„Ich gehe bis nach Karlsruhe“ ist zum geflügelten Wort geworden, für alle, die ihr Recht suchen. Doch der gute Ruf des Bundes-Verfassungsgerichtes wird immer mehr ramponiert. Jetzt gibts dafür einen satirischen Preis für die kreativste Auslegung des Grundgesetzes".
Am Samstag, den 25. Oktober 2025 hat die Bürgerinitiative 1bis19 ihren Preis für den „kreativsten“ Umgang mit den Grundrechten vergeben. Die Initiative, die nach den ersten 19 Artikeln des Grundgesetzes benannt ist, wurde als Reaktion auf die Corona-Maßnahmen-Politik gegründet. Ihr Jahrespreis geht an eine Person oder eine Institution, die einen besonders fragwürdigen Umgang mit den Grundrechten gezeigt hat. Aus zahlreich eingegangenen Vorschlägen wählte eine hochkarätig besetzte Jury den Preisträger aus: das Bundesverfassungsgericht. Die Jury bestand aus Professor Volker Boehme-Nessler, Carlos Gebauer, Professor Stefan Homburg, Vera Lengsfeld, Professor Michael Meyen und Roland Tichy. Im Rahmen der öffentlichen Preisverleihung in Köln wurden die Begründungen der beiden Juristen aus den Reihen der Jury verlesen, die wir hier im Wortlaut wiedergeben.
Juror Professor Volker Boehme-Nessler führte zur Begründung an:
"Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufgabe, die Verfassung und vor allem die Grundrechte vor der Politik zu schützen. Es ist der „Hüter der Verfassung“. So sehen sich die Richter auch selbst. Jahrzehntelang haben sie diese Aufgabe sehr gut erfüllt. Nicht zuletzt deshalb hatten sie bei den Bürgern einen hervorragenden Ruf. „Ich gehe bis nach Karlsruhe“ ist zum geflügelten Wort geworden, für alle, die ihr Recht suchen.
Seit Corona gilt das nicht mehr. In der größten Krise der Verfassung hat das Verfassungsgericht versagt. In einem Ausmaß, das man sich nie hätte vorstellen können, hat die Regierung während der Pandemie Grundrechte und Bürgerfreiheiten eingeschränkt. Da hätte man einen echten Hüter der Verfassung dringend gebraucht. Das Verfassungsrecht hätte zum Schutz der Grundrechte „rote Linien“ für die Regierung ziehen müssen. Das hat Karlsruhe nicht getan. Das Gericht hat alle Maßnahmen der Regierung, die in weiten Teilen unverhältnismäßigund Verletzungen der Grundrechte waren, brav gebilligt. Auch nach Corona gibt es keine Einsicht und Selbstkritik. Das Gericht kann – oder will? - nicht erkennen, was es falsch gemacht hat.
„Das Gericht in Karlsruhe erfüllt seine ursprüngliche Aufgabe nicht mehr“
Ein genauso schlimmer Sündenfall ist das Urteil des Gerichts zum Klimaschutzgesetz von 2021. In diesem Urteil legt es die Klimaschutzpolitik sehr detailliert mit konkreten Fristsetzungen für die nächsten Jahre fest. Es schreibt dem Parlament und der Regierung vor, welche Maßnahmen bis zu welchem Zeitpunkt ergriffen werden müssen. Die durchweg harten Maßnahmen dienen nicht nur dem Klimaschutz, sie sind gleichzeitig starke Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. Das Bundesverfassungsgericht macht Klimapolitik und greift in Grundrechte ein. Das ist eine doppelte Grenzüberschreitung. Einerseits ist es schon wieder nicht der Hüter der Verfassung und der Grundrechte, im Gegenteil. Und andererseits verletzt es einen elementaren Grundsatz des demokratischen Verfassungsstaates – die Trennung von Legislative und Judikative. Die Gewaltentrennung sieht vor: das Parlament macht die Gesetze, das Gericht kann die Gesetze auf Verfassungsmäßigkeit prüfen. Selbst Klimapolitik zu machen ist dem Bundesverfassungsgericht von der Verfassung verboten. Das kann das Parlament viel besser. Trotzdem hat es sich auf diesen klimapolitischen aktivistischen Irrweg gemacht.
Das Gericht in Karlsruhe erfüllt seine ursprüngliche Aufgabe nicht mehr. Es ist kein Hüter der Verfassung, wenn es darauf ankommt. Gleichzeitig entwickelt es politischen Aktivismus und verletzt dadurch den Grundsatz der Gewaltenteilung – und damit die Verfassung. Das macht es zum würdigen Preisträger dieser Preisverleihung."
