Volker Seitz / 06.02.2021 / 11:00 / Foto: IMF / 10 / Seite ausdrucken

Eine Afrikanerin an der Spitze der WTO

Künftig wird die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala die Welthandelsorganisation (WTO) führen. Die letzte noch verbliebene Kandidatin, die südkoreanische Handelsministerin Yoo Myung Hee, zog ihre Bewerbung zurück und die Regierung von US-Präsident Joe Biden, stellte sich am Freitag hinter Okonjo-Iweala. Anfang März wird der Generalrat der WTO-Mitglieder tagen, um die Ernennung zu beschließen.

Sie ist die erste Frau und erste Afrikanerin an der Spitze der zerstrittenen Welthandelsorganisation. Die WTO mit Sitz in Genf gehört neben dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank zu den wichtigsten Organisationen in der Wirtschaftspolitik. Sie soll vor allem ein Forum für Verhandlungen zum Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen bieten und überwachen, ob internationale Handelsabkommen eingehalten werden. 

Sieben Jahre lang war die heute 66-Jährige Finanz- und Wirtschaftsministerin (und kurzzeitig Außenministerin) Nigerias, der größten Ökonomie Afrikas. Als Ministerin fuhr sie strikten Sparkurs. Sie strich Subventionen, privatisierte Unternehmen und zog gegen die Korruption zu Felde. Sie konnte mehr als 60.000 Ghost Worker ("Geisterarbeiter") im öffentlichen Dienst enttarnen. Diese nicht existierenenden Bediensteten kosteten den nigerianischen Staat bis dahin jährlich mehr als 530 Millionen US-Dollar.  In ihrem Kampf gegen die Korruption hat sie sich mächtige Feinde gemacht, die schließlich sogar ihre Mutter, Kamene Okonjo - eine Ärztin und pensionierte Professorin für Soziologie - aus ihrem Haus im Süden Nigerias entführten. Okonjo-Iweala wurde in Harvard ausgebildet, arbeitete ein Vierteljahrhundert bei der Weltbank in Washington. Mittlerweile besitzt sie neben der nigerianischen Staatsbürgerschaft auch die US-amerikanische. Sie hat neben vielen anderen Ämtern und Posten auch den Vorsitz der internationalen Impf-Allianz Gavi inne. Sie ist mit einem Neurochirurgen verheiratet und ist Mutter von vier Kindern.

Okonjo-Iweala steht vor gewaltigen Herausforderungen. Ihre Herkunft ist von Vorteil, denn bisher ist Afrika nicht an großen Handelskonflikten beteiligt. Die WTO gilt als stark reformbedürftig. Die 2001 vereinbarte Doha-Runde von Handelsliberalisierungen ist bis heute nicht abgeschlossen, weil die Interessen der 164 Mitgliedsstaaten zu weit auseinandergehen und weil Änderungen einstimmig beschlossen werden müssen. Vom veralteten Regelwerk, das Fragen um die Digitalisierung, den Schutz des geistigen Eigentums, die Rolle der Staatsunternehmen sowie Klima- und Umweltschutz kaum oder nicht berücksichtigt, profitiert vor allem China.  Der abgewählte Präsident Donald Trump sah die USA von der WTO ungerecht behandelt und wollte die Organisation umgestalten sowie China von der Liste der Entwicklungsländer streichen lassen. Trump hatte sein Veto gegen die Wahl von Ngozi Okonjo-Iweala eingelegt. Nachdem der Demokrat Joe Biden das Rennen gemacht hat, wurde der Weg für sie frei. Aber auch unter Biden werden die USA von den westlichen Staaten die Einzigen sein, die klare Vorstellungen haben. Wenn Deutschland sich global behaupten will, dann müssen auch bei uns deutlich die eigenen Interessen definiert werden.

Ngozi Onkonjo-Iweala muss in diesem Jahr die Ministerkonferenz vorbereiten und die ins Stocken geratenen Verhandlungen vorantreiben. Aber nicht die WTO selbst, sondern nur deren Mitglieder können Reformen auf den Weg bringen. Anders als ihr Vorgänger, der Brasilianer Roberto Azevȇdo, wird sie sich als verhandlungsstark und entschlossene Reformerin erweisen müssen. 

