Henryk M. Broder / 20.04.2025 / 12:00 / Foto: Henryk M. Broder / 40 / Seite ausdrucken

Eine Chronik der Massaker in Kosovo

Dies ist kein Coffee-Table-Buch, kein Buch, das man auf Reisen mitnimmt. Und keine erbauliche Lektüre. Der Inhalt kommt einer Schocktherapie sehr nahe. Es ist eine Dokumentation der „Massaker in Kosovo“.

Shkelzen Gashi wurde am 4. August 1981 in Pristina, der Hauptstadt der autonomen Region Kosovo, als zweites von drei Kindern von Sherif und Rahime Gashi geboren. Seine Eltern arbeiteten im selben Unternehmen, einem Fischgroßhandel mit rund 100 Filialen in ganz Kosovo. Der Vater als Manager in der Chefetage, die Mutter in der Verwaltung. 

Zu der Zeit war Jugoslawien noch eine weitgehend intakte Sozialistische Föderative Republik, ein Vielvölker-Einparteienstaat, regiert vom Bund der Kommunisten Jugoslawiens. Der Krieg, der 1991 mit einer „Intervention“ der Jugoslawischen Volksarmee in Slowenien seinen Anfang nahm, kam erst Ende der 90er Jahre nach Kosovo. „Serbische Einheiten“ – nicht „die Serben“, auf diese Unterscheidung legt Shkelzen großen Wert – deportierten zehntausende von Kosovo-Albanern mit Zügen über die Grenzen nach Albanien und Mazedonien. Die Gashis – Vater Sherif, Mutter Rahime und ihre drei Kinder – landeten in einer Flüchtlingsunterkunft der Stadt Gostivar im Norden von Mazedonien. Dort blieben sie fast drei Monate und kehrten, gleich nachdem die NATO Kosovo „demilitarisiert“ hatte, Ende Juni 1999 nach Pristina zurück. 

Ziviler Widerstand im Kosovo

Shkelzen machte das Abitur und schrieb sich an der Universität von Pristina in der Abteilung für „Politische Wissenschaft“ ein. Nach dem Bachelor zum Thema „Ziviler Widerstand im Kosovo“ bewarb er sich um ein Master-Stipendium im Rahmen eines gemeinsamen Programms der Universitäten von Sarajevo und Bologna über „Demokratie und Menschenrechte“. Sein Thema war „Die NATO-Intervention im Kosovo 1999“. Mit einem BA- und einem MA-Abschluss in der Tasche machte sich Shkelzen an sein nächstes Projekt, eine „unautorisierte Biografie“ des kosovarischen Schriftstellers und Streiters für die Unabhängigkeit des Kosovo, Adem Demaci, der 28 Jahre als politischer Gefangener gelebt und überlebt hatte. Das Europäische Parlament ehrte Demaci 1991mit dem „Sacharow-Preis für geistige Freiheit“. 

Und so wurde Shkelzen Gashi, der Albanisch, Serbisch und Englisch spricht, selbst zum Aktivisten für ein freies und unabhängiges Kosovo, in dem albanische und serbische Kosovaren wenn schon nicht miteinander, so doch wenigstens nebeneinander leben können, ohne übereinander herzufallen. Keine leichte Aufgabe angesichts einer langen Geschichte des Kampfes um die Vorherrschaft in einem Land, das halb so groß ist wie Hessen. Serbien erkennt die Anfang 2008 proklamierte Unabhängigkeit des Kosovo bis heute nicht an. Die ethnischen Serben unter den Kosovaren machen weniger als zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus, was nicht viel ist, aber genug, um ethnische Konflikte am Leben zu erhalten. Obwohl formal ein selbstständiger Staat, ist das Kosovo praktisch ein Protektorat der EU, ohne deren Hilfen der „potenzielle Beitrittskandidat“ nicht weit kommen würde. 

Kein Coffee-Table-Buch

Und dann sind da noch die internationalen NGOs, die Zweigstellen in Pristina unterhalten. Sie finanzieren Projekte, die der Staat vermutlich auch dann nicht fördern würde, wenn er die dazu nötigen Mittel hätte. Wie Shkelzen Gashis neues Buch, das vor Kurzem erschienen ist. Es ist 21 Zentimeter breit, 23 Zentimeter hoch, 800 Seiten dick und zwei Kilo schwer. Kein Coffee-Table-Buch, kein Buch, das man auf Reisen mitnimmt. Und keine erbauliche Lektüre.