Juror Carlos Gebauer gab zur Begründung an:
"Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Arbeit auf der Grenze zwischen Recht und Politik den Inhalt und die Bedeutung der Grundrechte in Deutschland jahrzehntelang prägend konturiert. Als historische Antwort auf die totalitären und menschenverachtenden Exzesse der nationalsozialistischen Terrorherrschaft hat die Karlsruher Judikatur gleich nach Gründung des Gerichtes in der damals noch jungen Bundesrepublik den naturrechtlichen Ansatz des Grundrechtekataloges methodisch überzeugend als Basis einer freiheitlich-demokratischen Ordnung ausdifferenziert. Die Staatsorganisation wurde von dem Gericht feingliedrig als Instrument ausgeformt, um individuelle Freiheitsrechte gegen bedrängende Eingriffe abzusichern; um eine moderne und aufgeklärte Rechtsordnung widerspruchsfrei auszuformulieren; und um den Staat international als völkerrechtlichen Akteur für einen weltweiten Frieden hörbar zu machen.
Indem die Rechtsprechung des Gerichtes dem üblichen politischen Tagesgeschäft in nüchterner Sachlichkeit und professioneller Unaufgeregtheit verfassungsrechtliche Grenzen setzte, erwarb es sich das Vertrauen der eigenen Bevölkerung ebenso wie das Ansehen internationaler Gerichtshöfe. Die juristische Arbeit im Karlsruher Schlossbezirk wirkte so über die Grenzen Deutschland hinaus in die europäischen Nachbarstaaten und über diese hinaus sogar rechtsfortbildend in weite Teile der Welt.
Im Gefolge der weltweit diskutierten Corona-Epidemie hat das Bundesverfassungsgericht die ihm angetragenen Rechtsschutzbegehren - erstaunlicherweise konsequent abweichend von seiner zuvor jahrzehntelang gepflegten freiheitlichen, grundrechteschützenden Judikatur - mit wenig sichtbarer richterlicher Empathie und einem nicht konturenscharfen, gleichwohl aber umso deutlicher betonten, überragenden Gemeinwohlinteresse zurückgewiesen. Nach anfangs langem Schweigen auf vielgestaltige Beschwerden Betroffener hin, hieß das Gericht überaktivistische politische Maßnahmen gut, steigerte es den Raum der exekutiven Einschätzungsprärogative in faktisch grenzenlose Sphären und verschloss es sich dem Wehklagen isoliert Sterbender, schutzloser Schulkinder, ohnmächtiger Unternehmer und Arbeitnehmer, akribischer Mediziner und - ganz besonders - verzweifelter Menschen in Gesundheitsberufen, deren Expertise sie vor eilends zugelassenen Arzneimittelgaben warnte.
„Die Grundrechte repressiv interpretiert“
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinen pandemischen Auslegungsmethoden einer epidemiegeschichtlich ungesehenen Übervorsicht; mit dem Dulden des fachwissenschaftlichen Abgehens von etablierten Standards; mit der Zuweisung von Ausnahmekompetenzen an verfassungsrechtlich nicht vorgesehene Gremien; mit dem Hinnehmen einer exekutiv definierten und fachgerichtlich nicht überprüften Risikolage; mit der Steigerung prozessualer Darlegungslasten für Beschwerdeführer und mit dem Ausbleiben einer selbstkritischen Eigenkorrektur trotz Vorlage eines deutlichen richterlichen Normenkontrollantrages. - das Gericht hat die Grundrechte unserer Verfassung nicht freiheitlich-individualschützend, sondern schrankenschaffend repressiv interpretiert. Das Gericht hat damit das über siebzig Jahre hinweg stetig gewachsene Vertrauen in seine integrierende, unparteiisch vermittelnde Funktion zwischen Staat und Bürger und insbesondere in seine Rolle als kompetenter Sachwalter wissenschaftlicher Rationalität erheblich beschädigt.
Wer nur beschließt, ohne zu urteilen; wer nur berät, ohne zuzuhören; wer Tatsachen nur glaubt, statt Beweis zu erheben; wer rechtlich subsumiert, ohne den Sachverhalt skeptisch und kritisch auf seine Tatbestandsrelevanz zu prüfen; der läuft notwendigerweise Gefahr, fehlerhaft zu entscheiden. Ein letztinstanzliches Richterwort darf nicht auf Restzweifeln ruhen, es sei denn, es spricht sich wegen der nicht ausgeräumten Bedenken zugunsten der Freiheit und gegen den Eingriff aus. Juristische Kreativität darf nicht in Gegnerschaft zur Freiheit treten. Juristische Präzision setzt aufgeklärte wissenschaftliche Skepsis voraus. Juristische Sensibilität in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat kennt nur eine Richtung: In dubio pro libertate!"
