutmenschen mutieren Kretschmann sieht und vor allem rden hören muss, kann einem jeglicher Humor abhanden kommen.

Alfred Schmidt / 16.02.2017

Der gleichnamige Käse hat seinen Namen nicht von der deutschen Stadt Limburg, sondern vom gleichnamigen Herzogtum in Belgien, heute in der Provinz Lüttich.

Hjalmar Kreutzer / 16.02.2017

“Liebes Füchslein, lass Dir raten, sei doch nur kein Dieb! Nimm, Du brauchst nicht Gänsebraten, mit der Maus vorlieb!” Es ist also ein Kinderlied, was versöhnlich endet, es sei denn, jemand startet jetzt wieder einen #aufschrei: #rettetdiemaus. Aber die friedfertige schweigende Mehrheit muss wieder einmal so lange gepiesackt werden, bis sie kleinlaut zugibt, jemanden total kulturunsensibel beleidigt zu haben. Womit ich nix gegen nix gesagt haben möchte.

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