Die Aufmachung zeugt vom professionellen Können des Herstellers, der Inhalt kommt einer Schocktherapie sehr nahe. Es ist eine Dokumentation der „Massaker in Kosovo“, 83 an der Zahl, die zwischen dem 28. Februar 1998 und dem 23. Juli 1999 in Kosovo stattgefunden haben. Dabei verloren mehr als 10.000 Zivilisten ihr Leben, 8.692 Kosovo-Albaner, 1.196 Serben und auch Angehörige anderer Volksgruppen, die im Kosovo beheimatet waren. Es gab „große“ Massaker mit 200 und mehr Toten und auch „kleine“ mit „nur“ sechs oder zehn Opfern.

Die Arbeit an dem Buch zog sich über fünf Jahre hin. Shkelzen dokumentiert jeden Fall in drei Sprachen – Albanisch, Serbisch und Englisch. Er wertet Berichte lokaler und internationaler Medien aus, OSZE-Protokolle, Urteile und Akten aus Ermittlungsverfahren, die nicht abgeschlossen wurden. Er hat die Tatorte besucht, mit Angehörigen der Ermordeten und Überlebenden gesprochen. Und überall, wo er hinkam, war die Erinnerung noch lebendig und die Trauer ungebrochen. 

Die meisten der 83 von Shkelzen Gashi dokumentierten Blutbäder blieben juristisch ohne Folgen. In 10 Fällen kam es zu Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Drei Fälle wurden vor einem Belgrader Kriegsgericht verhandelt. Deswegen enden 70 Kapitel des Buches mit dem Satz: „Bis jetzt wurde niemand für das Massaker angeklagt oder verurteilt.“

Shkelzen Gashi: The Massacres in Kosovo 1998–1999, Hardcover, 800 Seiten, ISBN 978-9951-9174-3-8, Preis 30 Euro

 

Henryk M. Broder ist einer der Herausgeber der Achse des Guten.

Foto: Henryk M. Broder

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Daniel Oehler / 20.04.2025

Was in Berichten über das Kosovo gerne verschwiegen wird: 1. Im Kosovo geht es um Großalbanien, also eine Erweiterung Albaniens um die von Albanern besiedelten Gebiete Jugoslawiens. 2. Es geht auch um Mazedonien, wo es permanent Konflikte zwischen der albanischen Minderheit und der christlichen Mehrheit gibt. Der Fall Kosovo hat gezeigt, dass der Westen bereit ist, von moslemischen Albanern bewohnte Gebiete mit Gewalt aus dem bisherigen Staatsverband herauszureißen. Quasi Sudetenkrise 2.0. 3. Die dominierende kosovarische UCK ist keine Befreiungsbewegung, sondern der politisch-militärische Arm der kosovo-albanischen Mafia. Dank der NATO hat die auf Organhandel spezialisierte kosovarische Mafia einen eigenen Staat erhalten. Organhandel bedeutet übrigens das “Ernten” von Organen frisch getöteter Opfer, weshalb Roma und Serben die von der UCK kontrollierten Gebiete verlassen haben. 4. Nach dem Krieg der NATO gegen Jugoslawien haben kosovo-albanische “Aktivisten” zahlreiche mittelalterliche serbische Kirchen zerstört. Das war kulturelle Barbarei direkt unter den Augen der NATO-Besatzer.

Ralf Pöhling / 20.04.2025

Der Krieg in Jugoslawien war ein klassischer Fall von plötzlich entstandenem Machtvakuum, was sich neu füllen musste. Nachdem der Kommunismus weggebrochen war, haben sich die Völker dort wieder ethnisch sortiert, so wie Menschen das üblicherweise tun, wenn nichts anderes da ist, was sie in einen neuen und verlässlichen Rahmen einbettet. Und dabei zählen dann am Ende wieder die völkischen Mehrheiten bzw. die gemeinsame Orientierung bzw. die daraus entstehende Schlagkraft. Menschen sind Herdentiere. Also muss man ihnen eine funktionierende Herde anbieten. Tut man das nicht, suchen sie sich selbst eine. Und zwar eine offensichtliche: Eine nach Hautfarbe/Volkszugehörigkeit. Was im Fall des Kosovo jetzt besonders war, ist die Tatsache, dass die Serben das Kosovo als ur-serbisch ansehen, es aber unter dem Kommunismus mit immer mehr Albanern besiedelt wurde, was alles verschoben hat. Während des Kommunismus war das irrelevant, nach seinem Zusammenbruch kam das aber wieder durch. Bei der Krim sehen wir das selbe Phänomen: Eigentlich gehörte die Krim ja vorher zu Russland bis Chrustschow die Krim im Kommunismus einfach an die Ukraine verschenkt hatte, was de facto wegen des im gesamten Osten laufenden Kommunismus kaum eine Rolle spielte. Nachdem das zusammenbrach, wollten die Russen ihr eigentliches Eigentum wieder zurückhaben. Und so etwas löst dann Kriege aus. Macht muss man dezentral verteilen, sonst sucht sie sich ihre eigenen Wege. Und das geht dann immer mit einem kräftigen Knall einher. Beim Zerfall des Osmanischen Reiches war das genauso. Und beim Zerfall des Westens wird das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht anders sein. Also müssen wir hier in der EU ganz schnell etwas neues auf die Beine stellen, was die physische Macht in Europa entsprechend verteilt und zementiert, wenn die Amerikaner sich wirklich zurückziehen. Sonst wird das hier noch mehr knallen als damals in Jugoslawien.

