Norbert Bolz, Gastautor / 05.09.2021 / 11:00 / Foto: Pixabay / 63 / Seite ausdrucken

Eine Ermahnung an die Retter der Welt

Über den großen Philosophen Descartes gibt es die Anekdote, er habe Messekataloge gelesen und sich bei den Titeln der Bücher seiner Kollegen überlegt, was er selbst dazu schreiben würde. Und tatsächlich kann ein guter Buchtitel eine Inspiration sein. Mir ging es so mit Stanley Fishs „Save the World on Your Own Time“. Zu Deutsch etwa: Rette die Welt in deiner Freizeit. Als ich den Titel las, war meine Reaktion: Wow, das ist die Lösung! Die Lösung nämlich des großen Problems, dass es in der westlichen Welt und vor allem in Deutschland so viel guten Willen am falschen Ort gibt.

Rette die Welt in deiner Freizeit, aber nicht, wenn du als Lehrer vor deiner Klasse stehst. Da sollst du den Schülern Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen, nicht das Parteiprogramm der Grünen einbläuen. Rette die Welt in deiner Freizeit, aber nicht, indem du als Schüler am Freitag nicht in die Schule gehst. In die Schule zu gehen, ist deine Pflicht, und du sollst dort einfach nur lernen, was auf dem Lehrplan steht. Lernen könnte man dort unter anderem auch, dass Schüler gar nicht streiken können, sondern eben nur die Schule schwänzen. Fridays For Future ist schlicht illegal, Sundays For Future wäre in Ordnung. Nur ist dann natürlich die Alliteration zerstört – und der Anreiz, überhaupt mitzumachen.

Rette die Welt in deiner Freizeit, aber nicht, wenn du als Professor im Universitätsseminar vor deinen Studenten stehst. Dort geht es um Analysen und nicht um politische Entscheidungen, und du müsstest klarmachen, dass eine Akademie keine Demokratie ist. Studenten sind keine Kunden, aber sie sollten als Studenten auch keine Aktivisten sein, das heißt, sie sollen die Welt verstehen, nicht verändern. Als Professor kannst du politische Positionen diskutieren, aber du darfst nicht politisch sein. Rette die Welt in deiner Freizeit, aber nicht, wenn du als Journalist Fakten sammelst und sie zu Berichten formst. Nichts ist für dich und deine Leser gefährlicher als die Ideologie des „Haltungsjournalismus“, die Information und Meinung nicht mehr trennt. Als Journalist sollst du dich nicht emotional mit der guten Sache gemein machen, sondern sachlich über die meist schlechte Welt berichten.

Rette die Welt in deiner Freizeit, aber nicht, wenn du als Priester vor deiner Gemeinde stehst. Dann sollst du das Evangelium predigen, die Paulusbriefe interpretieren und dich um die Seelen deiner Gemeindemitglieder sorgen. Du verfehlst deinen hohen Beruf, wenn du deine Autoritätsstellung missbrauchst, um für Seawatch 3 oder die Rainbow Warrior zu trommeln. Rette die Welt in deiner Freizeit, aber nicht, wenn du als gewählter Politiker Verantwortung für die Geschicke des Landes übernimmst. Politik ist das geduldige Bohren harter Bretter (Max Weber), „piecemeal social engineering“ (Karl Popper). Deshalb verfehlst du den Beruf zur Politik, wenn du dir einbildest, allen anderen Ländern „vorangehen“ zu sollen; wenn du glaubst, an Deutschlands Wesen solle die Welt genesen.

Man kann all diese Ermahnungen zusammenfassen in dem einfachen Satz: Tu deinen Job! Danach kannst du die Welt retten.

Foto: Pixabay

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A. Ostrovsky / 05.09.2021

“An alle, die als Lehrer, Pfarrer oder Journalisten meinen, „Haltung“ zeigen zu müssen: Rettet die Welt in eurer Freizeit – und macht einfach nur euren Job!” Wie sollen solche Leute, die ihren Job überhaupt nicht begreifen, ihn richtig ausfüllen? Wer als Lehrer, Pfarrer oder Journalist meint, “Haltung” zeigen zu müssen, ist da einfach falsch. Der soll sich bitte beim Arbeitsamt in die Schlange stellen, bitte in die Schlange für Geimpfte!

