Ich schätze die Beiträge und Analysen von Gunnar Heinsohn. Sie scheinen mir ausreichend statistisch, systemtheoretisch und kulturanthropologisch belegt und begründet. Heinsohn vermeidet es, angesichts der Komplexität der gesellschaftlichen Problemlagen einfache Lösungsvorschläge anzubieten. Er bleibt skeptisch, was die Problemlösungsfähigkeiten unserer politischen Klasse betrifft, die meist mit sich selbst beschäftigt ist und seit Jahren schon das gesellschaftliche Gesamtwohl aus den Augen verloren hat bei der Vermehrung ihres eigenen Wohlstands (z.B. Einnahmen durch Lobbyarbeit) und der Durchsetzung partikulärer Interessen. Stattdessen wird die Lösung aller gesellschaftlichen Probleme in einer sehr fragwürdigen wissenschaftlich begründeten Umerziehung der Mehrheit unserer Bevölkerung zu unkritischer Anpassung und multikultureller Toleranz einer aus dem Ruder gelaufenen Einwanderungspolitik versucht. Dabei wird außer Acht gelassen, dass zum Erhalt einer stabilen Gesellschaft die Befriedigung wichtiger physiologischer Grundbedürfnisse der Bürger (wie Nahrung, ausreichend und bezahlenbarer Wohnraum, Sicherung des Lebensunterhalts durch Arbeit), Sicherheitsbedürfnisse (Gewährleistung und Durchsetzung von Recht und Ordnung durch staatliche Behörden) und ausreichende, befriedigende Sozialbeziehungen von vorrangiger Bedeutung gegenüber geistigen, ideologischen und religiösen Werten und Einstellungen sind (siehe Modell der Maslow’schen Bedürfnishierarchie). Das ist eigentlich die originäre Aufgabe der Politik, die Befriedigung wichtiger Grundbedürfnisse sicherzustellen. Die Systemtheorie und -analyse weist darauf hin, dass es wichtig ist,, auf die tragenden Elemente bzw. Fundamente und Säulen eines Systems wie der Gesellschaft zu achten. Das sind die meisten Bürger mit ihren Familien, die durch Arbeit, Steuern und Versicherungsbeiträge erheblich zum Laufen der Gesellschaft beitragen. Wenn diese Bevölkerungsgrupppe nicht gepflegt und gehegt - sondern vernachlässigt, benachteiligt (Rentenkürzungen, Gefährdung der Ersparnisse und Rücklagen, Aufweichung und Umgehung von Tarifverträgen) und obendrein noch beschimpft wird, wenn sie nicht mit dieser Politik einverstanden ist, braucht man sich nicht zu wundern, wenn in Bevölkerungskreisen nach politischen Alternativen gesucht wird. Leider bieten die in der Opposition befindlichen Parteien im Bundestag und in dem meisten Landesregierungen keine überzeugende Alternative an, sondern tragen die aus meiner Sicht falsche Regierungspolitik noch mit, anstatt die Regierung zu kontrollieren und Missstände aufzudecken/aufzuzeigen.
Und wie soll das in Sachsen oder anderswo beim Umgang mit besitzerfgreifenden integrationsunwilligen Kulturfremden helfen?
Vogt formuliert sehr klug und geht auf die Lebenswirklichkeiten von Städtern und Bewohnern des ländlichen Raumes - m. E. zutreffend - ein. Auch das Empfinden der Einflusslosigkeit und Machtlosigkeit lokaler Verantwortungsträger ist m. E. richtig beschrieben; Bund und Länder haben über Jahrzehnte über finanzielle Mittel massiven Einfluss auf Kommunen genommen und fiskalische und persönliche Abhängigkeiten geschaffen. Das wird sich nicht zurück drehen lassen. Richtig erkennt Vogt auch, dass wichtige Themen der Zeit in der politisch interessierten Bevölkerung vordiskutiert werden müssen. Unter Kohl war die CDU durchaus noch in der Lage, Willensbildung von “unten nach oben” zu betreiben, in der SPD war es vermutlich ähnlich. Diese Zeiten sind jedoch vorbei, Merkel als CDU-Vorsitzende hält sich an keine Vorgaben mehr. Und da liegt eine Schwäche von Vogt: Es ist nicht Aufgabe der Politik, die Bevölkerung in eine gewünschte Richtung zu erziehen, sondern vielmehr Räume und Plattformen zu schaffen, welche die künftigen wichtigen Richtungsentscheidungen der Politik und Gesellschaft vorbereiten helfen. Vogt verweist auf die Schweiz: Auch politisch unerwünschte lokale Entscheidungen sind bindend. Das scheint mir in Deutschland wenig erwünscht, wir neigen zu zwanghafter Vereinheitlichung, warum auch immer. Begrüssenswert erscheint mir gleichwohl der Vorschlag, die Binnenkultur zu fördern und über die eigenen Wurzeln nachzudenken. Gerade die Sachsen haben einen gewissen “Landesstolz” und sind an Ihrer Identität, Kultur und Geschichte interessiert, oder wie Vogt sagt: heimatverbunden. Als Süddeutscher war ich in den ersten Jahren in Sachsen immer wieder verblüfft, wie sehr Menschen aller Berufe und Schichten an Theater, Kunst und anderen kulturellen Ereignissen sind, das kannte ich so von zuhause nur aus dem Bildungsbürgertum. Ich bezweifle aber, dass oktroyierende Kulturveranstaltungen gut ankämen, die Sachsen haben die DDR noch in guter Erinnerung und bemerken sofort, wenn ihnen etwas aufgeprägt werden soll. Es gibt schon einiges an Kino- und Fernsehfilmen sowie Theaterstücken zum Thema “Aufnahme von Fremden”, die Einflussnahme in eine bestimmte Richtung ist in der Kultur jetzt schon durchaus wahrnehmbar. Es geht aber nie um eine Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern um eine gewünschte Richtung. Volksbelehrung ist aber ärgerlich und löst einen Abwehrreflex aus. Funktionieren kann m. E. nur die eigene Auseinandersetzung, nicht die vorzelebrierte.