Markus Viktor / 20.04.2025

„… enden 70 Kapitel des Buches mit dem Satz: „Bis jetzt wurde niemand für das Massaker angeklagt oder verurteilt.“ Warum kam es nicht zu Anklagen? Die Angehörigen der Betroffenen und Kosovo hätten doch ein starkes Interesse daran. - Abgesehen davon erinnere ich mich, dass damals berichtet wurde, dass Albaner die Zuhälterei in Hamburg übernommen hätten. Hat mich damals diese rechtsstaatliche Regel erkennen lassen: Völkern, die sie unterstützende Völker mit ihren Kriminellen beglücken, sollte nicht geholfen werden. Gilt heute insbesondere für Syrer, Afghanen und – wohldefinierbare - Rumänen, die überproportional häufig straffällig werden (siehe „Sexualstraftaten: Eine verhängnisvolle Statistik“, hier am 15.04.2025 zu lesen). Frohe Ostern jenseits der Kriminalgeschichte der Menschheit und auch jenseits all ihren Wrestlers!

Marc Greiner / 20.04.2025

@Lucius De Geer: “von Lissabon bis Wladiwostok”. Dass irgendwer heute solche Ambitionen hegt, dafür können Sie keinerlei Belege anführen,”—-Doch, kann ich: das russische Fernsehen. TV schauen bildet manchmal schon. Und wie schön das Publikum klatscht. Fragen Sie mal Ihre Freunde.

Chris Kuhn / 20.04.2025

@Gerd Maar & Boris Kotchoubey: wer bei Corona wach genug war, um auf die Regierungslügen nicht hereinzufallen, ist es eben auch in anderen Fragen nicht. Selbst wenn die Trefferquote dabei nur 80-90% beträgt, ist sie nach Pareto völlig ausreichend, um auch sonst c.g.s. richtig zu liegen. Was hier also anödet, das ist der blinde Rußlandhass einer vernachlässigbaren Minderheit unter den Skribenten. Die macht höchstens 10% aus. Schon klar, daß denen die 90% anderen als die Geisterfahrer vorkommen, welche sie selber sind.

Johannes Schuster / 20.04.2025

Zu diesem Kulturkreis unterhalte ich einige laufende und langjährige Kontakte. Ein Kosovare mit gelben Zähnen will mir seit Jahren 500 Euro Provision zahlen, wenn ich ihm eine Frau zum heiraten vermittle. Man soll nicht zuviel denken und nicht fragen, dann kann man ganz gut in dieser Kultur leben. Die Regeln der Gesellschaft unter Albanern und Kosovaren sind im vergleich zu anwaltssüchtigen deutschen Streithälsen überschaubar: F-cke nicht die Frau eines anderen (das ist aus den Geboten), töte niemand und man braucht keine Bannstädte. Unter Deutschen muß ich nicht die Frau f-cken und der hasserfüllte Saftsack hetzt mir trotzdem seinen Dorfanwalt auf die Hacken, der dann “vollstrecken” will. Deutsche Behörden haben es drei mal versucht mich existenziell zu runinieren. Im Vergleich würde ich es ablehnen den Kosovo als mafotisch zu bezeichnen: Eine Mafia hat teils gute Gründe, die Deutschen haben einen Verwaltungsakt. Die einen haben einen Bürgerkrieg, die anderen eine Mafia namens SS und die hat Lager und Gasanlagen.  Gegen die forensische Grundlast im deutschen Charakter (.... dann Mutter werde hart und nimm Deinem Kind das Essen weg) ist der Balkan höchstens ein Geysir. Die Frauen baggern mich nicht primitiv an, das Essen ist gut, die Gastfreundschaft ehrlich, - so oder so…. Die haben kein Grafeneck und keinen Heyde - Sawade. Auf die Uniform gebracht ist Deutschland schlimmer als jeder Brennpunkt in Europa. Und noch einen drauf: Eher kriege ich einen Serben und eine Kosovarin mit einander ins Bett als daß mich ein Deutscher mal umarmen täte. Willkommen in der kalten Wirklichkeit der “Reichskrafttürme”.

Hans-Joachim Gille / 20.04.2025

@CKrull ... spenden Sie einfach regelmäßig ein paar Mio. an die Achse des Guten. Dann kann man auch die Werbung etwas einschränken.

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