Henryk M. Broder / 27.04.2023 / 15:00 / Foto: achgut.com / 28 / Seite ausdrucken

Ein Wunder! Ein Wunder! Einführung in das Judentum

Es geht voran mit dem jüdischen Leben in Deutschland, die Bundesregierung erhöht die Leistungen an den Zentralrat von 13 auf 22 Millionen jährlich und die jüdische VHS in Berlin bietet eine Einführung in das Judentum an. Deutschland wird offener, bunter, diverser – und jüdischer!

In diesen Tagen, da eine schlechte Nachricht der anderen folgt, freuen wir uns über jede gute Nachricht. Heute gibt es gleich zwei.

Die Bundesregierung erhöht die jährlichen Leistungen an den Zentralrat der Juden in Deutschland von bisher 13 auf künftig 22 Millionen Euro p.a., also um 70 Prozent. Aus diesem Anlass hat die zuständige Innenministerin, Nancy Faeser, ChatGPT um ein Statement gebeten und innerhalb weniger Sekunden erhalten. Es liest sich so, als hätte es die Innenministerin selber verfasst:

Es ist ein Wunder und ein großes Glück, dass es nach dem von Deutschen begangenen Menschheitsverbrechen des Holocaust heute wieder so vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland gibt. Dieses jüdische Leben zu schützen und zu unterstützen, ist ein wichtiger Teil unserer heutigen Verantwortung. Deshalb erhöhen wir die jährlichen Leistungen an den Zentralrat der Juden in Deutschland erheblich von 13 auf künftig 22 Millionen Euro. Die Bildungs- und Erinnerungsarbeit, aber auch die Sicherheit jüdischer Gemeinden können wir so weiter stärken. Ich bin dem Zentralrat der Juden in Deutschland sehr dankbar für seine großen Verdienste zur Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes und für seine wichtige soziale und integrationspolitische Arbeit.

Worauf Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden, zu seinem Montblanc-Füller griff und Folgendes zu Papier brachte:

Das Judentum ist ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft, unserer Geschichte. In den vergangenen Jahrzehnten hat das jüdische Leben in Deutschland eine Vielfalt erlangt, die vor der Schoa eine Selbstverständlichkeit gewesen ist. Diese Entwicklung soll nun gefestigt werden und das erfordert Hingabe, Anstrengung und Zusammenhalt – sowohl von der jüdischen Gemeinschaft als auch von der gesamten Gesellschaft. Mit der Unterzeichnung des angepassten Staatsvertrages zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland als Religionsgemeinschaft und gesellschaftliche Vertretung der Jüdinnen und Juden in Deutschland und der Bundesrepublik Deutschland gehen wir einen bedeutenden Schritt auf diesem Weg. Der größte Teil der erhöhten Leistungen wird dem Betrieb der Jüdischen Akademie in Frankfurt zu Gute kommen, deren Eröffnung für 2024 geplant ist. Der Auftrag der Akademie ist es, eine jüdische Perspektive auf Debatten der Mehrheitsgesellschaft zu formulieren und Themen in aller Selbstbestimmtheit zu setzen. Sie wird damit einen wichtigen Beitrag zur Verankerung jüdischen Denkens und jüdischer Werte in unserer Gesellschaft beitragen.

Soll heißen: Das Judentum oder das, was von ihm geblieben ist, gehört zu Deutschland und ist fest entschlossen, einen wichtigen Beitrag zur Verankerung jüdischen Denkens und jüdischer Werte in unserer Gesellschaft beizutragen, denn jüdisches Denken und jüdische Werte sind das Einzige, was einer bunten, diversen und toleranten Gesellschaft zur Vollkommenheit fehlt. 

Dafür aber muss diese Gesellschaft sich über das Judentum kundig machen, oder – wie man heute sagt – das Judentum sichtbar gemacht werden. Zu diesem Zweck hat sich die Jüdische Volkshochschule etwas einfallen lassen, nämlich eine Vortragsreihe zur Einführung in das Judentum unter dem superoriginellen Titel „Was Sie schon immer über das Judentum wissen wollten...“: Darf man am Schabbat Skateboard fahren? Kann jeder Mensch Jude werden? Wie stellt sich das Judentum den Himmel, bzw. das Leben nach dem Tod vor? Gibt es im Judentum Teufel und Engel? Was bedeutet das Sch’ma Israel? Was passiert in der Mikwe? Wie wird mit Homosexualität umgegangen? Wann kann man von koscherer Milch sprechen? Genügt das von Muslimen geschächtete Fleisch den Ansprüchen der jüdischen Tradition? Ist eine Organspende erlaubt?