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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Karla Kuhn / 06.02.2021

Volker Franzen, “Warum hat man sie nicht längst erwählt für ein solch wichtiges internationales Amt.” Wahrscheinlich deshalb ? “Als Ministerin fuhr sie strikten Sparkurs. Sie strich Subventionen, privatisierte Unternehmen und zog gegen die Korruption zu Felde. Sie konnte mehr als 60.000 Ghost Worker („Geisterarbeiter“) im öffentlichen Dienst enttarnen. Diese nicht existierenenden Bediensteten kosteten den nigerianischen Staat bis dahin jährlich mehr als 530 Millionen US-Dollar.”  Solche Leute, die wertvolle Arbeit leisten, sind offenbar in KEINEM Staat beliebt. Die zwei berühmtesten amerikanischen Whistleblower leben heute noch im Ausland.  Da kann ich dieser Frau nur viel Glück und Erfolg wünschen. Kann sich jemand so eine Frau/Mann für Deutschland vorstellen ?

Claudius Pappe / 06.02.2021

@Petra Wilhelmi….......................das wären auch meine Worte gewesen. Sie waren aber schneller…................Danke !

Wolfgang Kolb / 06.02.2021

Prinzipiell ist es zu begruessen, dass endlich die Rolle Afrikas auf dem internationalen Parkett gewuerdigt wird. Insbesondere mit einer Frau aus Nigeria, Afrikas groesstem Oelproduzenten. Frau Okonjo-Iweala wurde vor einigen Jahren im Zuge eines Waffenskandals genannt, bei dem ca. 2 Milliarden US Dollar veruntreut wurden (“Nigeria’s ex-minister Okonjo-Iweala is scrambling to save her name from a $2 Billion scandal” by Quartz Africa). Ebenso werfen Kritiker ihr vor, waehrend ihrer Zeit als Finanzministerin nicht effektiv genug die Veruntreuung von Geldern verfolgt zu haben (“Is Nigeria Serious about tackling corruption?” by BBC News). Auch wird in einem aktuellen Artikel die Entfuehrung ihrer Mutter in Frage gestellt, zumindest werden die Motive der Entfuehrer kritisch hinterfragt (“The Lady is not for turning” by Omolade Adunby on africascountry.com). Bleibt zu hoffen, dass Frau Ngozi Okonjo-Iweala der WTO den Respekt liefert, der von Leitern einer solchen Behoerde erwartet werden darf.

Gerd Heinzelmann / 06.02.2021

Sie ist keine Angelsächsin. Wenn sie das weiß, könnte es interessant werden.

Sporer S.C.T.N GmbH / 06.02.2021

Herr Seitz, zu meinem vorherigen Kommentar möchte ich hinzufügen: - Wenn es um Schrottautos und Altkühlschränke geht sind die Importzölle ja in Ordnung - aber wenn es um Technologie geht dann stellt sich der importierende Staat selbst ein Bein mit solchen Einfuhrzöllen Beste Grüße

Christian Sporer / 06.02.2021

Lieber Herr Seitz, ich weiß nicht ob die WTO wirklich eine wichtige Rolle spielt. Ich weiß nur dass mein Kunde für Importe aus der EU 35% Einfuhrzölle zahlt. Und das verteuert Importe die einem technologischen Fortschritt im Importland dienen um den Faktor 1,35. Wie die 35% verwendet werden weiß ich leider nicht.

Gerhard Schmidt / 06.02.2021

Das ist doch der Altmaier, “blackfaced” und in Frauenkleidern! Die Merkel lässt sich auch immer wieder was neues einfallen, um ihre Leute international unterzubringen…

Volker Franzen / 06.02.2021

Die Voraussetzungen der nigerianischen Ex-Ministerin Onkonjo-Iweala dafür, künftig die WTO zu führen, sind nach Beschreibung von Volker Seitz so exzellent, dass man sich fragt: Wer sonst?! Warum hat man sie nicht längst erwählt für ein solch wichtiges internationales Amt. Ihr Lebenslauf von der Ausbildung über ihre beruflichen Stationen, die Erfolge ihrer Arbeit in sicher schwieriger Umgebung, ihre Familie usw. sind ein überaus hervorragender Ausweis dafür, dass sie diese Arbeit bewältigen kann. Allerdings braucht sie die volle Unterstützung der Mitglieder. Die WTO braucht dringend Reformen, um wieder als entscheidende Plattform im internationalen Handel weltweit akzeptiert zu werden. Dazu braucht sie nicht nur die USA, die nach Amtsantritt von Biden auf ihrer Seite sein werden, sondern auch die Europäer. Deutschland sollte hierbei eine starke Rolle spielen; wir sind vom freien und fairen Welthandel mehr denn je abhängig. Ich lasse mich überraschen, wer unserer deutschen Politiker sich hierbei in besonderer Verantwortung sieht. Frau Onkonjo-Iweala jedenfalls wünsche ich, dass sie nach ihrer Ernennung im März eine entschlossene Reformerin und eine starke Verhandlungsführerin sein wird. Die WTO braucht so jemanden wie sie. Viel Erfolg und eine glückliche Hand wünsche ich ihr!

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