Wolfgang Meins / 19.08.2023 / 06:20 / Foto: wellcomeimages / 48 / Seite ausdrucken

Einäugige Wissenschaft

Ein ideologisiertes Weltbild macht die Wissenschaft bei vielen Fragen zwar nicht gleich blind, aber eben doch einäugig und erlaubt es ihr nur noch eingeschränkt, bestimmte Phänomene aufzuklären. Ein Beispiel.

Ausnahmsweise mal nicht im Rahmen einer Internetrecherche, sondern ganz konventionell in der wöchentlichen WamS-Kolumne des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Thomas Mayer, stieß ich auf eine recht bemerkenswerte Studie. Es geht darin um die Frage, wie sich die globale Erwärmung auf die wirtschaftliche Entwicklung der Länder dieser Erde auswirken wird – präziser formuliert: wie sich die erwarteten Temperaturveränderungen in den nächsten Jahrzehnten auf das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf auswirken werden. Es handelt sich also um eine sog. Modellierungsstudie.

Im Kern geht es bei Modellierungen darum, ein realistisches, komplexes Problem mithilfe von Mathematik zu lösen. Im Einzelnen hat das folglich viel zu tun mit Gleichungen, Beschreibung von Wachstumsvorgängen oder geometrischen Zusammenhängen mithilfe von Funktionen und natürlich auch mit der Berechnung von Wahrscheinlichkeiten. Eigentlich ist es gerade nicht des Menschen Stärke, komplexe, vernetzte und dynamische Situationen in all ihren Strängen und Verästelungen gedanklich zu durchdringen. Durch den Einsatz von immer leistungsfähigeren Computern und ausgefeilteren mathematischen Prozeduren hat sich dieses Grundproblem sicherlich abgeschwächt, aber mitnichten aufgelöst. So ist der Prognostiker immer gut beraten, seinen Prognose-Horizont möglichst weit in die Zukunft zu verlagern. Auch deshalb dürfte die kommende Jahrhundertwende als Prognose-Endpunkt so beliebt sein. Wie es um die Güte oder Treffgenauigkeit von wirtschaftswissenschaftlichen Prognosen zu komplexeren Sachverhalten über einen mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte umfassenden Zeitraum grundsätzlich bestellt ist, sei dahingestellt. 

Klima und Wohlstand

In der hier interessierenden US-Studie wird angenommen, dass es sich bei der Beziehung zwischen Temperatur und wirtschaftlicher Produktivität nicht um eine lineare, sondern eine nicht-lineare handelt: Die Produktivität nimmt also nicht einfach mit steigender Temperatur ab und mit sinkender zu, oder umgekehrt, sondern es existiert eine Grenztemperatur, die bei etwa 13 Grad Celsius liegt. Bis zu einer durchschnittlichen Jahrestemperatur in dieser Höhe steigt die Produktivität mit jedem Grad, das es wärmer wird. Eine durchschnittliche Jahrestemperatur von über 13 Grad Celsius wirkt sich dagegen mit jedem Grad ungünstiger auf die Produktivität aus. Das sind für nord- und mitteleuropäische Länder natürlich positive Nachrichten. Lag doch die jährliche Durchschnittstemperatur nach Daten der Weltbank für 2021 z.B. in Schweden bei 3,0, in Deutschland bei 9,5 und selbst in Frankreich nur bei 11,6 Grad C. Auch die USA dürften mit 10,0 gut gerüstet sein, weniger allerdings Länder wie Indien mit 25,0, Singapur mit 27,7 oder z.B. Togo mit 28,1 Grad Celsius. 

Damit sind die guten Nachrichten für Deutschland aber noch nicht beendet. Selbst unter Annahme des völlig irrealen Worst-Case-Szenarios RCP 8,5 – mit einem weiteren Temperaturanstieg von knapp 4 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 – könnte Deutschland immer noch mit einem temperaturbedingten Produktivitätszuwachs von insgesamt 1,7 Prozent rechnen, Schweden gar mit 4,3 Prozent. Würde in Deutschland eine vernunftbasierte statt eine ideologiegetriebene Wirtschaftspolitik gemacht, könnte man der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung – dem Klimawandel zum Trotz – ausgesprochen entspannt entgegenblicken, ihn vielleicht gar teils als Standortvorteil betrachten. 