P. F. Hilker / 05.09.2021

Wie wahr.

Claudius Pappe / 05.09.2021

Frau Merkel, Frau Lügenbock Herr Scholz, Frau Neubauer : Rettet die Welt in eurer Freizeit und mit eurem eigenen Einkommen und nicht mit dem Geld der Netto-Steuerzahler. Herr Maas und Herr Spahn : Nehmt die eingeflogenen Taliban-Afghanen in eure Villen auf.

Rainer Niersberger / 05.09.2021

Richtig. Da aber keiner mehr seinen Job tun kann resp will, beschäftigt er sich mit “Angelegenheiten”, deren Erfuellungsbeitrag nicht zu controllen oder zu kontrollieren ist, bei denen es genuegt, die erwünschten Begriffe zu verwenden oder das erwuenschte Narrativ zu erzaehlen. Wer sollte das kritisieren und man wird damit sozusagen auch abmahnungs - oder kuendigungsgeschuetzt, egal, wie man seinen konkreten Jub macht. Beim Job stellt sich ja bekanntlich bereits am Anfang die Frage, was sind die Aufgaben (Ziele) und wie sind die daraus folgenden Anforderungen. Wenn ich wie heute üblich, das Alles weglassen und durch Haltung und Gesinnung ersetze, erledigen sich die lästigen Fragen wie von selbst. Das Ergebnis ist bekannt und ueberall zu besichtigen. Man laesst die beruflichen Inhalte weg,  definiert nicht! die eigentlichen Ziele einer Institution oder Organisation und schon “passt” es (immer) mit der ideologisch passenden Personalauswahl und der ideologisch passenden Prüfung der Eignung. Die Aspekte von Eignung und Kompetenz sind obsolet (geworden). Ihre Reinstallation als Voraussetzung dessen, was der Autor zutreffend fordert, ist ideologisch nicht (mehr) durchsetzbar. Diese Gesellschaft hat sich aus bekannten Gruenden fuer einen ganz anderen Weg entschieden, dort eingerichtet und wird sich mit Händen und Füssen dagegen wehren, in die besseren, frueheren Zeiten zurueck zu kehren, die fuer nicht wenige persönlich unangenehme Folgen haetten.

Silke Müller-Marek / 05.09.2021

Absolut richtig!!!!!

Wolfgang Janßen / 05.09.2021

Die Idee, Schüler sollen vor allem lernen, was in den Lehrplänen steht, verkennt die Halbwertszeit von Lehrplänen. Ich habe in meiner 37jährigen Dienstzeit soviele Lehrplanänderungen erlebt, dass ich die Sinnhaftigkeit von Lehrplänen durchaus infrage stelle. Besonders in Mathematik wurden die Lehrpläne im Sinne des “Abiturs für alle” immer weiter ausgedünnt. Auch die Prüfungsordnungen des Abiturs wurden mindestens 7mal verändert. Am Ende habe ich mich gefragt, ob mein eigenes Abiturzeugnis vielleicht schon abgelaufen ist.

Gabriele Klein / 05.09.2021

Nein, auch nicht nach dem Job, denn mein Paradies ist nicht Dein Paradies, Ganz genau deshalb stehn da Engel vorm Tor. Mehr als die Goldene Regel geht nicht. Wo sie gebrochen wird beginnt die Notwehr. Wer mit dem “Serum” des ungeliebten Nachbarn nicht geimpft werden möchte der versuche auch umgekehrt diesen nicht mit mit seiner Giftspritze in Liebe zu Leibe zu rücken Eine Dauerpandemie natürlichen Ursprungs wäre mir unbekannt. Ich kenne sowas nur von Menschenhand je nachdem wie lange so ein Biowaffengang tobt.

Rolf Mainz / 05.09.2021

Freizeit setzt voraus, dass es Arbeitszeit gibt. Die meisten Haltungsdiktatoren dürften hingegen gar keiner Arbeit im eigentlichen Sinne nachgehen.

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