Ja, das sind Fragen, die uns täglich umtreiben. Was passiert in der Mikwe? (Es wird gebadet); wie stellt sich das Judentum den Himmel, bzw. das Leben nach dem Tod vor? (Wie die Lebensmittelabteilung im KadeWe, nur ohne Schinken und Garnelen.) Also nichts wie hin. Heute Abend in der jüdischen VHS, Fasanenstraße 79-80, gegenüber dem Hotel Kempinski, Eintritt frei, Schüler, Studenten und Radfahrende zahlen den halben Preis. Sie können auch Fragen stellen, die nicht im Angebot stehen, zum Beispiel: Warum werden im Judentum nur Männer beschnitten und nicht auch Frauen? Ist das nicht auch eine Form der Diskriminierung?

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Dr. med. Jesko Matthes / 27.04.2023

Sind die sterblichen Überreste Heinz Galinskis eigentlich schon wegen ihrer immer höheren Winkelgeschwindigkeit für die saubere Energiegewinnung in diesem sauberen Land vorgeschlagen worden? Ignaz Bubis hat sich dieser Verwendung ja in weiser Voraussicht schon vor langer Zeit entzogen.

Peter Krämer / 27.04.2023

Wie immer wird in diesem Lande alles mit Geld gelöst. De Zentralrat der Juden wird diese großzügige Geste schon richtig verstehen und sich noch stärker im Kampf gegen Rechts engagieren. Und sichtbar dürfen Juden überall sein, solange man sie nicht als solche erkennt, besonders in Berlin.

Sam Lowry / 27.04.2023

Herr Broder ist doch “unsere” letzte Stimme im Mainstream (WELT). Also… wer, wenn nicht er?

W. Renner / 27.04.2023

Der Zentralrat ist offensichtlich im ZK des Politbüros angekommen. Dafür gibts sicher irgendwann mal ein schickes Denkmal, für diejenigen, die es am Ende nicht überlebt haben, oder es garnicht erst erleben wollten.

Silas Loy / 27.04.2023

Das hat er aber auch verdient, Merkels Schuster, jetzt stimmt wenigstens die Kohle. Manna by Faeser.

finn waidjuk / 27.04.2023

Bei den finanziellen Leistungen der Bundesregierung an den Zentralrat der Juden handelt es sich eigentlich nur um Schweigegeld. Und ich muss sagen, der Empfänger ist jeden einzelnen Cent wert.

Hans-Peter Dollhopf / 27.04.2023

Es ist annehmbar, dass bis ins 18. Jahrhundert für Juden in Mitteuropa eine Identität bestand von Religion und Volk. Weder Rebbe Broder noch Rebbe Schuster verkörpern diese noch. Sie sind beide Geisteskinder der Haskalah, so wie Heinrich Heine, Karl Marx, Albert Einstein,  Bert Brecht, Viktor Klemperer, Hannah Arendt ... Es ist nur verwunderlich, wie Broder dem Schuster in seiner Funktionstätigkeit immerzu ans Bein pissen kann. Oder das ist es auch nicht: Broder machte nie einen Hehl an seiner jüdischen Aufgeklärtheit, Schuster versteckt sie zwielichtig hinter einem 20 Millionen schweren Geschäftsmodell, das “1700 Jahre Judentum in Deutschland” vertreibt. Ohne jede Scham.

Helmut Driesel / 27.04.2023

Ja, die Frage, ob in Israel nicht koschere Nieren transplantiert werden, hätte mich auch noch interessiert. “Das jüdische Denken…”? “Jüdische Volkshochschule”? Ich habe keine Ahnung, normalerweise bräuchte man ja nur einige jüdische Schriftsteller zu lesen. Aber wenn ich jetzt z.B. erzählen würde, dass meine Oma mich mit 5 oder 6 Jahren darüber belehrt hatte, dass der “Herr Hitler” an demselben Tag Geburtstag hatte wie sie (und das war definitiv ein Feiertag in unserer Familie) - da gehen beim Herrn Broder bestimmt die jüdischen Rollos runter. Kein Wunder.

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