Singapur und Togo 

Für Länder des sog. „globalen Südens“ sähe es dagegen nicht so rosig aus. Indien z.B. müsste mit einem Verlust von 8,5 Prozent rechnen, die noch wärmeren Tropenstaaten wie Singapur oder auch das afrikanische Togo mit einem noch größeren Aderlass ihres BSP. Aber, und jetzt nähern wir uns dem Schwachpunkt der hier interessierenden Modellierungsstudie: Ist es wirklich gut begründet, Länder wie z.B. Singapur und Togo in Bezug auf die wirtschaftlichen Folgen weiterer Erwärmung in einen Topf zu werfen? Weist die bisherige reale Entwicklung Singapurs und Togos – zweifelsohne ein Extremgruppenvergleich – nicht vielleicht exemplarisch auf ein gravierendes Problem dieser Modellierung hin, dass nämlich bestimmte Parameter, die wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg eines Landes beitragen, nicht berücksichtigt wurden? Was ggf. die Frage nach dem warum nicht? nach sich zöge. 

Als Singapur und Togo in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts in die Unabhängigkeit entlassen wurden, betrug ihr BIP-Verhältnis etwa 6:1. Mittlerweile steht es bei 49:1 und Singapur im BIP-Ranking (kaufkraftbereinigt) weltweit auf Platz 2, Togo auf Platz 175. Die einen haben offenbar – trotz einer ebenfalls vermeintlich produktivitätshemmenden Durchschnittstemperatur – eine Menge besser gemacht als die anderen. Was waren und sind die Ursachen dafür?

Kognitiver Kapitalismus

Wesentliche Antworten auf diese Frage bietet ein Forschungszweig, der unter der Überschrift „Kognitiver Kapitalismus“ firmiert. Einer der Protagonisten auf diesem Feld ist der Professor für Pädagogische und Entwicklungspsychologie an der TU Chemnitz, Heiner Rindermann. Er hat zu diesem Thema unter anderem diesen Artikel und im Jahr 2018 eine umfangreiche Monographie vorgelegt. Zudem liegt noch ein interessantes, auf deutsch geführtes Interview mit ihm vor.  

Für den ideologisch ungebundenen Wissenschaftler oder auch interessierten Zeitgenossen keineswegs überraschend, gelang Rindermann und Kollegen – u.a. auf Grundlage einer 90 Länder umfassenden Stichprobe – der überzeugende Nachweis, dass das psychische Merkmal Intelligenz eng mit dem Wohlstand bzw. dem BSP von Nationen zusammenhängt. Dabei ist es unwesentlich, ob der IQ auf Grundlage von Intelligenz- oder standardisierten Schulleistungstests berechnet wird, denn beide Messverfahren korrelieren sehr hoch miteinander und erfassen letztlich dasselbe Konstrukt

Stärker noch als das durchschnittliche kognitive Niveau bestimmt der relative Anteil der kognitiv besonders Leistungsfähigen den Wohlstand von Nationen. Darüber hinaus gilt: je höher das kognitive Niveau, desto größer auch die wirtschaftliche Freiheit einer Nation, was wiederum positiv zum Wohlstand beiträgt. Der kognitive Kreis schließt sich dann, indem wohlhabende Nationen mehr Geld in Bildung investieren können als arme. 

„Intelligenz und Wissen“, so erläutert Rindermann, „tragen dazu bei, dass Menschen fehlerärmer arbeiten, anspruchsvollere Aufgaben im Beruf und Alltag bewältigen und neue, technisch und wissenschaftlich an der Spitze der Entwicklung stehende Produkte entwicklen können.“ Der Unterschied im durchschnittlichen nationalen IQ zwischen Togo und Singapur beispielsweise beträgt mehr als 30 Punkte, also gut zwei Standardabweichungen. Diese ganz erhebliche Differenz dürfte einen oder auch den wesentlichen Teil der zwischen Singapur und Togo sehr unterschiedlich verlaufenen Wohlstandsentwicklung erklären, stellvertretend auch für zahlreiche andere Ländervergleiche. 