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet u.a. als Musikwissenschaftlerin (Historische Musikwissenschaft). Außerdem ist sie als freie Journalistin tätig.

Nun, jede Regierung der jüngsten Zeit, ob Merkel, Ampel I (grün-rot-gelb) oder Ampel II Marke Afghanistan bzw. Malawi (grün-rot-schwarz) zupft mehr und mehr Fäden aus den Nähten der “Roten Roben”. Wenn’s so weiter geht, sind die “roten” Richter bald nackig!
@Bernhard Freiling: Ja, wer die Macht hat, kann sich immer WAS einfallen lassen. Und wie schnell das geht, haben wir ja vor knapp fünf Jahren erlebt: beim „Ermächtigungsgesetz“ - Bundesdrucksache 700/20 vom 18.11.2020 – mit dem Titel „Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“. Im Eiltempo passierte dieses Ermächtigungsgesetz den BT und wurde am selben Abend vom BP unterschrieben und also in Kraft gesetzt. Neun Mal kommt der Begriff „ermächt* darin vor. So schnell kann’s gehen…
@Emil.Meins / 27.10.2025 Danke für den unterhaltsamen Exkurs in die Tier/Entenwelt!
Die “Ente” hat Karlsruhe wahrhaftig verdient! Schon seit Jahren bin ich erstaunt, dass ganz offensichtlich kaum jemand zur Kenntnis genommen hat, wie die Altparteien auch die Judikative, insbesondere das BVerfG mit Parteigängern oder Personen besetzt haben, die in keiner Weise für ein solches Richteramt geeignet sind. Fast die Hälfte der Mitglieder des BVerfG können keine richterliche Erfahrung vorweisen. Sie kommen überwiegend aus Lehrberufen oder juristischen Professionen, die sie m. E. nur sehr selten mit dem Verfassungsrecht in Verbindung gebracht haben konnten. Die frisch gewählte Frau Kaufhold dürfte als sog. Aktivistin im linken Bereich einen weiteren Höhepunkt in der Berufung solcher Personen darstellen. Der römische Satiriker Juvenal, von dem die lateinische Phrase “Quis custodiet custodes?” (“Wer bewacht die Wächter?”) stammt, hätte seine helle Freude an einer solchen Entwicklung gehabt und eine befriedigende Antwort erbeten, die bestimmt nicht so aussehen würde, wie es sich in der Entwicklung unseres höchsten deutschen Gerichts widerspiegelt: Von der einstmals freiheitlichen, grundrechtsschützenden Judikatur zur politisch-aktivistischen Überbetonung eines allgemeinen angeblich überragenden Gemeinwohlinteresses. Ovids “Principiis obsta!” (“Wehret den Anfängen!”) käme hier eindeutig zu spät. Jetzt hilft wohl nur noch: et respice finem!” (“Bedenke das Ende!”).
Das “Bundesverfassungsgericht” ist schon lange zum “Bundesregierungsgericht” degeneriert. Aber der entscheidende Punkt in dieser Diskussion um die Assimilation des Gerichtes durch die Politik wird nicht erkannt: eine solche Degeneration setzt voraus, daß das Grundgesetz - es ist ja keine Verfassung! - die Anlage zu einer solchen Fehlentwicklung bietet: es ist schlicht und einfach Schrott und sollte durch eine Verfassung abgelöst werden, die solche Zustände verhindert, die uns durch das Bundesregierungsgericht aufgezwungen werden.
Die Begründungen für diesen Preis sind so überzeugend, dass sich die betroffenen Richter eigentlich weinend in eine Ecke verziehen müssten und ihr Amt aufgeben müssten bzw ihre Pensionen spenden müssten. Die Institutionen bei der jeder Bürger letztendlich Gerechtigkeit erwartet hatte und noch erwartet, haben versagt und versagen immer noch. Beispiel: ein Stasistaat mit Meldestellen gegen freie Meinungsäußerungen etabliert sich gerade—— 6 Uhr ist Bademantelzeit —— Majestätsbeleidigung usw
Hab mich schon immer gewundert , wie erwachsene Männer mit einer derartigen Bildung sich in die roten Roben zwängen, um darin Recht zu sprechen.