Volker Seitz / 25.03.2025 / 10:00 / Foto: Montage achgut.com / 22 / Seite ausdrucken

Eine afrikanische Stimme zum Rückzug von USAID

Die frühere Botschafterin der Afrikanischen Union in den Vereinigten Staaten, Arikana Chihombori-Quao, sagt über USAID: "Das sind Wölfe im Schafspelz". Und mit dieser Meinung ist sie in Afrika nicht allein. Da sollte man auch in Deutschland gut hinhören.

In allen deutschen Medien wird geklagt, dass der Wegfall der US-Hilfen bedeute, dass die Menschen in Afrika weniger Chancen zum Beispiel in der Bildung und im Gesundheitswesen haben. Natürlich will jede Bundesregierung – trotz sehr knapper Haushaltsmittel – unbedingt die Lücke schließen. Ganz ohne Weltgewissen geht es offenbar in Deutschland nicht. Immerhin wurde in den vergangenen Wochen endlich wieder verstärkt über Entwicklungshilfe diskutiert.

Ich empfehle (insbesondere jedem Journalisten), sich zu dem Thema die frühere Botschafterin der Afrikanischen Union in den Vereinigten Staaten, Arikana Chihombori-Quao, anzuhören: Sie sagt unter anderem (In der Sendung "The Bottom line") von Al Jazeera/english:

„Wir müssen den wahren Grund verstehen, warum USAID in Afrika ist, und nicht nur USAID, sondern auch andere Nichtregierungsorganisationen. Sie kommen und behaupten, dass sie Basisinitiativen einführen, die den Menschen helfen werden, und nutzen dies als Mittel, um in die entlegensten Teile Afrikas zu gelangen. Auf dem Papier sieht das alles sehr gut aus, aber in Wirklichkeit sind es Wölfe im Schafspelz.“

„Der amerikanische Steuerzahler muss wissen, daß Milliarden von Dollar an USAID fließen. Ein Bruchteil davon kommt bei den Menschen an.“ 

“Sie nutzen diesen offenen Zugang, der nach humanitärer Hilfe klingt, um ständig Regierungen zu destabilisieren. Ich kann Ihnen sagen, dass die Mehrheit der afrikanischen Führer, und nicht nur die afrikanischen Führer, sondern die Führer der Entwicklungsländer, den Rückzug von USAID feiern. Wenn Sie einmal darüber nachdenken, was ihr einziger Zweck ist, z. B. die Lücken im Gesundheits- und Bildungswesen zu schließen, wo ist dann die Veränderung? Zeigen Sie mir ein Land, in dem USAID war und sich die Bildung verbessert hat. Zeigen Sie mir ein Land, in dem USAID war und sich die Gesundheitsversorgung verbessert hat?“

(Original “We need to understand the real reason why USAID is in Africa, and not just USAID, but other NGOs They are coming in claiming that they're introducing grassroots initiatives that are going to help the people, and so they use that as a way to go into the most remote parts of Africa. When you look at it on paper, it all looks really good, but they're actually wolf in sheep's clothing.”

“The American taxpayer needs to know the billions of dollars that are being given to USAID. A fraction is making it to the people.”

“They're using that open access sounding humanitarian to constantly destabilize governments. I can tell you right now, the majority of African leaders, and not just African leaders, but leaders in the developing world are celebrating the exit of USAID. If you think about it, their sole purpose, for example, filling in the gaps in healthcare and education, where is the change? Show me one country that USAID was in and education improved. Show me what country where USAID was in and healthcare improved?”) 

Frau Dr. med. Chihombori wurde in Zimbabwe geboren. Sie ist Ärztin (praktizierte 29 Jahre in Murfreesboro/Tennessee) und Diplomatin. Sie vertrat die Afrikanische Union als Botschafterin von 2017 bis 2019 in den USA. Sie ist verheiratet mit dem ghanaischen Internisten Dr. Nil Saban Quao und hat fünf Kinder. Die Familie lebt heute in den USA.

Entwicklungspolitik ist auch bei uns immer noch intransparent und unzugänglich 

Ich bin sicher, unsere Entwicklungspolitiker wollen nicht hören, was die Dame zur Wirkung der „Hilfe“ zu sagen hat. Sie haben wenig hinzugelernt, denn Armutsbekämpfung hat in den letzten Jahrzehnten nur rudimentäre Fortschritte erzielt. Trotzdem wird die Frage, ob Hilfe auch schaden kann, selten gestellt. Aber Politiker und Helfer wollen sich nie wieder entbehrlich machen. 

Die Hilfe wird als Lebensjob betrieben, auch wenn unzählige „Projekte“ oder Programme“ als Fremdkörper in den Ländern durchgeführt werden. Wie ich immer wieder in 17 Jahren in Afrika und zwei Jahren in Armenien beobachten konnte, haben die Projekte kurz nach Beendigung keine Spuren mehr hinterlassen. Während ihrer Laufzeit waren sie erfolgreich, da es an Geld für Betriebsmittel, Fahrzeuge und hohe Gehälter nie gemangelt hat. Ich bin überzeugt, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung die Überprüfung auch der deutschen (seit Jahren schuldenfinanzierten) Entwicklungspolitik nach sich ziehen sollte.

 

Volker Seitz ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert, dtv, 2021 (11. aktualisierte Auflage).

Das Buch wurde seit dem erstmaligen Erscheinen (2009) mit jeder der zahlreichen Neuauflagen aktualisiert und erweitert. Von der ersten Auflage bis heute haben sich die Seitenzahlen fast verdoppelt. Das Buch hat durch seine Informationsdichte einen hohen Wert. Seine Aussagen gelten nach wie vor. Die so genannte Entwicklungshilfe subventioniert immer noch schlechte Politik. Solange immer Ausreden gefunden werden, warum korrupte Regime unterstützt werden sollen, werden auch die Fluchtursachen nicht verringert werden. Die Profiteure der Entwicklungshilfe behaupten: Hilfe funktioniert. Aber warum gehe es heute den meisten afrikanischen Ländern schlechter als zum Ende der Kolonialzeit, fragt Seitz. Es würden kaum Arbeitsplätze vor Ort geschaffen und das breite Elend werde nicht beseitigt, weil Zielgruppen nicht in die Maßnahmen einbezogen werden. Afrikanische Kritiker würden nicht zu den Kongressen eingeladen.

Hilfsgelder heizten in vielen Ländern die Korruption an und halten Afrika in Abhängigkeit. Deshalb plädiert Seitz aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften, die bisherige Hilfe durch wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen. Wirkliche Hilfe würde bei der intensiven Förderung von Geburtenkontrolle beginnen. Weniger Geburten hätten in Teilen Asiens und Südamerikas zu besseren Lebensbedingungen geführt. Er wundert sich über die Ignoranz in der Politik und den Medien, wenn es um das wahre Problem Afrika gehe.

Seitz wird nie pauschal, hebt immer wieder positive Beispiele hervor und würdigt sie im Detail. Ein Buch, das über weite Strecken auch Lesevergnügen bereitet, ist immer noch genauso aktuell wie zum Zeitpunkt seiner Erstveröffentlichung. Es richtet sich nicht an ein Fachpublikum. Der Autor bedient sich einer Sprache, die klar ist, dass sie auch Lesern ohne jegliche Vorkenntnisse einen Zugang zu der Thematik – die uns alle betrifft – eröffnet.

 

Foto: Montage achgut.com

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Hans-Joachim Gille / 25.03.2025

Die Schulzes sollten auf freiwillige Fonds zurückgreifen. Ich fühle mich enteignet von der Deutschen Neo-Feudalherrschaft.

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