Vor diesem wissenschaftlichen Hintergrund fällt es schwer, zu glauben, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen einer weiteren Erwärmung unabhängig sein sollen von der kognitiven Verfasstheit der einzelnen Nationen. Länder mit einem höheren kognitiven Potenzial werden die mit einer Erwärmung evtl. verbundenen ökonomischen Herausforderungen doch sehr wahrscheinlich besser meistern als die diesbezüglich schlechter gestellten Nationen. Wie uns derzeit die Ampel-Koalition lehrt, handelt es sich dabei aber keineswegs um einen Automatismus, zumal auch noch – im Folgenden nicht weiter berücksichtigte – unterschiedliche kulturelle Faktoren von Bedeutung sind.   

Eine dominante Weltsicht

Es stellt sich also die Frage, warum denn die eingangs diskutierte Modellierungsstudie nicht auch problemlos verfügbare kognitive Parameter der einzelnen Nationen in ihre Analyse mit eingeschlossen hat. Die Antwort fällt in heutigen Zeiten nicht schwer, denn solche Forschungen, um noch einmal Prof. Rindermann zu zitieren, „verstoßen gegen eine an Universitäten, in Medien und auch Wikipedia dominante Weltsicht des empirischen Universalismus, das heißt, alle Menschen und Menschengruppen seien in ihren wesentlichen Merkmalen gleich.“ Ein solch ideologisiertes Weltbild macht die Wissenschaft bei vielen Fragen zwar nicht gleich blind, aber eben doch einäugig und erlaubt es ihr nur noch eingeschränkt, bestimmte Phänomene aufzuklären. Wesentliche ursächliche Mechanismen oder Risikofaktoren werden einfach nicht mehr berücksichtigt oder auch aktiv beschwiegen, um schließlich, flankiert von Zensur und personeller Austrocknung, mehr oder weniger dem Vergessen anheimzufallen. 

 

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im zivilrechtlichen Bereich.

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Leserpost

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Hjalmar Kreutzer / 19.08.2023

Sehr geehrter Gerhard Schmidt, „die Wissenschaft hat festgestellt, ...“, köstlich! In den Anfangsjahren der DDR wurden unsere Eltern indoktriniert, dass wir alle wissenschaftlichen Entdeckungen russischen / sowjetischen Wissenschaftlern zu verdanken hätten. Daher reimte das Volk: „Mitschurin hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält. Darum fressen wir mit Fleiße diese Sch…e eimerweise.“ Unter Stalins Herrschaft und unter Federführung seines Epigonen Lyssenko wurde auch in der DDR noch ein regelrechter Personenkult um den 1935 gestorbenen Mitschurin gelebt, der erst nach Stalins und Lyssenkos Tod abebbte. Noch 2009 konnte die „Berliner Zeitung“ diesen Kult glossieren. Ideologisch überformte Landwirtschaft nach sowjetischem Vorbild gab es noch unter Chrustschow, Rinderoffenställe, Mais als „Wurst am Stiel“. Clevere LPG-Vorsitzende ließen befehlsgemäß den Rinderoffenstall bauen und betrieben weiter Viehzucht in bewährter Manier. Das unsägliche Tanzvideo mit Frau Dr. Mai Thai und Frl. Kebekus wurde im Netz verfremdet: „Wissenschaft ist immer das, wofür jemand bezahlt.“

Paul J. Meier / 19.08.2023

Während manche Menschen nicht in der Lage sind sich einen Brunnen für ihr Trinkwasser zu graben, fliegen andere in den Weltraum, setzen dort auf einem Kometen ihr ferngesteuertes Labor auf und untersuchen den Himmelskörper auf Wasser. Dieses krasse, ketzerische Beispiel soll zeigen, dass diese Gleichmacherei Blödsinn ist. Und auch die Bevölkerung nicht einfach so ausgetauscht oder ersetzt werden kann. Der Braindrain wird sich noch dramatisch für Deutschland auswirken. Und es nützt niemanden, schadet dem Ganzen, Arm und Reich! Durch “präskriptiv” begründete moralische Verpflichtungsurteile, soll ein Soll-Zustand erreicht werden. Wenn aber die Prämisse falsch ist, sind auch die Konklusionen falsch. Diskurse, welche Hegels einfacher Dialektik folgen, werden unterbunden. Poppers Falsifikationsprinzip verstaubt im woken Zeitgeist, welcher die absolute Wahrheit gepachtet hat. Deskriptive, wertfreie Aussagen werden durch behauptete Intersubjektivität herabgewürdigt oder sogar verfolgt. Wie kann aber etwas intersubjektiv sein, wenn kein Diskurs mehr stattfindet? Wenn unangenehme Wahrheiten verdrängt werden. Wenn die Wissenschaft zum Erfüllungsgehilfen kapital-elitären Größenwahnsinns und Machtgier degeneriert. Und die Politik durch inkompetente, völlig überforderte Kleingeister dieser gesteuerten Vorgaben folgt und Nachschub leistet, dann werden wir eine Zäsur der Gesellschaft erleben, die sich gewaschen hat! Die ersten Anzeichen oder besser gesagt Winke mit dem Zaunpfahl, haben die Bevölkerung wohl langsam erreicht.