Vielen lieben Dank für den Hinweis auf diesen potentiell großen Versöhner. Selten habe ich mein Empfinden und meine Gedanken zum Thema Liebe zum Eigenen und Integration so wunderbar ausgedrückt gefunden. Allein, ich fürchte, die Zahl der Verständigen im Promillebereich. Was wissenschaftlich wahrscheinlich sogar erklärbar ist - und mich dennoch sehr traurig macht. Beste Grüße in meine Heimat,
Herr Vogt ist ein Idealist. Wenn es viele Idealisten gäbe, könnte es vielleicht klappen aber solange Politiker nur des Machterhaltes wegen an ihrer ausgesprochen ungerechten Politik festhalten, die Zuwanderer nicht bereit sind, die Werte des Gastlandes anzuerkennen und viele Gutmenschen nur aus Eigennutz im Mainstream mitschwimmen, wird sich gar nichts ändern. Die Schere zwischen arm und reich wird immer größer und immer offensichtlicher, da werden die einen mit Klauen und Zähnen ihr Hab und Gut verteidigen und die anderen müssen sehen, wie sie tag-täglich um die Runden kommen. Wie soll da Empathie für die Flüchtlinge entstehen, zumal derjenige, der die herrschende Ungerechtigkeit anprangert sofort als Pack, Nazi, rechtes Gesindel, etc.pp. abgestempelt wird. Wobei das Wort NAZI die verheerenden Gräueltaten der Nazis dadurch entwertet. Aber soweit denken die Beschimpfer nicht,sie wollen nur unbedingt im Reigen mitmischen, obwohl so manchem sogar dazu die Intelligenz fehlt. Herrn Vogts Vorschlag ist gut gemeint aber die Menschen sind, jedenfalls zur Zeit, nicht reif dafür.
Es könnte auch wesentlich trivialer sein. Vielleicht hören die Menschen die täglichen Jubelschreie der Politik a la “Wir werden Deutschland nicht wiedererkennen”, sehen aber gleichzeitig die realen drastischen und in Friedenszeiten per Definition eigentlich unmöglichen Veränderungen in ihrem Lebensumfeld und verstehen die frohlockenden Rufe der Politik einfach als Drohung.
Die hier beschriebene Studie des Herrn Professor Vogt mag eine gute wissenschaftliche Analyse zum heutigen Staatsverdruß insbesondere in Sachsen sein, mit den tatsächlichen Problemstellungen der Menschen hat sie wenig zu tun bzw. ist vom realen Leben weit entfernt. Schon der Begriff vom “demokratischen Spektrum” ist eine Nebelkerze. Zu welchem Spektrum - und das dürfte die Mehrheit der Bürger in Sachsen sein - gehören die denkenden Bürger, die sich weder durch Kirchen, Gewerkschaften oder den genannten Parteien angesprochen fühlen? Gehören sie zum “undemokratischen Spektrum” (was immer das sein könnte)? Ist ein Appell gerade an die gesellschaftlichen Gruppen, die die Zustände wesentlich mit zu verantworten haben, überhaupt sinnvoll? Es ist doch lebensfremd, mit der Erinnerung an das Eindringen der Germanen in slawische Gebiete, gegenwärtige Zustände ändern zu wollen oder dies wenigstens als Basis der Betrachtung zu nehmen. Die heutigen Probleme, und erst recht die erwartbaren noch schlimmeren zukünftigen, sind hausgemachte. Die Differenz zwischen der täglichen Lebensrealität und den hohlen Parolen der politischen und medialen Klasse - dem Vorgegauckel einer falschen Realität, dort liegen die Ursachen. Da hilft das s. g. “demokratische Spektrum” bestimmt nicht weiter, eher schon das Zurechtstutzen des Einflusses.
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