Als Hamed Abdel-Samad und ich vor einigen Jahren auf unserer „Europa-Safari“ Brüssel und die Europäischen Institutionen besuchten, trafen wir u.a. auch den damaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments: Martin Schulz aus Würselen bei Aachen.
Schulz, Prototyp des jovialen Rheinländers, tat so, als würden wir uns schon lange kennen, er machte sich über seinen eigenen Laden lustig. „Ich erkläre euch mal, wie die EU funktioniert. Wenn die EU ein Staat wäre, und wenn dieser Staat die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste er zurückgewiesen werden – wegen mangelnder demokratischer Legitimation.“
Hamed und ich waren sehr angetan. Ein Spitzenbeamter der EU stellte die demokratische Legitimation der EU in Frage. Und nicht nur das: Schulz wollte damals auch, dass „Zuständigkeiten“, die im Zuge der europäischen Integration an die EU übertragen worden waren, an die EU-Mitgliedstaaten zurückgegeben werden. Die EU sollte sich nur um die wirklich „großen Sachen“ kümmern, alles Übrige wäre Ländersache.
Kurz darauf beschloss Martin Schulz, sich für das Amt des Präsidenten der EU-Kommission zu bewerben, gegen Jean-Claude Juncker, seinen besten Freund. Er scheiterte, und als das EU-Parlament ihm eine weitere Amtsperiode verweigerte, wechselte er nach Berlin, um sich als Kanzlerkandidat der SPD zur Verfügung zu stellen. Und beinahe hätte er es geschafft!
Bei den parteiinternen Wahlen, ohne einen Gegenkandidaten, stimmten 100% der Delegierten für ihn. Schulz war überwältigt. Dann wurde er aber doch von der Wirklich-keit eingeholt. Bei den Bundestagswahlen im Herbst 2017 kam die SPD auf mickrige 20,5% Prozent.
Das Problem Schulz hatte sich damit erledigt, aber das Problem EU ist geblieben. Derzeit wird mit sieben Kandidaten über einen Beitritt zur EU verhandelt, darunter auch mit der Türkei, die in den Jahren von 2014 bis 2020 rund 4.5 Milliarden Euro „Heranführungshilfe“ von der EU erhält, ein Witz, über den nur Erdogan lachen kann.
Im Gegenzug hat der junge österreichische Kanzler vorgeschlagen, die Zahl der Kommissare von 28 auf 18 zu reduzieren. Es soll also erweitert und zugleich zurückgebaut werden. Was kommt als nächstes auf uns zu? Eine neue Parole der Weight Watchers: Mehr Essen, schneller Abnehmen!
Zuerst erschienen in der Weltwoche