Thomas Szabó / 19.08.2023

Ich weise ergänzend darauf hin, dass die Gruppe der Grünen Politiker & Grünwähler in Deutschland statistisch betrachtet die meisten Menschen mit einen IQ 150 aufweist. Es gibt in keiner Partei so viele Menschen mit einen IQ 150 wie unter den Grünen. Wenn ich mir in den sozialen Medien die Kommentare der Grünen durchlese, dann komme ich zum Schluss, dass sie einen durchschnittlichen IQ 50 haben müssen. Der durchschnittliche IQ in Deutschland liegt aber bei 100. Somit muss auf jeden deutschen Grünen mit einen IQ 50 einer mit einen IQ 150 kommen, um die Statistik auszugleichen. 50+150=200 200:2= 100. (Die Grünen mit IQ 150 politisieren halt nicht in den sozialen Medien und treten auch sonst nirgends öffentlich in Erscheinung.) Demnach gestatte ich es mir anhand meiner statistischen Modellrechnung eine Wahlempfehlung für die intellektuelle Partei der Grünen abzugeben.

Jürgen Fischer / 19.08.2023

Wissenschaft versucht das, was um und mit uns passiert, zu verstehen und zu erklären. Die Intention der Ideologie ist das genaue Gegenteil davon. Stichwort „vom Ende her denken“.

Dr. Klaus Schmid / 19.08.2023

WEF-Schwab: “Ihr werdet nichts besitzen [auch kein Hirn mehr] und [wir, die linke Elite werden] glücklich sein.”

R.Camper / 19.08.2023

Da ich mich öfter in Thailand aufhalte, habe ich mich auch ein bisschen mit der thail. Geschichte befasst. Eine Gegenüberstellung zu Deutschland, ergibt eine wesentlich schlechtere Ausgangslage für Deutschland, nach 1945.  Thailand hatte sich den Japanern, nach ein paar Tagen, ergeben und somit eine Zerstörung des Landes und Opfer an Menschenleben verhindert. Ein Phänomen, Japan und Deutschland sind nach dem Krieg beide, als die wirtschaftlich stärksten Staaten in ihrem Erdteil aufgestiegen, trotz des verlorenen Krieges. Thailand wurde nie kolonialisiert. Thailand hat keinen Winter, irgendwas wächst dort immer, die Menschen haben keine Heizkosten. Trotzdem war Thailand, im Verhältnis zu Deutschland, immer ein armes Land, warum? Es hat jetzt ein bisschen aufgeholt, aber im Vergleich zu Deutschland, immer noch wesentlich ärmer, wenn man von Löhnen und Renten ausgeht. Wenn man von der Lebensfreude und vom Nationalstolz der Menschen ausgeht, sind wir die Armen.

Volker Kleinophorst / 19.08.2023

Wissenschaft in ganz einfach: Wo alle propagandistisch angeleitet hinrennen, ist nahezu immer falsch. Wahrheit braucht keine Propaganda. „Wer es in kleinen Dingen mit der Wahrheit nicht ernst nimmt, dem kann man auch in großen Dingen nicht vertrauen.“ (Albert Einstein) “Auch wenn alle einer Meinung sind, können alle Unrecht haben.” (Bertrand Russell) “Herr vergib’ ihnen, denn sie wissen was sie tun.” (Karl Kraus)

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